Zwischen Krippenspiel und Hawaiitoast
Wie verbringen Sie Weihnachten? Pfarrerin, Kinderarzt und Bundestagsabgeordnete erzählen
TUTTLINGEN - Weihnachten: das Fest der Familie. Doch wie wird in Tuttlingen Weihnachten gefeiert, welche Rituale gibt es unterm Tannenbaum? Und was kommt beim Rathauschef, beim Kinderarzt oder der Pfarrerin Leckeres auf den Tisch? Unsere Redaktion hat nachgefragt.
Turbulente und ruhigere Phasen wechseln sich im Hause Röhrenbach über die Weihnachtsfeiertage ab. Am Mittag des Heiligenabends trudeln bei Kinderarzt Johannes Röhrenbach zunächst die Kinder samt Partnern mit den beiden acht- und 13-jährigen Enkeln ein. Auch zwei Hunde sind dabei. Gemeinsam gefeiert wird bereits nachmittags, da manch ein Familienmitglied abends noch eine weitere Verpflichtung hat – etwa der Besuch bei der Familie des Partners oder ein Einsatz als Organist. „Ich springe um 18 Uhr beim Gottesdienst in Seitingen ein“, verrät Johannes Röhrenbach.
Überhaupt: Musik spielt an Weihnachten eine wichtige Rolle in der Familie. Unterm Weihnachtsbaum wird auf jeden Fall gesungen – meistens begleitet von verschiedenen Familienmitgliedern mit der Flöte, Gitarre oder dem Klavier. Die beiden Enkel lesen abwechselnd die Weihnachtsgeschichte vor – im einem Jahr der eine, im anderen Jahr der andere. „Da gibt es inzwischen einen kleinen Konkurrenzkampf “, sagt der Kinderarzt lachend.
Um mehr Zeit füreinander zu haben, gibt’s zum Essen stets etwas, das sich gut vorbereiten lässt. „Dieses Jahr ist es Hawaiitoast“, sagt er. Da es in der Familie immer mehr Vegetarier
gäbe, passt sich auch der Speiseplan an: Statt Fleischgerichten gibt es bei Familientreffen nun Linsenbolognese oder Spinatlasagne. Apropos Familientreffen: Ein weiteres steht am Zweiten Weihnachtsfeiertag an. Johannes Röhrenbach trifft sich in Rottenburg mit seinen vier Geschwistern und deren Familien. „Darauf freue ich mich dieses Jahr ganz besonders, da es wegen Corona zwei Mal ausgefallen ist.“
Orgel spielen im Weihnachtsgottesdienst – das macht auch MariaLena Weiss regelmäßig. Die Mühlheimerin sitzt seit 2021 für den Kreis Tuttlingen im Bundestag. Deshalb gehört die Kirche zum festen Programm an Heiligabend in der Familie. „Ich bin an der Orgel, die Kinder spielen beim Krippenspiel mit“, erzählt sie. Und danach? „Gibt es klassisch Kartoffelsalat mit Bratwürsten“, wahrscheinlich
bei ihren Eltern, dann Bescherung.
Ein politisch hochbrisantes Jahr hat die CDU-Abgeordnete hinter sich, da will sie sich an den Feiertagen nun Zeit für die Familie nehmen. Zwar wird sie am 23. Dezember „vermutlich bis 24 Uhr“gerabeitet haben, danach ist aber Ruhe angesagt. „Viel spielen, viel Lego bauen, ab und an einen Organistendienst, gut essen, ein bisschen laufen“, fasst sie es zusammen. Für die Arbeit ist zwischen den Jahren dann wieder Zeit und in der ersten Januarwoche geht’s für die Familie in den Skiurlaub.
Das Restaurant Baers Place in Tuttlingen hat an Heiligabend zwar geschlossen, an den Herd muss Inhaber Robin Bär aber trotzdem – und zwar zuhause. „In der Tat mach auch meistens ich das Essen an Heiligabend“, sagt er. Was es in diesem Jahr gibt? „Das weiß ich ehrlich gesagt selbst noch nicht genau“, gesteht Bär schmunzelnd. Und: „Mich fragen grade auch schon alle in der Familie“.
Ganz klassisch schwäbische Schäufele, mit Spätzle und Kartoffelgratin seien aber aktuell die Überlegung. Oder: „Oft gibt es bei uns auch einfach das, was im Restaurant übrig geblieben ist“, erzählt er. Gefeiert wird schließlich im großen Familienkreis. Und nicht nur gefeiert, sondern auch gesungen: „Natürlich singen wir. Mindesten drei Lieder, sonst gibt’s keine Geschenke für die Kinder“, sagt er und lacht.
Viele Gottesdienste – zweimal an Heiligabend und einen am Ersten Weihnachtsfeiertag – stehen bei Philine Blum auf dem Programm. Für die evangelische Pfarrerin der Stadtkirche kommen an Weihnachten Fest und Arbeit zusammen. Um 16 Uhr an Heiligabend sind ihre Kinder mit im Gottesdienst dabei. „Und diese fröhliche Aufregung des Familiengottesdienstes, die sich auf die Erwachsenen überträgt, ist etwas Besonderes“, findet sie. Das „O Du fröhliche“wird immer am Ende gesungen. „Im Stehen, wir dunkeln die Kirche ab.“Für Menschen, die Weihnachten mögen, sei das wirklich etwas Schönes.
Dieses Jahr sind ihre Eltern an Weihnachten da, und am 26. Dezember kommt die Schwester mit Familie. Das Kochen wird „outgesourct“, die Lasagne ist bestellt und muss nur noch in den Ofen gesteckt werden. „Wir sind nicht so schwäbisch, dass es Saitenwürstle mit Kartoffelsalat gibt“, meint Blum. Das Schöne an ihrem Beruf findet sie, dass sie sich auch inhaltlich mit Weihnachten beschäftigen kann. „Es ist ein Gewinn, sich darüber Gedanken zu machen, was Weihnachten in diesem Jahr bedeuten kann.“
Ein Besucher des Gottesdiensts in der Stadtkirche steht schon fest: Horst Riess. „Wir schauen uns an Heiligabend immer das Krippenspiel an“, erzählt der Geschäftsführer der Tuttlinger Wohnbau. Auch, weil sein Sohn Adrian dort regelmäßig Trompete spielt. Danach gibt es bei Familie Riess eine feste Tradition: Den Weihnachtsabend verbringen sie bei der Schwägerin, und zwar seit Riess’ Bruder gestorben ist. Auch da gibt es selbstgemachte Musik, gern lustige Lieder, und Raclette. „Viel Raclette“, sagt Riess. „Aber dass man zu viel gegessen hat, merkt man immer erst am letzten Schälchen.“
Angesichts der Ereignisse dieses Jahres „kann es schon sein, dass die Themen andere sein werden als in den Vorjahren, auch ernste“, meint Riess. Eine depressive Stimmung käme in der Verwandtschaft aber nicht auf. „Wir sind lauter Leute, die positiv in die Zukunft schauen“, sagt er. „Um im Wohnbau-Jargon zu sprechen: Wenn man gesund ist, ist drei Viertel der Miete schon drin.“
Und das Tuttlinger Stadtoberhaupt? Bei Oberbürgermeister Michael Beck kommen an Heiligabend die drei Kinder mit ihren Partnern und den Enkelkindern zu Besuch. Das gemeinsame Weihnachtsgericht ist seit vielen Jahren unverändert: Auf den Tisch kommen Kartoffelsalat, Eier und Fleischsalat. Und noch eine Tradition gibt es: Nach der Bescherung geht die Familie gemeinsam zur Christmette.