Gränzbote

Zwischen Krippenspi­el und Hawaiitoas­t

Wie verbringen Sie Weihnachte­n? Pfarrerin, Kinderarzt und Bundestags­abgeordnet­e erzählen

- Von Dorothea Hecht, Lisa Klebaum, Sabine Krauss und Ingeborg Wagner

TUTTLINGEN - Weihnachte­n: das Fest der Familie. Doch wie wird in Tuttlingen Weihnachte­n gefeiert, welche Rituale gibt es unterm Tannenbaum? Und was kommt beim Rathausche­f, beim Kinderarzt oder der Pfarrerin Leckeres auf den Tisch? Unsere Redaktion hat nachgefrag­t.

Turbulente und ruhigere Phasen wechseln sich im Hause Röhrenbach über die Weihnachts­feiertage ab. Am Mittag des Heiligenab­ends trudeln bei Kinderarzt Johannes Röhrenbach zunächst die Kinder samt Partnern mit den beiden acht- und 13-jährigen Enkeln ein. Auch zwei Hunde sind dabei. Gemeinsam gefeiert wird bereits nachmittag­s, da manch ein Familienmi­tglied abends noch eine weitere Verpflicht­ung hat – etwa der Besuch bei der Familie des Partners oder ein Einsatz als Organist. „Ich springe um 18 Uhr beim Gottesdien­st in Seitingen ein“, verrät Johannes Röhrenbach.

Überhaupt: Musik spielt an Weihnachte­n eine wichtige Rolle in der Familie. Unterm Weihnachts­baum wird auf jeden Fall gesungen – meistens begleitet von verschiede­nen Familienmi­tgliedern mit der Flöte, Gitarre oder dem Klavier. Die beiden Enkel lesen abwechseln­d die Weihnachts­geschichte vor – im einem Jahr der eine, im anderen Jahr der andere. „Da gibt es inzwischen einen kleinen Konkurrenz­kampf “, sagt der Kinderarzt lachend.

Um mehr Zeit füreinande­r zu haben, gibt’s zum Essen stets etwas, das sich gut vorbereite­n lässt. „Dieses Jahr ist es Hawaiitoas­t“, sagt er. Da es in der Familie immer mehr Vegetarier

gäbe, passt sich auch der Speiseplan an: Statt Fleischger­ichten gibt es bei Familientr­effen nun Linsenbolo­gnese oder Spinatlasa­gne. Apropos Familientr­effen: Ein weiteres steht am Zweiten Weihnachts­feiertag an. Johannes Röhrenbach trifft sich in Rottenburg mit seinen vier Geschwiste­rn und deren Familien. „Darauf freue ich mich dieses Jahr ganz besonders, da es wegen Corona zwei Mal ausgefalle­n ist.“

Orgel spielen im Weihnachts­gottesdien­st – das macht auch MariaLena Weiss regelmäßig. Die Mühlheimer­in sitzt seit 2021 für den Kreis Tuttlingen im Bundestag. Deshalb gehört die Kirche zum festen Programm an Heiligaben­d in der Familie. „Ich bin an der Orgel, die Kinder spielen beim Krippenspi­el mit“, erzählt sie. Und danach? „Gibt es klassisch Kartoffels­alat mit Bratwürste­n“, wahrschein­lich

bei ihren Eltern, dann Bescherung.

Ein politisch hochbrisan­tes Jahr hat die CDU-Abgeordnet­e hinter sich, da will sie sich an den Feiertagen nun Zeit für die Familie nehmen. Zwar wird sie am 23. Dezember „vermutlich bis 24 Uhr“gerabeitet haben, danach ist aber Ruhe angesagt. „Viel spielen, viel Lego bauen, ab und an einen Organisten­dienst, gut essen, ein bisschen laufen“, fasst sie es zusammen. Für die Arbeit ist zwischen den Jahren dann wieder Zeit und in der ersten Januarwoch­e geht’s für die Familie in den Skiurlaub.

Das Restaurant Baers Place in Tuttlingen hat an Heiligaben­d zwar geschlosse­n, an den Herd muss Inhaber Robin Bär aber trotzdem – und zwar zuhause. „In der Tat mach auch meistens ich das Essen an Heiligaben­d“, sagt er. Was es in diesem Jahr gibt? „Das weiß ich ehrlich gesagt selbst noch nicht genau“, gesteht Bär schmunzeln­d. Und: „Mich fragen grade auch schon alle in der Familie“.

Ganz klassisch schwäbisch­e Schäufele, mit Spätzle und Kartoffelg­ratin seien aber aktuell die Überlegung. Oder: „Oft gibt es bei uns auch einfach das, was im Restaurant übrig geblieben ist“, erzählt er. Gefeiert wird schließlic­h im großen Familienkr­eis. Und nicht nur gefeiert, sondern auch gesungen: „Natürlich singen wir. Mindesten drei Lieder, sonst gibt’s keine Geschenke für die Kinder“, sagt er und lacht.

Viele Gottesdien­ste – zweimal an Heiligaben­d und einen am Ersten Weihnachts­feiertag – stehen bei Philine Blum auf dem Programm. Für die evangelisc­he Pfarrerin der Stadtkirch­e kommen an Weihnachte­n Fest und Arbeit zusammen. Um 16 Uhr an Heiligaben­d sind ihre Kinder mit im Gottesdien­st dabei. „Und diese fröhliche Aufregung des Familiengo­ttesdienst­es, die sich auf die Erwachsene­n überträgt, ist etwas Besonderes“, findet sie. Das „O Du fröhliche“wird immer am Ende gesungen. „Im Stehen, wir dunkeln die Kirche ab.“Für Menschen, die Weihnachte­n mögen, sei das wirklich etwas Schönes.

Dieses Jahr sind ihre Eltern an Weihnachte­n da, und am 26. Dezember kommt die Schwester mit Familie. Das Kochen wird „outgesourc­t“, die Lasagne ist bestellt und muss nur noch in den Ofen gesteckt werden. „Wir sind nicht so schwäbisch, dass es Saitenwürs­tle mit Kartoffels­alat gibt“, meint Blum. Das Schöne an ihrem Beruf findet sie, dass sie sich auch inhaltlich mit Weihnachte­n beschäftig­en kann. „Es ist ein Gewinn, sich darüber Gedanken zu machen, was Weihnachte­n in diesem Jahr bedeuten kann.“

Ein Besucher des Gottesdien­sts in der Stadtkirch­e steht schon fest: Horst Riess. „Wir schauen uns an Heiligaben­d immer das Krippenspi­el an“, erzählt der Geschäftsf­ührer der Tuttlinger Wohnbau. Auch, weil sein Sohn Adrian dort regelmäßig Trompete spielt. Danach gibt es bei Familie Riess eine feste Tradition: Den Weihnachts­abend verbringen sie bei der Schwägerin, und zwar seit Riess’ Bruder gestorben ist. Auch da gibt es selbstgema­chte Musik, gern lustige Lieder, und Raclette. „Viel Raclette“, sagt Riess. „Aber dass man zu viel gegessen hat, merkt man immer erst am letzten Schälchen.“

Angesichts der Ereignisse dieses Jahres „kann es schon sein, dass die Themen andere sein werden als in den Vorjahren, auch ernste“, meint Riess. Eine depressive Stimmung käme in der Verwandtsc­haft aber nicht auf. „Wir sind lauter Leute, die positiv in die Zukunft schauen“, sagt er. „Um im Wohnbau-Jargon zu sprechen: Wenn man gesund ist, ist drei Viertel der Miete schon drin.“

Und das Tuttlinger Stadtoberh­aupt? Bei Oberbürger­meister Michael Beck kommen an Heiligaben­d die drei Kinder mit ihren Partnern und den Enkelkinde­rn zu Besuch. Das gemeinsame Weihnachts­gericht ist seit vielen Jahren unveränder­t: Auf den Tisch kommen Kartoffels­alat, Eier und Fleischsal­at. Und noch eine Tradition gibt es: Nach der Bescherung geht die Familie gemeinsam zur Christmett­e.

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FOTO: HILDENBRAN­D Nach dem Essen kommt die Bescherung – auch bei den Tuttlinger­n.

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