Neugierig, emotional und ehrgeizig
Christian Streich coacht seit elf Jahren den SC Freiburg – Schon als Spieler tickte er anders
FREIBURG (dpa) - Vielleicht arbeitet Christian Streich auch deshalb so erfolgreich mit jungen Fußballern, weil er nachfühlen kann, dass sie manchmal den Rat eines Älteren brauchen. Sein Förderer Lutz Hangartner jedenfalls erzählt, dass dem heutigen Bundesligatrainer des SC Freiburg die erfahrenen Mitspieler früher gutgetan hätten. 1983 holte Hangartner den 18 Jahre alten Streich von den AJunioren in die Herrenmannschaft des damaligen Drittligisten Freiburger FC. Der FFC-Trainer hatte erkannt, dass der junge Mann mit den langen Haaren fußballerisches Potenzial hatte – aber auch „schwierig“war.
„Bei ihm als Spieler musste man auch immer befürchten, dass er ausflippt“, sagt Hangartner, langjähriger Präsident und nun Ehrenpräsident des Bundes Deutscher Fußballlehrer. Zu gravierenden Vorfällen sei es nicht gekommen, auch weil zur Freiburger Elf erfahrene Leute gehörten, „die ihn geführt haben“, schildert Hangartner: „Von daher hatte er sich im Griff.“
Heute führt Streich andere – und das überaus erfolgreich. Er ist bekannt dafür, dass er ein Händchen für Nachwuchstalente hat. Und macht in Freiburg seit Jahren einen bemerkenswerten Job. Zum Jahreswechsel trainiert er die Profis des Tabellenzweiten und Europa-League-Achtelfinalisten SC Freiburg bereits seit elf Jahren und ist mit großem Abstand dienstältester unter den aktuellen Bundesligatrainern. Am 29. Dezember 2011 hatte er nach seiner langen Zeit als Freiburger Jugendtrainer die Profis übernommen.
Überaus emotional ist er immer noch – auch wenn das in manchem Abstiegskampf der vergangenen Jahre häufiger zu sehen war als in dieser Saison, in der der Sportclub viel mehr Spiele gewinnt als verliert. Eine Voraussetzung für Erfolg sei dabei stets, sagte Streich schon viele Male, dass die SC-Spieler im Wettbewerb mit den großen und finanzstärkeren Clubs stets an ihre Grenzen gehen.
„Er hatte schon als Spieler eine unheimliche Mentalität“, erklärt Niels Schlotterbeck, der von 1985 bis 1987 Streichs Teamkollege beim damaligen Zweitligisten Stuttgarter Kickers war. Der Mittelfeld- und Abwehrakteur habe stets 100 Prozent gegeben, ob im Training oder im Spiel. „Gegen ihn zu spielen, war nicht immer einfach“, sagt der Onkel von Nationalspieler Nico Schlotterbeck und Leiter einer Fußballschule.
Zudem sei der heute 57-Jährige schon als junger Mensch „wissbegierig ohne Ende“gewesen, erzählt Hangartner, bei dem Streich später am Institut für Sport und Sportwissenschaft der Universität Freiburg auch studierte. „Wenn ich ihn nachts um zwei angerufen und gesagt hätte, um drei ist Training, wäre er da gewesen. Wahrscheinlich als Einziger.“Auch diese ständige Beschäftigung mit Fußball, mit Taktik, Übungsformen und vielem mehr hat ihn vermutlich zu einem so guten Trainer gemacht. „Er hat schon damals Dinge hinterfragt und folgt auch heute nicht jedem Trend“, sagt Hangartner.
Zu einer großen Karriere als Spieler hat es nicht gereicht. Streich fehlte die Schnelligkeit und etwas die „körperliche Robustheit“, wie Schlotterbeck meint. „Er sagt, dass wir alle besser sind, als er es war“, erzählt Freiburgs ehemaliger Nationalstürmer Nils Petersen. So brachte es Streich nur auf zehn Bundesligaspiele für den FC 08 Homburg.
Dafür hat er seine Trainerkarriere auf eine Art und Weise entwickelt, die Schlotterbeck optimal findet. Weil Streich zunächst die U19 des Sportclubs betreute und erst Ende 2011 die Profis übernahm. „Wenn du Trainer werden willst, ist es gut, wenn du im Jugendbereich anfängst“, sagt der 55jährige Schlotterbeck. „Dort hat er sich Erfahrungswerte geholt, das war wichtig.“