Evangelische Jugendarbeit immer mobiler
Mit „Mobil4You“geht das Evangelische Jugendwerk im Bezirk Tuttlingen neue Wege
- Das Fahrzeug ist noch nicht da. Aber die mobile Jugendarbeit „Mobil4You“, das „Hoffnungsprojekt“des evangelischen Jugendwerks (EJW) Bezirk Tuttlingen, hat in manchen Gemeinden bereits jetzt für eine Aktivierung des Gemeindelebens gesorgt. Damit will das EJW auch dem Strukturwandel der Kirche begegnen.
Statt auf die Jugendlichen zu warten, will das EJW Bezirk Tuttlingen mit Sitz in Spaichingen zu den jungen Menschen in die Dörfer gehen oder besser gesagt fahren. Damit, so Christoph Glaser, Vorsitzender des EJW Tuttlingen, soll auch signalisiert werden: „Wir haben euch nicht vergessen, wir haben euch im Blick.“
Seit September 2021 ist Mathias Katz Projektreferent für das auf insgesamt fünf Jahre angelegte Projekt einer mobilen Jugendarbeit. Sichtbares Herzstück wird in Zukunft ein Bus oder ein anderes Fahrzeug sein.
So soll die Jugendarbeit zwischen den Kirchengemeinden noch stärker vernetzt werden. Auch dort, wo sich keine hauptamtlichen Mitarbeiter um die Jugendarbeit kümmern können, sollen Angebote und Treffpunkte ermöglicht werden. Doch will Mathias Katz noch mehr erreichen: „Es soll kein rollendes Gemeindehaus werden, in das die kirchliche Blase dann nur umzieht“, schreibt er in seinem Jahresbericht, „sondern ein neuer Ort für neue Menschen, neue Formen, neue Angebote, frischer Wind“.
Damit man sich nicht verzettelt, konzentriert sich das Projekt auf die Kirchengemeinden Hausen ob Verena, Rietheim-Weilheim, Talheim, die Eckstein-Gemeinde Neuhausen ob Eck und Emmingen-Liptingen, die Gemeinden Mühlheim, Immendingen, Geisingen und Tuningen.
Bei ersten Ortsbegehungen zusammen mit den dort engagierten jungen Leuten und weiteren Experten hat Katz die örtlichen Besonderheiten und Bedürfnisse erkundet: Welche Angebote gibt es bereits (etwa von Vereinen, oder der katholischen und kommunalen Jugendarbeit), wie ist die soziale Struktur, welche Bedürfnisse, aber auch welche Gaben und Talente, welche Wünsche, Visionen und Ideen sind vorhanden, welche Netzwerke und Synergien sind möglich?
Ebenso individuell wie die jeweiligen Ausgangslagen in den Gemeinden sind auch die Vorstellungen von dem erwünschten „gemeinsamen Ort“, der durch Mobil4You geschaffen werden soll. Während in Hausen ob Verena die Mitarbeitenden diesen Ort als einen beschreiben, wo vor allem Natur, Lagerfeuer und auch Tiere eine große Rolle spielen – Stichwort „Erlebnispädagogik“–, wollen die jungen Leute in Rietheim „einen Ort, an dem jede:r willkommen ist. Ein Ort, an dem man Zeit füreinander hat,
wo Vertrauen wächst und Gespräche entstehen können“und wo „der Glaube an Jesus auf eine total verständliche und einfache Weise erlebbar wird“. In der Ecksteingemeinde wiederum sollen Themen wie Backen, Kochen und Gebet Schwerpunkte sein. Hier bringt sich zum Beispiel auch ein Bäcker aktiv in die Jugendarbeit ein.
Mit diesem Pilotprojekt in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg will das EJW auch auf den Wandel einer Kirche begegnen, die immer mehr Mitglieder verliert. „Die Strukturen der evangelischen Landeskirche werden in den nächsten Jahren massiv durchgeschüttelt“, ist sich Christoph Glaser sicher, „gerade auch im ländlichen Raum.“So wie es früher war, werde es jedenfalls nie wieder sein. Parallel zur inhaltlichen Arbeit in den Orten eruiert ein Arbeitskreis „Mobil“, wie das künftige sichtbare Kernstück vom Mobil4You, nämlich das Fahrzeug, aussehen soll: Bollerwagen? Schäferwagen? Kleinbus? Linienbus? – Auch die Beschaffung der Mittel durch Spenden, Förderprogramme und Sponsoren ist ein Thema, mit dem sich der Arbeitskreis befassen muss. Denn die evangelische Landeskirche finanziert während der Projektlaufzeit zwar die 100-Prozent-Stelle von Mathias Katz; das Fahrzeug muss das EJW aber alleine
bezahlen.Mathias Katz ist mit seiner Frau aus dem Bezirk Sulz in den Kirchenbezirk Tuttlingen gezogen, um die Projektkoordination für Mobil4You zu übernehmen. Zunächst hatte er nach dem Realschulabschluss eine Lehre als Zerspanungsmechaniker gemacht. Doch während eines Auslandsjahres hat er dann gemerkt: „Ich möchte viel mehr mit Menschen machen, am liebsten 40 Stunden in der Woche und mehr.“Und so hat er eine Ausbildung im Fach Religionsund Gemeindepädagogik absolviert und ist jetzt in der evangelischen Jugendarbeit tätig. Mit dem christlichen Glauben will er unter den Jugendlichen „eine Lebenseinstellung der Hoffnung verbreiten, die mich stark macht fürs Leben“, sagt er.
Bei seiner Arbeit ist Katz kein Einzelkämpfer, sondern wird von Christoph
Glaser und Bezirksjugendreferentin Ingrid Klingler sowie diversen Arbeits- und Steuerungsgruppen unterstützt.
Im September 2024 soll dann das Fahrzeug an den Start gehen. „Wir haben dann noch anderthalb Jahre, um das Projekt zu erleben“, so BJWVorsitzender Glaser. Wie es danach weitergeht – davon dürfe man „träumen“, so Glaser. Vielleicht wird eines Tages die gesamte Jugendarbeit im Kirchenbezirk mobil. „Das Projekt ist jedenfalls nicht darauf angelegt, dass wir nach fünf Jahren den Schlüssel rumdrehen“, so Glaser, „und das Fahrzeug wieder verkaufen.“
Das neue Projekt soll zeigen: Es geht nach vorne – und, so Ingrid Klingler: „Es gibt Leute, die machen mehr Lichter an als aus.“