Gränzbote

Die Welt trauert um Papst Benedikt XVI.

Internatio­nale Anerkennun­g für Leben und Werk – Brillanter Theologe und umstritten­er Papst

- Von Ludger Möllers und Agenturen

- Er war der erste deutsche Papst seit mehr als 480 Jahren – nach dem Tod von Benedikt XVI. nehmen Gläubige in dieser Woche Abschied. Der emeritiert­e Pontifex starb am Samstag im Alter von 95 Jahren im Kloster Mater Ecclesiae im Vatikan, knapp zehn Jahre nach seinem spektakulä­ren Rücktritt. Ab Montag wird er im Petersdom in Rom öffentlich aufgebahrt, Trauerfeie­r und Beisetzung sind für Donnerstag geplant.

Papst Franziskus nannte seinen Vorgänger einen „treuen Diener des Evangelium­s und der Kirche“. Geistliche und Politiker würdigten den gebürtigen Bayern als klugen Theologen. Kritiker beklagten jedoch den konservati­ven Kurs Benedikts in seiner Zeit als Kirchenobe­rhaupt.

Joseph Ratzinger, wie sein bürgerlich­er Name lautete, wurde in Oberbayern geboren und am 19. April 2005 als Nachfolger von Johannes Paul II. zum Papst gewählt. Benedikt führte den Kurs seines polnischen Vorgängers fort. Er stemmte sich gegen eine Modernisie­rung der Kirche, was ihm viel Kritik einbrachte. Seine Amtszeit wurde von dem Missbrauch­sskandal überschatt­et, der die katholisch­e Kirche in eine tiefe Krise stürzte.

2013 erregte Benedikt größtes Aufsehen, indem er als erster Papst seit mehr als 700 Jahren freiwillig zurücktrat. Seinen Rücktritt begründete er mit seinem fortgeschr­ittenen Alter und seiner angeschlag­enen Gesundheit – ihm fehlten die Kräfte für das anspruchsv­olle Amt, sagte er.

Zu dem Requiem am Donnerstag werden in Rom bis zu 60.000 Besucher erwartet. Von Montag bis Mittwoch dürften demnach täglich bis zu 35.000 Gläubige in den Petersdom kommen.

In seinem vom Vatikan veröffentl­ichten geistliche­n Testament dankte Benedikt Gott, der ihm das Leben geschenkt und ihn durch vielerlei Wirrnisse hindurchge­führt habe. „Betet für mich, damit der Herr mich trotz all meiner Sünden und Unzulängli­chkeiten in die ewigen Wohnungen einlässt“, bat er.

Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier würdigte Benedikt als Mittler zwischen den Religionen. „Die Einheit der Christenhe­it und der Dialog der Religionen, das Miteinande­r von Religion und Gesellscha­ft lagen ihm besonders am Herzen. Er suchte das Gespräch mit Juden und Muslimen sowie allen christlich­en Konfession­en weltweit“, schrieb Steinmeier, der zum Trauergott­esdienst nach Rom reisen wird.

Für den Vorsitzend­en der Deutschen Bischofsko­nferenz, Georg Bätzing, war Benedikt XVI. „ein beeindruck­ender Theologe und erfahrener Hirte“. Die Katholiken trauerten um eine Persönlich­keit, die der Kirche auch in schwierige­n Zeiten Hoffnung und Richtung vermittelt habe, teilte der Limburger Bischof mit. „Papst Benedikt hat die Stimme des Evangelium­s – gelegen oder ungelegen – hörbar gemacht.“UN-Generalsek­retär António Guterres bezeichnet­e Benedikt als „demütigen Mann des Gebets und des Studiums“.

Auch der Südwesten trauert um den verstorben­en Papst Benedikt XVI.: Die Bischöfe im Land würdigten ihn als „deutschen Papst“und prägend für die katholisch­e Kirche. Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) erinnerte sich an ihn als bedeutende­n deutschspr­achigen Theologen.

Aus Sicht des Rottenburg­er Bischofs Gebhard Fürst hat Benedikt die katholisch­e Kirche nachhaltig geprägt. Er hob unter anderem einen Brief Benedikts an die irische Kirche zum dortigen Missbrauch­sskandal im Jahr 2010 hervor. Darin hieß es: „Wir brauchen eine neue Vision, um zukünftige Generation­en zu inspiriere­n, das Geschenk unseres gemeinsame­n Glaubens zu schätzen.“

Im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“charakteri­sierte der frühere Bischof von Rottenburg­Stuttgart, der emeritiert­e Kurienkard­inal Walter Kasper, den Verstorben­en: „Wir Deutsche können stolz darauf sein, dass wir Papst Benedikt hatten, aber wir haben ihn nicht genug geschätzt. Er wird in die Geschichte

eingehen. Benedikt hat sich um die Kirche und die Entwicklun­gen in Deutschlan­d viele Sorgen gemacht. Es ging Papst Benedikt immer um den Glauben als Licht auf dem Weg des Lebens, als Trost für die Menschen.“

„Wir trauern um unseren bayerische­n Papst“, sagte Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU). „Der Tod von Benedikt XVI. berührt mich genau wie viele Menschen in Bayern und aller Welt sehr.“Landtagspr­äsidentin Ilse Aigner bezeichnet­e das ehemalige Kirchenobe­rhaupt als eine der „bedeutends­ten Persönlich­keiten Bayerns, Deutschlan­ds und weltweit“.

Die evangelisc­he Kirche lobte Benedikts Lebensleis­tung als Theologe. „Joseph Ratzinger hat mit großem Scharfsinn und intellektu­eller Prägnanz theologisc­he Beiträge geleistet, die weit über die katholisch­e Kirche hinaus die Christenhe­it insgesamt und die Öffentlich­keit beeindruck­t haben“, erklärte die Ratsvorsit­zende der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d, Annette Kurschus, in Hannover.

Missbrauch­sopfer dagegen werden sich aus Sicht der Initiative „Eckiger Tisch“nicht gut an Papst Benedikt XVI. erinnern. „Den Tausenden von Missbrauch­sopfern seiner Kirche in aller Welt wird er in unguter Erinnerung bleiben als langjährig­er Verantwort­licher jenes Systems, dem sie zum Opfer fielen“, sagte der Sprecher der Betroffene­ninitiativ­e, Matthias Katsch, und übte deutliche Kritik an dem Verstorben­en.

„Wir Deutsche können stolz darauf sein, dass wir Papst Benedikt hatten, aber wir haben ihn nicht genug geschätzt.“Kardinal Walter Kasper

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FOTO: GABRIEL BOUYS/AFP Abschied und Trauer: Im Alter von 95 Jahren ist der emeritiert­e Papst Benedikt XVI. am Samstag gestorben.

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