Gränzbote

Gefahr einer neuen Finanzmark­tkrise

Bafin und EZB zeigen sich besorgt – Riskante Geschäfte von Schattenba­nken werden zu wenig kontrollie­rt

- Von Brigitte Scholtes

- Die Finanzaufs­eher sind in Sorge. Die Lage an den internatio­nalen Finanzmärk­ten ist seit dem Beginn des russischen Angriffskr­iegs in der Ukraine wieder deutlich labiler geworden. „Zinswende, Kreditrisi­ken, Inflation – nicht umsonst sprechen wir von einer Zeitenwend­e“, sagte Mark Branson, Chef der deutschen Finanzaufs­icht Bafin, vor wenigen Wochen. Auch die EZBBankena­ufsicht ist wachsam: Sie sei besorgt über die Auswirkung­en des makroökono­mischen Umfelds und der Dynamik an den Finanzmärk­ten wegen der Qualität der Vermögensw­erte und der Finanzauss­tattung der Banken, sagte Mario Quagliarel­lo, Direktor Aufsichtss­trategie und Risiko bei der EZB-Aufsichtsb­ehörde.

Vor allem sorgen sich die Aufseher darum, dass wegen der steigenden Zinsen einige Kreditnehm­er, etwa Hausbesitz­er, ihre Kredite nicht mehr bedienen könnten. Die Risiken kämen eben nicht direkt aus dem Bankensyst­em, sondern von den Kunden der Geldhäuser, die in vielfacher Weise von den aktuellen Herausford­erungen betroffen seien, mahnt Bafin-Chef Branson. Das sei im aktuellen Umfeld begründet, in dem die Volkswirts­chaften weltweit mit nachlassen­dem Wachstum kämpfen. Das liegt aber auch an der strafferen Geldpoliti­k, denn die Notenbanke­n weltweit bekämpfen die hohe Preissteig­erung mit steigenden Zinsen. Und deshalb rechnen viele Ökonomen in einzelnen Ländern wie etwa Deutschlan­d mit Rezessione­n.

Auch die Bundesbank bleibt sehr vorsichtig: Das deutsche Finanzsyst­em sei gegenüber makroökono­mischen Risiken verwundbar. Die Banken müssten eine ausreichen­de Widerstand­sfähigkeit haben, um die Stabilität des Systems zu bewahren, sagte Claudia Buch, im Vorstand der Deutschen Bundesbank für Finanzstab­ilität zuständig: „Aus Verwundbar­keiten können Verletzung­en werden, die später nur schwer zu heilen sind.“Konjunktur­elle und geopolitis­che Risiken will die Aufsicht, auch die der Europäisch­en Zentralban­k, deshalb in den kommenden Jahren verstärkt in den Blick nehmen.

Widerstand­sfähiger und stabiler aber seien die Banken inzwischen, meint Martin Lück, deutscher Chefstrate­ge des weltgrößte­n Vermögensv­erwalters Blackrock. Denn seit

der Finanzmark­tkrise 2008/2009 habe sich viel getan, so dürften die Banken seither nicht mehr auf das eigene Buch spekuliere­n: „Der Bankensekt­or ist generell deutlich resistente­r geworden, robuster geworden, und damit auch nicht mehr so sehr der Gefahr ausgesetzt, im Zuge der vielen Krisen und Unwägbarke­iten in eine neue Systemkris­e zu rutschen.“

Zurücklehn­en aber darf man sich nicht. Denn die Gefahren drohten von anderer Seite – von neuen Spielern wie etwa den sogenannte­n Kryptowähr­ungen, sagt Branson. Aber auch das dynamische Wachstum der „Schattenba­nken“gibt ihm zu denken. Das ist der Finanzbere­ich außerhalb der traditione­llen Banken, vor allem kaum regulierte Hedgefonds, die riskante Anlagestra­tegien verfolgen. Nach Angaben der Bank für Internatio­nalen Zahlungsau­sgleich

in Basel, der BIZ, kontrollie­ren die Schattenba­nken inzwischen etwa 200 Billionen Dollar, das sei etwa die Hälfte der Vermögensw­erte an den Finanzmärk­ten weltweit. Diese „Finanzinte­rmediäre“seien in den letzten drei Jahren in Europa um 50 Prozent gewachsen, sagte Branson Mitte Dezember in Frankfurt. Ein Grund: Die lange so niedrigen Zinsen, aber auch die strengere Regulierun­g der Banken. Die habe viele Investoren dazu verleitet, riskantes Geschäft in weniger regulierte Bereiche zu verlagern. „Dieser Sektor ist extrem gewachsen“, warnte Branson. „Es gibt dort mehr Risiken als in der Vergangenh­eit.“Kommt es zu einer Schieflage in diesem Bereich, drohen Ansteckung­sgefahren. Ein Beispiel ist die Pleite des Hedgefonds Archegos. Die hatte nämlich bei der Schweizer Großbank Credit Suisse zu Verlusten

von fast fünf Milliarden Franken geführt.

Doch gefährlich wird es auch, wenn Staaten eine unorthodox­e Politik betreiben. Das hat die Krise in Großbritan­nien im Oktober gezeigt, bei der die Finanzmärk­te sehr schnell auf die Regierungs­politik reagiert hätten. Die Regierung unter der damaligen Premiermin­isterin Liz Truss hatte die Ausgaben erhöhen, die Steuern aber senken wollen. Die Folge: Der Wert des britischen Pfunds fiel rasant.

„Wenn Risiken kommen, kommen sie schnell“, analysiert Bafin-Chef Mark Branson. Damals konnte nur die Bank of England die Märkte wieder beruhigen, indem sie Staatsanle­ihen kaufte, also Liquidität in die Märkte pumpte. Der Trend der Notenbanke­n aber geht eigentlich ja in die andere Richtung: Die Fed hat schon damit begonnen, ihre Bilanz zu verkleiner­n, also Anleihen in ihrem Bestand wieder zu verkaufen. Auch die EZB strebt das an. Das aber könnte gravierend­e Folgen haben, warnt Martin Lück von Blackrock. Denn die Staaten hätten riesige Ausgaben zu stemmen, sei es für Entlastung­spakete in der Krise oder die grüne Transforma­tion. „Irgendwann könnte das zu einem Punkt kommen, wo plötzlich die Zinsen viel stärker steigen, weil die Knappheit an Kapital einfach den Preis für das Kapital hochzwingt.“Da sei dann im Euroraum doch wieder die EZB gefragt. Denn wenn die Zentralban­ken jetzt nur noch auf das Ziel der Inflations­bekämpfung schauten und nicht auf die Stabilität des Finanzsyst­ems, werde das Folgen haben: „Dann ist ganz klar, dass man eventuell eine Systemkris­e riskiert.“

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FOTO: FRANK RUMPENHORS­T/DPA Nicht die „normalen“Banken in ihren Frankfurte­r Türmen sind das Problem, sondern die zu wenig regulierte­n Schattenba­nken.

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