Im Zusammenhalt liegt die Kraft
Am Ende des Jahres 2022 blicken wir auf ein Jahr zurück, das uns in unseren Grundfesten erschüttert und so manche liebgewonnene Gewohnheit fundamental in Frage gestellt hat. Der Angriff auf die Ukraine und der seitdem herrschende Krieg innerhalb von Europa mit all seinen Folgen ist nicht nur eine Zeitenwende, sondern hat uns über Nacht vor Augen geführt, dass unsere Welt sehr viel fragiler ist als wir bisher gedacht hatten. Flüchtlingsströme, Energiekrise, Preissteigerungen, Inflation, Rezession – auch bei uns sind die Folgen des Krieges in allen gesellschaftlichen und politischen Bereichen deutlich zu spüren. Für viele Menschen bringt dies erhebliche Unsicherheit und Belastungen mit sich.
In unserem Landkreis haben rund 2.000 Flüchtlinge aus der Ukraine Zuflucht gefunden. Darunter sind rund 1.000 Kinder und Jugendliche. Eine große Welle der Hilfsbereitschaft seitens der Bevölkerung war und ist in unserem Landkreis zu spüren, wofür wir sehr dankbar sind. Die allermeisten dieser Kriegsvertriebenen sind privat untergekommen. Auch die Gemeinden haben dazu beigetragen, dass wir im Gegensatz zu manch anderen Landkreisen nicht auf Sporthallen zurückgreifen mussten, sondern die Flüchtlinge in reguläre Unterkünfte bringen konnten. Das ist eine enorme Leistung, wenn man bedenkt, dass diese Zahl der Größenordnung einer Gemeinde wie Frittlingen entspricht. Immerhin rund 500 Ukrainerinnen und Ukrainer können ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten.
Dennoch möchte ich die Situation nicht schönreden. Die Flüchtlingszahlen,
insbesondere aus anderen Ländern, sind nach wie vor hoch und wir spüren, dass unser System an seine Belastungsgrenzen kommt. Umso mehr möchte ich allen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern in der Flüchtlingsarbeit, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Stadtund Gemeindeverwaltungen sowie dem Landratsamt für ihr großes Engagement und ihren Einsatz danken.
Zu Beginn des Jahres war zunächst noch die Pandemie eines der vorherrschenden Themen. All das ist mittlerweile zum Glück in den Hintergrund getreten. Wir sind auf dem Weg von der Pandemie zur Endemie und haben gelernt, mit Corona zu leben – und das ist auch gut so. Vor allem in Bezug auf das gesellschaftliche Leben ist es eine große Erleichterung, dass persönliche Begegnungen und Zusammenkünfte wieder möglich sind.
An die Stelle der Pandemie sind andere, fast noch größere Herausforderungen getreten. Deutschland als Exportweltmeister hat lange Jahre von der Globalisierung profitiert. Auch die gute wirtschaftliche Entwicklung unseres Landkreises ist darauf zurückzuführen. Nun merken wir plötzlich, dass Lieferketten nicht nur Kostenvorteile haben, sondern eben auch Abhängigkeiten beinhalten, die wir in diesem Ausmaß so bisher nicht gekannt haben. Genauso wenig hätte man sich vorstellen können, dass in einem so reichen und wohlhabenden Land wie unserem die Medikamentenversorgung nicht mehr gesichert ist. Das macht sprachlos. Offenbar haben wir es uns zu lange auf unserer „Wohlstandscouch“bequem gemacht. Jetzt dämmert es uns, dass diese Komfortzone kein garantierter Dauerzustand ist, sondern Wohlstand immer wieder neu erworben werden muss.
Die Preissteigerungen und die Knappheit, beispielsweise von bezahlbarem Wohnraum, machen vielen Menschen Sorgen. Für manche, die es bisher schon nicht leicht im Leben hatten, ist es noch schwieriger geworden, über die Runden zu kommen. Die Hilfsprogramme des Staates haben zwar einiges abgefedert. Und um ehrlich zu sein, sind wir bisher besser durch den Herbst gekommen als dies viele im Sommer befürchtet und vorausgesehen hatten. Dennoch blicken viele eher sorgenvoll in die Zukunft.
Die Städte und Gemeinden auch in unserem Landkreis bereiten sich zu Recht auf eine mögliche Energieknappheit in den Wintermonaten vor. Genauso wichtig ist aber auch die Erkenntnis, dass – wenn eine solche Situation eintreffen sollte – der Staat nicht alles lösen kann, sondern jeder gefordert ist, in seinem eigenen Umfeld und in eigener Verantwortung selbst Vorsorge zu treffen.
Ja, wir leben aktuell in wirtschaftlich schwierigen und unsicheren Zeiten. Dennoch gibt es durchaus Zeichen des Mutes und der Zuversicht. In vielen Betrieben im Landkreis ist die tatsächliche Lage besser als die Stimmung. Aufträge sind da, es fehlt allerdings oft am Personal, um diese abarbeiten zu können. Und es sind bei weitem nicht nur die Fachkräfte, die fehlen.
Im Vergleich zu anderen Staaten auf der Welt – auch in Europa – geht es uns immer noch sehr gut. Wir sollten deshalb gerade auch in der Vorweihnachtszeit ein Herz zeigen für diejenigen, die es nicht so leicht haben, ihr Leben zu meistern. Der wahre Wert einer Gesellschaft zeigt sich in ihrem Zusammenhalt und im bürgerschaftlichen Engagement.
Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger, Ehrenamtliche, Vereine und Organisationen, Kirchen und Betriebe, politische Vertreter in den Kommunen aber auch in Bund und Land engagieren sich für unsere Gemeinschaft und tragen damit zu Wohlstand, zur Zufriedenheit und zu einem guten Miteinander in unserem Landkreis bei. Dafür möchte ich Ihnen allen von Herzen danken. Im gegenseitigen Zusammenhalt liegt eine Kraft, die wir nicht unterschätzen sollten. Dies darf uns Mut machen für die vor uns liegenden Zeiten. Gerade heute gilt der Satz von Karl Popper: „Zur Zuversicht gibt es keine wirklich sinnvolle Alternative“.
Nach Konfuzius ist es besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden als die Dunkelheit zu verfluchen. Wenn jeder von uns sein eigenes kleines Licht anzündet, können wir alle dazu beitragen, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt – und damit das, was uns alle verbindet – nicht verloren geht.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen ein frohes Weihnachtsfest, erholsame Feiertage im Kreise Ihrer Familien und Lieben sowie vor allem ein gesundes, erfolgreiches und vor allem besseres Jahr 2023. Lassen Sie es uns gemeinsam mit Zuversicht angehen.