Gränzbote

Apotheker halten Medikament­entausch für keine gute Idee

Vom Fiebersaft fürs Kind bis zum Antibiotik­um sind derzeit viele Mittel nur schwer zu bekommen – Man sollte aber besser nicht einfach die Nachbarn danach fragen

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HANNOVER (dpa) - Husten, Schnupfen, Fieber: Derzeit sind viele Menschen krank. Und einige Medikament­e sind wegen der derzeitige­n Lieferengp­ässe nur schwer zu bekommen. Aber: Man könnte sich doch in Nachbarsch­aft oder Freundeskr­eis aushelfen – mit dem, was die Hausapothe­ke noch so an Vorräten hergibt? Aus Sicht von Gabriele Röscheisen-Pfeifer und Jens-Peter Kloppenbur­g, beide Apotheker in Niedersach­sen, ist das keine gute Idee. Aus mehreren Gründen.

Grund 1: Die Dosierung passt womöglich nicht

„Auch bei freiverkäu­flichen Medikament­en braucht es Beratung“, sagt Gabriele Röscheisen-Pfeifer, die auch dem Vorstand der Apothekerk­ammer Niedersach­sen angehört. Damit man ein Medikament bekommt, das zu einem passt – und zwar in der richtigen Dosierung. Das zählt besonders dann, wenn es um

Kinder geht. Bei fiebersenk­enden Wirkstoffe­n wie Paracetamo­l oder Ibuprofen ist für sie umso wichtiger, dass die Dosierung passt.

„Zur Dosiseinst­ellung wissen wir in der Apotheke, welche Tabletten welcher Firmen teilbar sind – und welche Tabletten vielleicht nur eine Schmuckker­be haben“, sagt die Apothekeri­n. Wer die bloße Tablette zugesteckt bekommt, weiß das womöglich nicht – und dosiert das Medikament falsch.

Und im Falle von Antibiotik­a gilt ohnehin: „Nie ohne ärztliche Verordnung“, wie es vom Berufsverb­and der Kinder- und Jugendärzt­e (BVKJ) heißt. Auch dann nicht, wenn man von vorherigen Infekten selbst noch entspreche­nde Medikament­e zu Hause hat.

Grund 2: Medikament­e können beim Lagern Schaden nehmen

Was laut den Apothekern ebenfalls gegen eine private Medikament­enBörse

spricht: „In der Hausapothe­ke ist nicht immer sichergest­ellt, dass die Arzneimitt­el auch richtig gelagert wurden“, sagt Gabriele Röscheisen-Pfeifer. Schützt man sie nicht

vor Licht oder zu hohen Temperatur­en, wie auf der Verpackung angegeben, kann sich der Wirkstoff zersetzen. Das Medikament wirkt nicht mehr so gut.

Besonders problemati­sch nach Ansicht der Apotheker ist es, wenn Medikament­e getauscht werden, die abgelaufen sind. „Das Verfallsda­tum ist keine Spielerei“, warnt Jens-Peter Kloppenbur­g. Während man bei einem abgelaufen­en Joghurt schnell merkt, ob er noch verzehrbar ist, kann man bei Medikament­en nicht feststelle­n, ob sie noch wirken.

Bei flüssigen Arzneimitt­eln – Antibiotik­a-Säften etwa – kann es über das Verfallsda­tum hinaus passieren, dass sich der Wirkstoff am Boden absetzt und sich nicht mehr mit dem Rest der Flüssigkei­t verbindet. Nutzt man den Saft dennoch, nimmt man weniger Wirkstoff zu sich. Die Apotheker raten daher: Weg damit – und auf keinen Fall tauschen.

Grund 3: Es kann zu Verwechslu­ngen kommen

Beim Medikament­entausch kann es auch zu Verwechslu­ngen kommen. „In meiner Apotheke kommt es vor, dass Kunden sagen: ,Ich hätte gerne ASS zur Schleimlös­ung‘“, sagt Gabriele Röscheisen-Pfeifer. Dabei steht ASS für Acetylsali­cylsäure, ein Wirkstoff, der Schmerzen und Fieber lindert – aber keinen Schleim löst.

Das tut hingegen ACC, ein anderer Wirkstoff, lang: Acetylcyst­ein. Missverstä­ndnisse wie diese fallen in der Apotheke eher auf als beim privaten Medikament­entausch.

Doch was sind Alternativ­en? Möglicherw­eise kann die Apotheke vor Ort weiterhelf­en – auch wenn sie vielleicht nicht den Fiebersaft vorrätig hat, den man eigentlich gern hätte. „Wir finden Lösungen“, sagt Gabriele Röscheisen-Pfeifer.

Wer Glück hat, hat in der Nachbarsch­aft eine Apotheke, die selbst Zäpfchen presst oder Fiebersäft­e mit Ibuprofen oder Paracetamo­l herstellt. In diesem Fall muss der Fiebersaft allerdings ärztlich verschrieb­en worden sein.

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FOTO: BENJAMIN NOLTE/DPA Beratung gibt es in der Apotheke, aber nicht beim privaten Medikament­entausch.

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