Gränzbote

Botschafte­r des Friedens

Ukrainisch­er Skeletoni Heraskewyt­sch verbringt Weihnachte­n bei Rodler Loch

- Von Thomas Häberlein und Felix Neubauer

(SID) - Wladyslaw Heraskewyt­sch benötigte nicht viel, um die Welt zu alarmieren. Am 11. Februar, nach seinem dritten Lauf im olympische­n Skeleton-Rennen in Peking, hielt er ein weißes Schild in die Höhe: „No war in Ukraine“stand darauf. Die „New York Times“beschrieb den vom IOC als Aufruf zum Frieden geduldeten Protest als einen „zentralen Moment“der Spiele, geholfen hat er nichts: 13 Tage später griff Russland die Ukraine an. „Ich konnte es nicht glauben.“

„Wlady“Heraskewyt­sch geht seitdem jeden Tag müde zu Bett. Müde, weil er stundenlan­g am Handy hängt oder vor dem Laptop sitzt, um Hilfe für die Ukraine zu organisier­en. Er hat eine eigene Stiftung gegründet, ganz wichtig ist ihm, Kindern zu helfen, mit Sport, und dieser Tage mit Weihnachts­geschenken. „Ich gehe mit dem Gedanken ins Bett“, sagt er, „dass ich mein Bestes geben will – und wenn ich heute nur einem Kind geholfen habe, dann habe ich seine Welt besser gemacht.“

Heraskewyt­sch weiß, dass er noch Glück hat. Er wird bald 24 Jahre alt, aber zum Militär haben sie ihn nicht eingezogen. Er solle der Ukraine lieber auf seine Art helfen, habe ihm die Armee gesagt. Also tut er, was in seiner Macht steht – dieser Tage aus einer Ferienwohn­ung in Schönau am Königssee heraus. Freunde haben sie zur Verfügung gestellt. Dort wohnt er mit seinem Vater Mychajlo. Die Mutter, die Freundin – sie sind weiter in Kiew. „Ich bin in Sorge“, sagt Wlady.

Gemeinsam mit Rodel-Olympiasie­ger Felix Loch und dem Verein „Athletes for Ukraine“hat Heraskewyt­sch an diesem Mittwoch am Olympiastü­tzpunkt Berchtesga­den einen Sportnachm­ittag für Kinder gestaltet. Seine Stiftung organisier­t diese Angebote auch in der Ukraine. Mit Sport könne er Kindern ein Stück der „verlorenen Kindheit“zurückbrin­gen, sagt er. Und dann, wie eben am Mittwoch mit ukrainisch­en

Flüchtling­en, „siehst du das Glück in ihren Augen, und das ist wunderbar“.

Umso schwerer fällt es Heraskewyt­sch zu verstehen, dass das IOC darüber diskutiert, russische und belarussis­che Sportler bereits zu den Spielen 2024 in Paris wieder zuzulassen. Er hält russischen Athleten zugute, dass sie „gehirngewa­schen“sind, dass sie „nicht wissen, was sie tun“. Dennoch: „Wir sollten ihnen nicht die Gelegenhei­t geben, den Krieg zu promoten“, wie sie dies täten. „Athleten sind Botschafte­r der olympische­n Werte“, betont er, also: für Frieden.

Heraskewyt­schs Unverständ­nis wird umso größer, wenn er mit emotionsge­ladener Stimme über diesen Krieg und dessen Folgen spricht. „Ja“, sagt er, „russische Athleten können nicht an Wettkämpfe­n teilnehmen“,

das stünde aber doch in keinerlei Verhältnis. „Ukrainisch­e Athleten können nicht mal in ihren Häusern leben“, und, noch schlimmer: „Ukrainisch­e Athleten können nicht an Wettbewerb­en teilnehmen, weil sie ihr Leben verloren haben.“Mehr als 200 seien bereits tot.

Seine eigene sportliche Karriere verfolgt Heraskewyt­sch gerade so nebenbei. Bei Olympia belegte er Rang 18, gerade ist er vom Weltcup in Lake Placid zurückgeke­hrt, da wurde er Zwölfter – nebenbei hat er auch dort Spenden und Hilfsgüter organisier­t, angetriebe­n von den Nachrichte­n und Videos aus der Ukraine. „Es ist schlimm“, sagt er, die Menschen hätten „keine Heimat, keinen Strom, keine Arbeit, Menschen sterben, Geschäfte sterben – es ist ein Desaster.“Doch: Heraskewyt­sch gibt nicht auf –

weil die, denen er hilft, es auch nicht tun. „Die Menschen haben noch immer Hoffnung“, berichtet er, „sie glauben, dass alles gut werden wird.“Er selbst findet dafür „kaum Worte ... wie können die Menschen nur so optimistis­ch sein?“. Ja, wie? „Das sind die Ukrainer“, und gerade auch die Unterstütz­ung aus aller Welt „motiviert die Ukrainer, stark zu bleiben – also habe auch ich die Hoffnung, dass alles gut werden wird“.

Weihnachte­n wird Heraskewyt­sch bei Felix Loch, dessen engagierte­r Frau Lisa und deren drei Kindern verbringen. „Felix ist ein Vorbild“, sagt er, deswegen sei das „eine große Ehre für mich. Ich freue mich sehr.“Dann aber wird er gleich wieder alles daransetze­n, dass auch andere wieder ein Lächeln im Gesicht haben.

 ?? FOTO: EIBNER-PRESSEFOTO/IMAGO ?? Lisa Ressler, Ehefrau des Preisträge­rs Felix Loch, steht neben Wladyslaw Heraskewyt­sch, Skeleton-Fahrer aus der Ukraine und Sportler des Jahres, bei der diesjährig­en Ehrung.
FOTO: EIBNER-PRESSEFOTO/IMAGO Lisa Ressler, Ehefrau des Preisträge­rs Felix Loch, steht neben Wladyslaw Heraskewyt­sch, Skeleton-Fahrer aus der Ukraine und Sportler des Jahres, bei der diesjährig­en Ehrung.

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