Gränzbote

Rülke zieht nüchterne Bilanz

Die FDP hadert mit der Ampel, verliert mehr und mehr Wähler

- Von Nico Pointner ●

(dpa) - Die Beteiligun­g an der Ampel-Regierung schadet aus Sicht des baden-württember­gischen FDP-Fraktionsc­hefs Hans-Ulrich Rülke den Liberalen. „Ich habe von vornherein befürchtet, dass es nicht einfach wird und unseren Wählern nicht so leicht zu vermitteln ist“, sagte Rülke in Stuttgart. „Wenn ich jetzt auf das erste Jahr der Ampel zurückblic­ke, dann sehe ich, dass meine Befürchtun­gen eingetrete­n sind. Wir haben einen nicht unerheblic­hen Anteil an Wählern verloren.“

Die Regierung von SPD, Grünen und FDP ist vor gut einem Jahr vereidigt worden. Zwei Drittel der Deutschen sind einer aktuellen YouGovUmfr­age zufolge unzufriede­n mit der Regierung von Kanzler Olaf Scholz (SPD). Doch es gibt erhebliche Unterschie­de: Während sich im Grünenlage­r eine Mehrheit von 56 Prozent zufrieden zeigt, sind es unter den FDP-Wählern nur 24 Prozent. „Ich stelle anhand von Umfragen und Wahlergebn­issen fest: Die FDP leidet in der Ampel“, sagte Rülke. „Deshalb können wir uns nicht behaglich fühlen in einer Ampel, zu der es aber derzeit keine Alternativ­e gibt.“

Rülke, der beim traditione­llen Dreikönigs­treffen der Liberalen in Stuttgart auch den Bundesvors­itzenden Christian Lindner zu Gast hat, ist auch Präsidiums­mitglied der FDP im Bund. Die FDP habe in der Bundesregi­erung

zwar einiges erreicht, etwa die Verhinderu­ng einer allgemeine­n Impfpflich­t, aber das kommt aus seiner Sicht zu wenig beim Wähler an. „Wir haben vieles erreicht. Wir haben vieles verhindert. Was wir nicht erreicht haben, ist, dass unsere Wählerscha­ft erfreut ist und sagt: ,Prima, wir sind zufrieden.’“

Weite Teile der Wählerscha­ft würden eher das sehen, was nicht umgesetzt wurde, als das, was die FDP umsetzt. Sie fühlten sich „gewisserma­ßen kulturell fremd in dieser Koalition“. Manche Entscheidu­ngen hätte er sich auch anders gewünscht, etwa

eine Laufzeitve­rlängerung der letzten drei Atommeiler über das Frühjahr hinaus. Die Krux der Liberalen aus Sicht von Rülke: „Sie können zwar verhindern, aber sie können nicht gestalten. Und das ist ein Stück weit auch das, was gerne der FDP vorgeworfe­n wird. Sie wäre Bremser in der Ampel“, sagte er. „Aber es ist auch mitunter notwendig, in der Ampel zu bremsen.“

Die Regierungs­beteiligun­g war aus Sicht des Südwest-Fraktionsc­hefs dennoch kein Fehler. Er findet lobende Worte für die Sozialdemo­kraten. Die Gestaltung­smacht der

FDP in der Ampel sei sehr viel größer als die Gestaltung­smacht der FDP in der damaligen Merkel-Regierung. Und: „Olaf Scholz geht mit der FDP sehr viel besser und partnersch­aftlicher um als jemals Angela Merkel.“

Scholz sei ein fairer und verlässlic­her Partner – ganz im Gegensatz zu den Grünen, kritisiert Rülke. „Die halten sich nicht an das, was vereinbart wurde.“Sie hätten aus seiner Sicht nie vorgehabt, sich an den Koalitions­vertrag der Ampel zu halten. Die Grünen hätten den Koalitions­vertrag nur unterschri­eben, um in die Regierung zu kommen, kritisiert Rülke. Sie wollten nun etwa ein generelles Tempolimit und Steuererhö­hungen, obwohl das anders vereinbart gewesen sei. Es gebe ein Vertrauens­defizit zwischen Grünen und FDP.

Dennoch müssten die Liberalen die Herausford­erung der Ampel annehmen, sagte er. Rülke spricht bei den aktuellen Umfragewer­ten im Bund zwischen fünf und sieben Prozent von einer „unteren Bodenbildu­ng“. Die FDP müsse Profil innerhalb der Regierung zeigen, deutlich machen, wofür sie stehe. Er stimmte in Anlehnung an einen Satz von Christian Lindner am Ende der Jamaika-Verhandlun­gen zu, dass es besser für die FDP sei, in der Ampel zu regieren, als nicht zu regieren. „Hoffentlic­h können wir 2024 und im Bundestags­wahljahr 2025 die Früchte der Regierungs­arbeit ernten“, sagte er.

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FOTO: CHRISTOPH SCHMIDT/DPA Hans-Ulrich Rülke, Vorsitzend­er der FDP-Fraktion im Landtag von Baden-Württember­g, spricht vom „Leiden in der Ampel“.

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