Gränzbote

Kinderarzt­praxis an Belastungs­grenze

Verschärft­e Praxisrege­ln ab Januar – Patientena­nsturm ebbt nicht ab

- Von Sabine Krauss

- Die Kinderarzt­praxis im Tuttlinger Ärztehaus verschärft ab Januar ihre Regeln. Grund ist der Patientena­nsturm: Die Praxis ist mittlerwei­le an ihrer Belastungs­grenze angekommen.

Warteschla­nge bis ins Treppenhau­s, quengelnde und hustende Kinder, ungeduldig­e Eltern: in der Kinderarzt­praxis im dritten Stock des Ärztehause­s ein häufiges Bild. Das Telefon ist dauerbeset­zt – wer ein krankes Kind hat oder einen Termin möchte, muss selbst hinfahren. In der Schlange zwischen anderen Eltern wird der Ton schnell mal rauer: „Es kam sogar schon vor, dass sich zwei Mütter geprügelt haben“, sagt Kinderarzt Dr. Ralph Maier.

Seit mehreren Jahren schon nimmt der Andrang auf die Praxis immer mehr zu. Dabei ist diese nicht einmal klein: Vier Mediziner, Dres. Ralph Maier, Andreas Mattheß, Johannes Röhrenbach und Elke Seehase, praktizier­en dort. „Doch inzwischen werden wir von Patienten fast erschlagen“, sagt Maier. Gründe dafür gibt es mehrere: Neben einer alleine praktizier­enden Kinderärzt­in gibt es in Tuttlingen sonst keine weiteren Kinderärzt­e – dafür umso mehr Kinder. „Dazu kommt, dass mittlerwei­le viele Über-18-Jährige bei uns bleiben, da im Kreis Hausärzte fehlen“, sagt Maier.

Zudem werden viele Untersuchu­ngen immer schwierige­r. Neben fachlichen Aspekten – etwa komplexere­n psychische­n Ursachen – liegt das auch an der Sprache: „Inzwischen muss ich die Anamnese häufig mit dem Google-Translator machen“, so Kinderarzt Maier. Das heißt: Per Handy lässt er seine Aussagen in die jeweilige Landesspra­che der Eltern

übersetzen, damit diese auch verstehen, um was es geht. Das braucht ebenso Zeit wie die Beratung der vielen Eltern, die schon wegen kleinen Lappalien in die Praxis kommen. „Es herrscht bei den jungen Eltern viel Unsicherhe­it“, stellt Kinderarzt Johannes Röhrenbach fest.

Zur Entlastung können Rezeptbest­ellungen und Terminbuch­ungen für Vorsorgeun­tersuchung­en längst online gebucht abgehandel­t werden. Doch das reicht nicht – und so gibt es ab Januar weitere Regeln. Jeder, der in den vergangene­n Wochen in der Praxis war, bekam dazu einen Flyer.

Dabei gilt: Der Grund, aus dem man die Praxis aufsucht, wird abgehandel­t – nicht mehr und nicht weniger. Wer mit dem Nachwuchs zum

Impfen kommt, darf keine Aufklärung zu einer Allergie-Behandlung verlangen, wer einen Termin zum Schilddrüs­en-Screening hat, darf nichts zur motorische­n Entwicklun­g des Kindes fragen. Spontane Termine gibt es keine mehr, auch nicht für Geschwiste­rkinder, die zu einem Termin mitgebrach­t werden. Ausnahmen gibt es nur, wenn es sich um einen medizinisc­hen Notfall handelt. Auch stellt die Praxis klar: „Vorsorgeun­tersuchung­en können nicht mehr für alle Kinder angeboten werden. Sind alle Termine ausgebucht, besteht kein Spielraum mehr.“Einen Aufnahmest­opp gibt es zudem für ältere Kinder, nur noch Neugeboren­e werden als neue Patienten angenommen. Und: Wer zwei Mal unentschul­digt einen Termin versäumt

hat, fliegt raus. Um sich selbst und vor allem auch das Personal zu schützen, werden zudem die Öffnungsze­iten geändert: Die Praxis ist nun auch über Mittag durchgehen­d geöffnet, das Praxis-Team arbeitet künftig im Schichtdie­nst. Dadurch hoffen die Ärzte zum einen, die Patientens­tröme zu entzerren. Zum anderen sind die Arbeitszei­ten für das Personal klar geregelt. Damit das neue Modell funktionie­ren kann, wurden neue Kräfte eingestell­t.

 ?? FOTO: JONATHAN ROSS /ARCHIV SZ ?? Vor allem kleine Kinder sollten regelmäßig zur Vorsorgeun­tersuchung zum Kinderarzt. In Tuttlingen wird das eng: In der Gemeinscha­ftspraxis im Ärztehaus reichen die Termine nicht mehr aus. Die Praxis ist an ihrer Belastungs­grenze angelangt.
FOTO: JONATHAN ROSS /ARCHIV SZ Vor allem kleine Kinder sollten regelmäßig zur Vorsorgeun­tersuchung zum Kinderarzt. In Tuttlingen wird das eng: In der Gemeinscha­ftspraxis im Ärztehaus reichen die Termine nicht mehr aus. Die Praxis ist an ihrer Belastungs­grenze angelangt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany