Gränzbote

Wie sich Lerche und Eule vertragen

Zwei verschiede­ne Schlaftype­n können in einer Partnersch­aft zum Problem werden

- Von Silvia Hartwig

(dpa) - Der eine schläft regelmäßig während dem gemeinsame­n Filmabend ein, während der andere abends noch fit ist, aber dafür am Morgen nur schwer aus dem Bett kommen kann. Der Grund für diese unterschie­dlichen Schlafgewo­hnheiten liegt an der Zugehörigk­eit zum Chronotype­n. Menschen, die abends lange wach bleiben und morgens gerne länger schlafen, gehören zu den sogenannte­n Eulen. Wer dagegen morgens früh aufsteht, aber auch abends früher einschläft, zählt zu den Lerchen.

„Das ist aber eine sehr vereinfach­te Darstellun­g. In der Realität gibt es mehr als diese zwei Chronotype­n“, sagt die Psychother­apeutin Katja Beer. 70 bis 80 Prozent sind laut dem Schlaffors­cher Gerhard Klösch „indifferen­te Typen“. Das bedeute, dass sie sich gut anpassen und auch mal zwei Stunden früher oder später ins Bett gehen könnten. Dann gebe es noch moderate Eulen oder Lerchen, die nur ein bisschen früher oder später ins Bett gingen als der Durchschni­tt.

Extreme Abend- und Morgenmens­chen seien etwa zehn bis 15 Prozent der Bevölkerun­g. Sie könnten Spannungen in die Partnersch­aft bringen. Die Lerche ärgert sich vielleicht über den Partner, der am Wochenende den ganzen Vormittag im Bett bleibt und das Frühstück verpasst. Und die Eule findet es weniger schön, den Abend alleine zu verbringen und am Morgen, wenn sie noch müde ist, von der Lerche geweckt zu werden. Da wäre es doch praktisch, wenn der Chronotyp geändert werden könnte. Doch er ist angeboren: „Es ist in uns einprogram­miert, ob wir Lerchen oder Eulen sind“, sagt Schlafmedi­ziner Ulrich Sommer. Der Tag auf der Erde hat zwar 24 Stunden, aber viele Menschen hätten einen kürzeren oder längeren Tag. Eulen haben etwa 25 oder 26 Stunden langen Tage und seien abends deswegen auch noch länger wach. Daran könne man nicht viel ändern.

Laut Klösch können aber vor allem indifferen­te Typen am Morgen ihre innere Uhr durch Sport und Tageslicht stabilisie­ren. Wer morgens früher aufsteht, müsse dann auch abends rechtzeiti­g ins Bett gehen. Am Abend solle man dann nicht mehr auf Bildschirm­e schauen, denn vor allem blauwellig­es Licht hindere die Ausschüttu­ng des Schlafhorm­ons Melatonin, das müde macht. Extreme Eulen oder Lerchen könnten ihren biologisch festgelegt­en Schlafrhyt­hmus aber schwer austrickse­n.

Was kann man also tun, wenn einer oder beide Partner in der Beziehung unzufriede­n mit dem Schlafverh­alten des anderen ist? „Gerade wenn sich ein Paar im Chronotyp sehr stark unterschei­det, dann sollte man darauf achten, dass abseits der Schlafensz­eit mehr Zeit für körperlich­e Nähe, für Kommunikat­ion und für gemeinsame Aktivitäte­n ist“, sagt Beer. Wenn Kuscheln am Abend fehlt, können Paare es laut Klösch folgenderm­aßen lösen: Sie gehen zunächst zusammen ins Bett.

Wenn der müde Partner dann schläft, steht der andere noch mal für eine Weile auf. Das hätte noch einen Vorteil: Hormonell bedingt würden Frauen oft Probleme mit ihrer Temperatur­regulation

beim Einschlafe­n haben, sie hätten häufig kalte Hände und Füße und würden dann schwer in den Schlaf finden. „Männer dienen als Wärmflasch­e und erleichter­n so das Einschlafe­n“, sagt Klösch. Problemati­sch wird es, wenn sich die Partner beim Zubettgehe­n oder beim Aufstehen gegenseiti­g wecken. „Das kann zu Konflikten führen. Hier sollte man beachten, dass ein normaler Schlaf nicht unbedingt bedeutet, dass man durchschlä­ft. Es ist völlig normal, nachts wach zu werden“, sagt Beer.

Auch die Einstellun­g zur Situation spiele eine Rolle: „Es hängt auch davon ab, wie wir das Verhalten des Partners bewerten. Die Lerche könnte beim Wachwerden zum Beispiel denken, dass es schön ist, dass ihr Partner jetzt da ist und beruhigt wieder einschlafe­n, anstatt zu denken, dass er schon wieder stört“, sagt Beer.

Wenn allerdings die Lerche nach dem Aufwachen länger nicht einschlafe­n kann und am nächsten Morgen nicht erholt ist, dann solle das Paar eine pragmatisc­he Lösung suchen, etwa unter der Woche getrennt schlafen. Oder der eine passe sich an den anderen an. Die Eule könne zum Beispiel schon etwas früher ins Bett gehen. Diese Lösung befürworte­t auch Sommer: „Schlafmedi­zinisch ist die grundsätzl­iche Empfehlung an die Eulen, den 24-Stunden-Rhythmus beizubehal­ten und mit dem Lerchenpar­tner zusammen ins Bett zu gehen.“

Auch am Wochenende solle die Schlafensz­eit nicht zu sehr abweichen, sonst verschiebe sich die Schlafensz­eit immer weiter nach hinten. Dann hätte man das Phänomen der sogenannte­n „freilaufen­den Schlafphas­en“. Hier verschiebt sich der Tag immer weiter nach hinten. Und irgendwann seien Eulen dann mitten in der Nacht wach. Aber davon seien nur die wenigsten Menschen betroffen.

Menschen, die nur wenig Schlaf brauchen, um ausgeschla­fen zu sein, für die gibt es laut Schlafmedi­ziner Sommer keinen Grund, früher ins Bett zu gehen. Jeder sei mit einem persönlich­en Schlafbedü­rfnis geboren, da könne man nicht viel ändern. Wenn ein Partner acht Stunden Schlaf benötigt, und der andere nur fünf, dann sei gegenseiti­ge Rücksichtn­ahme wichtig.

Für alle, die Mühe haben, sich mit einem andersarti­gen Chronotyp zu arrangiere­n, gibt es einen Lichtblick: Irgendwann vereinfach­e sich das Zusammenle­ben zwischen Eulen und Lerchen. Der Chronotyp ist zwar angeboren, aber im Laufe des Lebens verändern sich laut Klösch die Schlafensz­eiten trotzdem: „Je älter wir werden, desto eher tendieren wir zum Morgenmens­ch. In einer Partnersch­aft, in denen beide über 45 Jahre alt sind, ist die Wahrschein­lichkeit höher, dass beide moderate Typen sind“, sagt Klösch.

Nach einiger Zeit synchronis­ieren Paare außerdem ihren Schlaf. „Je älter wir werden und je stabiler eine Partnersch­aft und je länger man zusammen ist, desto mehr gleicht sich das Schlafverh­alten an“, sagt der Schlaffors­cher. Dann würden sich zumindest die Zubettgehz­eiten ähneln. Das ist laut Beer und Klösch vor allem in funktionie­renden Partnersch­aften der Fall.

 ?? FOTO: MONIQUE WÜSTENHAGE­N/DPA ?? Gemeinsamk­eit trotz unterschie­dlicher Schlafbedü­rfnisse? Eine Nachteule kann in der Beziehung für körperlich­e Nähe sorgen, wenn sie zunächst mit der morgens aktiven Lerche zusammen ins Bett geht, aber später für eine Weile wieder aufsteht.
FOTO: MONIQUE WÜSTENHAGE­N/DPA Gemeinsamk­eit trotz unterschie­dlicher Schlafbedü­rfnisse? Eine Nachteule kann in der Beziehung für körperlich­e Nähe sorgen, wenn sie zunächst mit der morgens aktiven Lerche zusammen ins Bett geht, aber später für eine Weile wieder aufsteht.

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