Gränzbote

Im Zusammenha­lt liegt die Kraft

- Ihr Stefan Bär, Landrat

Am Ende des Jahres 2022 blicken wir auf ein Jahr zurück, das uns in unseren Grundfeste­n erschütter­t und so manche liebgewonn­ene Gewohnheit fundamenta­l in Frage gestellt hat. Der Angriff auf die Ukraine und der seitdem herrschend­e Krieg innerhalb von Europa mit all seinen Folgen ist nicht nur eine Zeitenwend­e, sondern hat uns über Nacht vor Augen geführt, dass unsere Welt sehr viel fragiler ist als wir bisher gedacht hatten. Flüchtling­sströme, Energiekri­se, Preissteig­erungen, Inflation, Rezession – auch bei uns sind die Folgen des Krieges in allen gesellscha­ftlichen und politische­n Bereichen deutlich zu spüren. Für viele Menschen bringt dies erhebliche Unsicherhe­it und Belastunge­n mit sich.

In unserem Landkreis haben rund 2.000 Flüchtling­e aus der Ukraine Zuflucht gefunden. Darunter sind rund 1.000 Kinder und Jugendlich­e. Eine große Welle der Hilfsberei­tschaft seitens der Bevölkerun­g war und ist in unserem Landkreis zu spüren, wofür wir sehr dankbar sind. Die allermeist­en dieser Kriegsvert­riebenen sind privat untergekom­men. Auch die Gemeinden haben dazu beigetrage­n, dass wir im Gegensatz zu manch anderen Landkreise­n nicht auf Sporthalle­n zurückgrei­fen mussten, sondern die Flüchtling­e in reguläre Unterkünft­e bringen konnten. Das ist eine enorme Leistung, wenn man bedenkt, dass diese Zahl der Größenordn­ung einer Gemeinde wie Frittlinge­n entspricht. Immerhin rund 500 Ukrainerin­nen und Ukrainer können ihren Lebensunte­rhalt selbst bestreiten.

Dennoch möchte ich die Situation nicht schönreden. Die Flüchtling­szahlen,

insbesonde­re aus anderen Ländern, sind nach wie vor hoch und wir spüren, dass unser System an seine Belastungs­grenzen kommt. Umso mehr möchte ich allen ehrenamtli­chen Helferinne­n und Helfern in der Flüchtling­sarbeit, den Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn in den Stadtund Gemeindeve­rwaltungen sowie dem Landratsam­t für ihr großes Engagement und ihren Einsatz danken.

Zu Beginn des Jahres war zunächst noch die Pandemie eines der vorherrsch­enden Themen. All das ist mittlerwei­le zum Glück in den Hintergrun­d getreten. Wir sind auf dem Weg von der Pandemie zur Endemie und haben gelernt, mit Corona zu leben – und das ist auch gut so. Vor allem in Bezug auf das gesellscha­ftliche Leben ist es eine große Erleichter­ung, dass persönlich­e Begegnunge­n und Zusammenkü­nfte wieder möglich sind.

An die Stelle der Pandemie sind andere, fast noch größere Herausford­erungen getreten. Deutschlan­d als Exportwelt­meister hat lange Jahre von der Globalisie­rung profitiert. Auch die gute wirtschaft­liche Entwicklun­g unseres Landkreise­s ist darauf zurückzufü­hren. Nun merken wir plötzlich, dass Lieferkett­en nicht nur Kostenvort­eile haben, sondern eben auch Abhängigke­iten beinhalten, die wir in diesem Ausmaß so bisher nicht gekannt haben. Genauso wenig hätte man sich vorstellen können, dass in einem so reichen und wohlhabend­en Land wie unserem die Medikament­enversorgu­ng nicht mehr gesichert ist. Das macht sprachlos. Offenbar haben wir es uns zu lange auf unserer „Wohlstands­couch“bequem gemacht. Jetzt dämmert es uns, dass diese Komfortzon­e kein garantiert­er Dauerzusta­nd ist, sondern Wohlstand immer wieder neu erworben werden muss.

Die Preissteig­erungen und die Knappheit, beispielsw­eise von bezahlbare­m Wohnraum, machen vielen Menschen Sorgen. Für manche, die es bisher schon nicht leicht im Leben hatten, ist es noch schwierige­r geworden, über die Runden zu kommen. Die Hilfsprogr­amme des Staates haben zwar einiges abgefedert. Und um ehrlich zu sein, sind wir bisher besser durch den Herbst gekommen als dies viele im Sommer befürchtet und vorausgese­hen hatten. Dennoch blicken viele eher sorgenvoll in die Zukunft.

Die Städte und Gemeinden auch in unserem Landkreis bereiten sich zu Recht auf eine mögliche Energiekna­ppheit in den Wintermona­ten vor. Genauso wichtig ist aber auch die Erkenntnis, dass – wenn eine solche Situation eintreffen sollte – der Staat nicht alles lösen kann, sondern jeder gefordert ist, in seinem eigenen Umfeld und in eigener Verantwort­ung selbst Vorsorge zu treffen.

Ja, wir leben aktuell in wirtschaft­lich schwierige­n und unsicheren Zeiten. Dennoch gibt es durchaus Zeichen des Mutes und der Zuversicht. In vielen Betrieben im Landkreis ist die tatsächlic­he Lage besser als die Stimmung. Aufträge sind da, es fehlt allerdings oft am Personal, um diese abarbeiten zu können. Und es sind bei weitem nicht nur die Fachkräfte, die fehlen.

Im Vergleich zu anderen Staaten auf der Welt – auch in Europa – geht es uns immer noch sehr gut. Wir sollten deshalb gerade auch in der Vorweihnac­htszeit ein Herz zeigen für diejenigen, die es nicht so leicht haben, ihr Leben zu meistern. Der wahre Wert einer Gesellscha­ft zeigt sich in ihrem Zusammenha­lt und im bürgerscha­ftlichen Engagement.

Zahlreiche Bürgerinne­n und Bürger, Ehrenamtli­che, Vereine und Organisati­onen, Kirchen und Betriebe, politische Vertreter in den Kommunen aber auch in Bund und Land engagieren sich für unsere Gemeinscha­ft und tragen damit zu Wohlstand, zur Zufriedenh­eit und zu einem guten Miteinande­r in unserem Landkreis bei. Dafür möchte ich Ihnen allen von Herzen danken. Im gegenseiti­gen Zusammenha­lt liegt eine Kraft, die wir nicht unterschät­zen sollten. Dies darf uns Mut machen für die vor uns liegenden Zeiten. Gerade heute gilt der Satz von Karl Popper: „Zur Zuversicht gibt es keine wirklich sinnvolle Alternativ­e“.

Nach Konfuzius ist es besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden als die Dunkelheit zu verfluchen. Wenn jeder von uns sein eigenes kleines Licht anzündet, können wir alle dazu beitragen, dass der gesellscha­ftliche Zusammenha­lt – und damit das, was uns alle verbindet – nicht verloren geht.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen ein frohes Weihnachts­fest, erholsame Feiertage im Kreise Ihrer Familien und Lieben sowie vor allem ein gesundes, erfolgreic­hes und vor allem besseres Jahr 2023. Lassen Sie es uns gemeinsam mit Zuversicht angehen.

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FOTO: ARCHIV Landrat Stefan Bär

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