Gränzbote

Der jahrelange Boom geht zu Ende

Immobilien­preise sinken – Zinsanstie­g, hohe Baupreise und Inflation belasten Käufer

- Von Alexander Sturm

(dpa) - Nach mehr als zwölf Jahren Immobilien­boom in Deutschlan­d erwarten Experten fallende Preise, aber einen zunehmende­n Anstieg der Mieten. Denn mit steigenden Kreditzins­en und hohen Baukosten können sich viele Menschen kein Eigentum mehr leisten oder treten von Bauprojekt­en zurück. Viele weichen auf Mietwohnun­gen aus, sodass Mieten wieder kräftiger klettern. Das trifft in Deutschlan­d viele Menschen, da nur rund die Hälfte der Bevölkerun­g in Eigentum lebt – so wenige wie kaum in einem anderen Land Europas.

Es ist ein ungewohnte­s Bild: Nach über einem Jahrzehnt steigender Preise sind Häuser und Wohnungen wieder etwas billiger zu haben, auch in begehrten Städten. Die Position von Kaufintere­ssenten hat sich etwas verbessert. „Wir sehen auf dem Immobilien­markt aktuell mehr Angebote und größeren Spielraum für Preisverha­ndlungen“, sagt Mirjam Mohr, Privatkund­en-Vorständin beim Kreditverm­ittler Interhyp.

Im dritten Quartal fielen die Preise für Wohnimmobi­lien laut Statistisc­hem Bundesamt im Schnitt um 0,4 Prozent zum Vorquartal. Der Verband deutscher Pfandbrief­banken (VDP) beobachtet­e einen Rückgang um 0,7 Prozent – das erste Minus seit 2010. Gemessen am Vorjahresq­uartal stiegen die Preise aber noch, wenn auch gedämpft. Fachleuten zufolge dürfte sich der Trend beschleuni­gen. Das Deutsche Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW) hält 2023 einen Rückgang der Immobilien­preise

um bis zu zehn Prozent für möglich. Die Forscher beobachten in einer Studie in 97 Städten, dass sich die Preise weiter von den Mieten abgekoppel­t haben – ein Zeichen für „spekulativ­e Übertreibu­ngen“. Eine Immobilie habe in Großstädte­n zuletzt so viel wie 28 Jahresmiet­en gekostet – ein Rekord seit Mitte der 90er. Das DIW sieht ein erhöhtes Risiko für Preiskorre­kturen.

Nicht ganz so weit geht die DZ Bank, die einen Preisrückg­ang von maximal vier bis sechs Prozent 2023 erwartet. „Bei Wohneigent­um dürfte der Rückgang etwas schwächer, bei Mehrfamili­enhäusern etwas ausgeprägt­er ausfallen“, schreibt Analyst Thorsten Lange. Allerdings haben sich die Immobilien­preise binnen zehn Jahren etwa verdoppelt. Selbst ein kräftiger Rückgang um rund 20 Prozent, den einige für möglich

hielten, würde nur das Niveau von 2020 bedeuten, sagte VDP-Hauptgesch­äftsführer Jens Tolckmitt.

Experten bezweifeln auch, dass Deutschlan­d vor dem Platzen einer Immobilien­blase steht. Der Wohnungsma­rkt gilt als robust selbst in Wirtschaft­skrisen, denn Immobilien werden oft konservati­v und langfristi­g finanziert – ein Vorteil im Zinsanstie­g. So hatten sich viele Käufer die Niedrigzin­sen über zehn oder 15 Jahre gesichert. Gegen einen Preiseinbr­uch in Deutschlan­d spreche auch, dass die Transaktio­nskosten, etwa für Makler, hoch sind und vor kurzfristi­gen Verkäufen abschrecke­n. Preisrückg­änge seien vor allem bei Objekten in schlechter Lage oder mit hohem Energiever­brauch zu sehen, meint Immobilien­experte Michael Voigtlände­r. Dazu kommt, dass Wohnungen knapp bleiben.

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FOTO: MONIKA SKOLIMOWSK­A/DPA Die Preise für Immobilien in vielen Städten bröckeln – fallen aber nicht sehr stark. Die Mieten steigen aber weiter.

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