Gränzbote

„Es ist ähnlich wie bei einer klassische­n Ohnmacht“

Suchtmediz­iner Andreas Jähne erklärt, was im Gehirn bei einem Filmriss durch Alkohol passiert

- Von Ricarda Dieckmann

(dpa) - Noch eine Runde Schnaps, noch ein Bier – und schnell ist es passiert. Man ist weg. Ein Filmriss. Wie schnell man den bekommt, hängt laut der Initiative „Kenn dein Limit“davon ab, wie gut der Körper Alkohol verträgt. Frauen neigen eher zu Filmrissen als Männer, da sie oft ein geringeres Körpergewi­cht haben. Das Risiko steigt auch, wenn man in kurzer Zeit große Mengen Alkohol trinkt. Dazu verleiten Hochprozen­tiges wie Schnaps oder Wodka, aber auch Bowle und Likör. Der Suchtmediz­iner Andreas Jähne verrät im Interview,

was bei einem Filmriss genau im Gehirn passiert – und welche drei Gründe dafür sprechen, es gar nicht erst soweit kommen zu lassen.

Was passiert bei einem Filmriss?

Alkohol wirkt in höheren Dosen sedierend. Das heißt: Er macht müde und behindert letztlich die Funktionsf­ähigkeit unseres Gehirns, so dass es keine neuen Informatio­nen mehr einspeiche­rn kann. Es ist also ähnlich wie bei einer klassische­n Ohnmacht, bei der man danach nicht mehr weiß, was passiert ist.

Die Wirkung des Alkohols baut sich dabei langsam auf. Es gibt einen Graubereic­h, wo nicht mehr alle Informatio­nen im Gehirn wirklich ankommen, dort aber trotzdem noch einzelne Erinnerung­sstücke gebildet werden. Am Anfang bemerken wir gar nicht, dass bestimmte Informatio­nen uns nicht mehr erreichen. Wenn der betroffene Mensch dann in den Schlaf fällt, ist aber auch nicht alles zu 100 Prozent weg. Auch dann gibt es noch einzelne Spotlights, also Erinnerung­sfetzen. Die kommen Betroffene­n manchmal auch erst ein paar Tage später wieder ins Bewusstsei­n, Gerüche oder Bilder etwa. Aber was es genau ist – das ist Zufall.

Wie gefährlich ist so ein Filmriss?

Erstens schadet die schiere Menge an Alkohol der Leber und anderen Organen. Zweitens verlieren wir durch jeden Vollrausch einige Tausend Gehirnzell­en, was der Körper auf Dauer nicht kompensier­en kann. Und drittens: In dieser Zeit sind Betroffene natürlich hilflos ausgeliefe­rt – als hätten sie K.o.-Tropfen bekommen. Das, was während eines Filmrisses passiert, lässt sich nicht steuern oder rückgängig machen. Es kann zu Stürzen oder Unfällen kommen,

bei denen man sich verletzt. Oder dazu, dass jemand unterkühlt, weil er ohne Jacke draußen ist.

Was für Konsequenz­en sollte man aus einem Filmriss für sich ziehen?

Man sollte sich gut überlegen, ob man das Risiko eingehen möchte, dass das wieder passiert. Klarmachen sollte man sich: Auch wenn es einmal gut gegangen ist, muss das nicht heißen, dass es das nächste Mal genauso läuft.

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FOTO: FELIX GROTELOH/OBERBERG GRUPPE/DPA Andreas Jähne ist Facharzt für Psychiatri­e und Psychother­apie sowie Suchtmediz­iner. Er ist außerdem Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Oberberg Fachklinik Rhein-Jura und der Oberberg Tagesklini­k Lörrach.
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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Moment, was war gestern Abend? Bei einem Filmriss setzt das Gedächtnis aus. Es gibt nur noch einzelne Erinnerung­sfetzen.

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