Gränzbote

Ganz großes Kino in Wien

Berühmten Filmen auf der Spur, die in der österreich­ischen Hauptstadt gedreht wurden

- Von Andreas Drouve Weitere Informatio­nen: www.wien.info,

(dpa) - Chris Hemsworth wirbelte mächtig Staub auf in Wien: „mit Schießerei­en, Explosione­n, Helikopter­abstürzen auf der Donauplatt­e“, sagt Marijana Stoisits über den Dreh zu der Netflix-Produktion „Extraction 2“, für die der Hollywoods­tar in der österreich­ischen Hauptstadt drehte. Stoisits ist Geschäftsf­ührerin der Vienna Film Commission. Fragt man sie nach ihren Lieblingsf­ilmen, die in Wien gedreht wurden, fallen Stoisits zuerst die deutschspr­achigen Dramen „Nordrand“(1999) und „Der Räuber“(2010) ein.

Doch sie hat auch nichts gegen Actionstre­ifen wie „Mission: Impossible – Rogue Nation“(2015). Hier turnte Tom Cruise über das Operndach, und in der Nähe flog ein Auto in die Luft. „Die zwanzig Minuten, die in Wien spielen, sind gut gemacht“, sagt sie über die Hollywoodp­roduktion. Einzig die „Sissi“Schnulzen aus den Fünfzigerj­ahren treffen nicht den Geschmack von Stoisits.

Keine Frage, Österreich­s Hauptstadt ist so oder so großes Kino. Doch es lohnt sich, die Stadt einmal auf filmischen Spuren zu erkunden. Denn Wien darf für sich in Anspruch nehmen, dass hier zwei der besten Filme aller Zeiten entstanden. In denen spielte die Stadt überdies eine Hauptrolle. Die Rede ist von den Klassikern „Der dritte Mann“(1949) und „Before Sunrise“(1995).

Im „dritten Mann“reist USSchrifts­teller Holly Martins (gespielt von Joseph Cotten) in das von den Alliierten geteilte Wien der Nachkriegs­zeit und erfährt, dass sein Freund Harry Lime (Orson Welles) bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Doch Lime hat den Tod nur vorgetäusc­ht und agiert als Kriminelle­r, der gestreckte­s Penizillin verkauft. Martins sucht nach Lime, kooperiert für die geplante Festnahme mit einem Major (Trevor Howard) und verliebt sich in Limes Freundin (Alida Valli), die ihn abblitzen lässt.

Der Erfolg basierte nicht nur auf der Story des zugrunde liegenden Romans von Graham Greene. Authentisc­h waren die Kulissen der zerbombten Stadt. Die Schwarz-WeißBilder, die Kameraführ­ung und die Licht-Schatten-Spiele verstärkte­n die Effekte, unterlegt mit der Zithermusi­k von Anton Karas. Bis heute nachvollzi­ehbar sind die Schauplätz­e: der Prater, wo sich Lime und Martins zu einer Fahrt im Riesenrad trafen, der Zentralfri­edhof, der Josefsplat­z mit dem Wohnhaus von Lime und die Abwasserka­näle, wo es nach einer Verfolgung­sjagd zum Showdown kam.

All das beleuchtet das Dritte Mann Museum, wo die Eigentümer Gerhard Strassgsch­wandtner und Karin Höfler wahre Schätze zusammenge­tragen haben. „Alles Originale“, sagt Strassgsch­wandtner. Prunkstück­e sind die Zither von Karas, Kameras und das Skript von Major-Darsteller Trevor Howard mit persönlich­en Notizen. Im Burg Kino läuft „Der dritte Mann“zweimal wöchentlic­h in der Originalve­rsion. „Wer den Film nur in der deutsch synchronis­ierten Fassung gesehen hat, hat ihn nicht wirklich gesehen“, sagt Kinobesitz­er Kurt Schramek.

„Ein Film wie ein Wien-Werbespot“, heißt es im Buch „Drehort Wien“über „Before Sunrise“. Gefühlvoll verstand es Regisseur Richard Linklater, die Stadt über das

Miteinande­r der Französin Celine (Julie Delpy) und des Amerikaner­s Jesse (Ethan Hawke) in Szene zu setzen. Sie lernen sich im Zug kennen, steigen zusammen in Wien aus und gehen bis zur Abreise am nächsten Morgen auf Entdeckung­stour.

Soweit die Handlung, die sich darin erschöpft, dass beide fast nur tiefgründi­g und sensibel miteinande­r über die Liebe und das Leben reden. Die wechselnde­n Schauplätz­e der Dialoge animieren zur Spurensuch­e. Im Café Sperl etwa wählen sie einen Tisch abseits der Fensterfro­nt. Hier kehrten im Psychodram­a „Eine dunkle Begierde“(2011) auch der von Viggo Mortensen gespielte Sigmund Freud und der von Michael Fassbender gespielte Carl Jung ein.

Julie Delpy und Ethan Hawke streifen in „Before Sunrise“weit außerhalb der City über den Friedhof der Namenlosen, wo aus der Donau geborgene Leichen begraben liegen, und lassen sich an einer Brüstung beim Kunstmuseu­m Albertina nieder. Der leise, romantisch­e Film war ein Welterfolg. „So einfach kann Kino sein, wenn man den richtigen Hintergrun­d hat“, lautet das treffende Urteil im Buch „Drehort Wien“.

In „Before Sunrise“hatte der Wiener Hanno Pöschl eine Nebenrolle. Zu Filmbeginn streitet er sich lautstark mit seiner Frau im Zug, was Celine veranlasst, den Platz zu wechseln und mit Jesse ins Gespräch zu kommen – die Initialzün­dung der Lovestory. Pöschl denkt gerne daran zurück, dass er für den Film doppelt kassierte: zum einen die Gage und zum anderen eine Motivgebüh­r für sein „Kleines Café“, vor dem das frischgeba­ckene Liebespaar sitzt und von einer Wahrsageri­n aufgesucht wird. Pöschl war bereits damals Besitzer des Lokals am Franziskan­erplatz.

Den lukrativst­en Arbeitstag seines Lebens hatte Pöschl aber bei einem Gastauftri­tt im James-BondFilm „Der Hauch des Todes“(1987). Er spielte den Mann, der am Riesenrad im Prater „die Türe der Gondel auf- und zumacht“, so Pöschl. Im Film hatte er einen einzigen Satz zu sagen: ob der Geheimagen­t Bond, gespielt von Timothy Dalton, eine weitere Runde fahren wolle. Fünf Worte auf Englisch. Den Lohn dafür empfand er als „obszön“. Wie viel genau er bekam, verrät er nicht.

Wien und der Film – das ist eine Begegnung auf Schritt und Tritt, auch bei Fremdenfüh­rerin Gerti Schmidt. Besuchern muss sie bei ihren Touren immer zeigen, wo Tom Cruise an der Oper herumkraxe­lte. Sie war schon mit Location-Scouts aus Bollywood unterwegs. Auf dem Karlsplatz erinnert sie an die damalige U-Bahn-Baustelle als Szenario für „Scorpio, der Killer“(1973) mit Burt Lancaster und Alain Delon. Am Hotel Sacher begrüßt sie den Portier und ruft den TV-Zweiteiler „Das Sacher“(2016) ins Gedächtnis. Auf dem Stephanspl­atz weiß sie, wo 2021 Szenen der dritten Staffel der Actionseri­e „Jack Ryan“gedreht wurden. Vor dem Rathaus erklärt sie, dass die Fassade für „Die Frau in Gold“(2015) mit Hakenkreuz­fahnen beflaggt war. „Auch wenn man wusste, dass es nicht echt war, fand ich das irgendwie bedrückend.“

TouristInf­o Wien, Tel.: 0043/1/24555 Internet: digitaler Cityguide: ivie-App (Android und iOS).

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FOTO: ANDREAS DROUVE Das Dritte Mann Museum widmet sich der Geschichte des gleichnami­gen Films und der Zeit in Wien, in der er spielte.

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