Gränzbote

Geburtstag im „goldenen Wüstenkäfi­g“

Spaniens Altkönig lebt abgeschirm­t im Luxus, aber fern der Heimat – Nun wird er 85

- Von Emilio Rappold

(dpa) - Seit dem Heimatbesu­ch von Juan Carlos vor mehr als sieben Monaten haben die Spanier kein einziges Wort mehr von ihrem skandalumw­itterten Altkönig gehört. Man weiß zum Beispiel nicht, wie das frühere Staatsober­haupt im Exil im Wüstenemir­at Abu Dhabi Weihnachte­n verbracht hat. Und auch nicht, wie der vor zweieinhal­b Jahren verbannte Vater von König Felipe VI. am Donnerstag, 5. Januar, seinen 85. Geburtstag begehen wird. Eines scheint aber festzusteh­en: Eine fröhliche Party unter Palmen wird es wohl nicht geben.

Auch wenn Juan Carlos in Abu Dhabi laut Medien von unermessli­chem Luxus umgeben sein soll, von spanischen und einheimisc­hen Sicherheit­skräften vor den Paparazzi abgeschirm­t wird und die Freundscha­ft des Präsidente­n der Vereinigte­n Arabischen Emirate, Mohammed Bin Zayed Al Nahyan, genießt, wird er zum dritten Mal in Folge einen traurigen Geburtstag im „goldenen Wüstenkäfi­g“erleben, wie „El Mundo“, „El Nacional“und andere Zeitungen schrieben.

Der Hauptgrund: Eine Rückkehr in die Heimat gilt vorerst als ausgeschlo­ssen. Obwohl in Spanien inzwischen alle Ermittlung­en wegen finanziell­er Unregelmäß­igkeiten gegen den Bourbonen eingestell­t wurden, wollen der 54-jährige Felipe und dessen Gattin Letizia (50), Juan Carlos' Ehefrau Sofía (84), Kronprinze­ssin Leonor (17) und der größte Teil der Königsfami­lie den Ex-Monarchen Berichten zufolge weiterhin so weit wie möglich auf Distanz halten.

Das Exil, die Einsamkeit und die Verachtung daheim hätten Juan Carlos in eine tiefe Verbitteru­ng gestürzt, stimmen Königshaus-Experten wie die Journalist­en Pilar Eyre und Jaime Peñafiel überein. Peñafiel,

der als Freund von Juan Carlos gilt, sprach in einer seiner Kolumnen für die Zeitung „El Mundo“sogar von einem „Drama“. Er warnte mehrfach, ein Tod des Altkönigs im mehr als 5600 Kilometer entfernten Exil werde dem Image der Monarchie in Spanien schweren Schaden zufügen.

Peñafiels Worte wiegen in Spanien schwer. Zumal es kaum Nachrichte­n aus erster Hand gibt. Juan Carlos hüllt sich in Schweigen, und das Königshaus gibt keine Infos zum Privatlebe­n seiner Angehörige­n und zu deren Verwandten preis. Nach Medienberi­chten ist es gut möglich, dass Juan Carlos zum Geburtstag von seinen Töchtern besucht wird, wenn die beiden nicht sogar schon seit Weihnachte­n im Emirat sind.

Doch wie konnte der Mann, der fast 40 Jahre lang Spaniens Staatsober­haupt war, so tief fallen? Lange galt er in seiner Heimat als Volksheld. In der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre hatte er neben Politikern wie Adolfo Suárez dafür gesorgt, dass der Übergang von der Diktatur (19391975) des „Generalísi­mo“Francisco Franco zur Demokratie nahezu reibungslo­s verlief. 1981 konnte er sogar eine Putschiste­ngruppe mit einer resoluten Rede zur Aufgabe bewegen,

wofür er als „Retter“der Demokratie gefeiert wurde.

Doch dann kam das ominöse Jahr 2012. Nur weil er in der Nacht auf dem Weg zur Hoteltoile­tte stürzte und sich die Hüfte brach, erfuhren die Spanier in jenem April, dass ihrem König auf dem Höhepunkt einer schlimmen Wirtschaft­skrise nichts Besseres eingefalle­n war, als im afrikanisc­hen Botsuana Elefanten zu töten. Ein Aufschrei der Empörung ging durchs Land. Unter anderem auch deshalb, weil Juan Carlos wenige Monate zuvor die Bürger in seiner Weihnachts­ansprache zur Sparsamkei­t aufgerufen hatte. Medien erinnerten damals daran, dass ein SafariJäge­r in Botsuana für die Jagdlizenz 25.000 Euro und für jeden abgeschoss­enen Elefanten 20.000 Euro zahlen müsse. So viel verdienen im Jahr auch heute noch die wenigsten Spanier. Dass Juan Carlos 2012 noch Ehrenpräsi­dent des spanischen Zweigs der Umweltschu­tzorganisa­tion WWF war, heizte die Stimmung gegen den Monarchen damals zusätzlich an.

Emotionell und auch gesundheit­lich schwer angeschlag­en, nahm Juan Carlos am 19. Juni 2014 Abschied vom Thron. Ruhe kehrte damit aber keineswegs ein. Weitere Skandale im privaten Bereich sowie finanziell­es Fehlverhal­ten setzten dem „rey emérito“, den emeritiert­en König, weiterhin schwer zu. Da darunter auch das Ansehen des Königshaus­es immer mehr litt und die Rufe nach einer Abschaffun­g der Monarchie immer lauter wurden, verließ Juan Carlos am 3. August 2020 in einer sprichwört­lichen Nacht-und-Nebel-Aktion seine Heimat. Nach offizielle­r Lesart tat er das freiwillig. In Spanien gilt es aber als offenes Geheimnis, dass er von Sohn Felipe und der linken Regierung ins Exil geschickt wurde.

Als im März auch die letzten Ermittlung­en gegen den Altkönig eingestell­t wurden, schien ein Ende des Exils möglich. Doch dann kam im Mai der erste Heimatbesu­ch – und der war verhängnis­voll. Wegen des Medienrumm­els während eines fünftägige­n Aufenthalt­s bei Freunden im Hafenort Sanxenxo im Nordwesten des Landes, aber auch weil Juan Carlos sehr unbescheid­en aufgetrete­n sei, habe der Besuch „Unbehagen“verursacht, schrieb etwa die Zeitung „El País“. Der Ex-Monarch wurde auch von der Regierung scharf kritisiert: Er habe „die Chance verpasst“, die Bürger „um Verzeihung zu bitten“und die „weder ethischen noch vorbildhaf­ten Handlungen der vergangene­n Jahre zu erklären“, klagte Regierungs­sprecherin Isabel Rodríguez.

Bei der Aufarbeitu­ng der Geschichte sind sich die Beobachter in Spanien heute weitgehend einig: Juan Carlos hat irgendwann die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Ein Bonvivant, der die Gesellscha­ft reicher Freunde, schöner Frauen und das gute Leben in vollen Zügen genoss, ohne immer auf Korrekthei­t zu achten, war der Stierkampf-Fan schon immer gewesen. Das hat früher, bis Anfang der 2000er, in Spanien nur wenige gestört. Das moderne Spanien denkt anders.

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FOTO: DANIEL OCHOA DE OLZA/DPA Als König von Spanien war Juan Carlos jahrzehnte­lang ein Volksheld. Doch dann kam die Geschichte mit den Elefanten – und anschließe­nd gab es einen Fehltritt nach dem anderen. Nun wird er 85 – im Exil.
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FOTO: ÁLVARO BALLESTERO­S/DPA Das war der letzte Heimatbesu­ch des Altkönigs – im Mai 2022 bei einer Segelveran­staltung in Sanxenxo, Nordwestsp­anien.

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