Beim „Bahnhof 123“läuft’s
Seit knapp einem Jahr hat die Schenke in Fridingen auf, die drei Freunde nebenher betreiben
(leu) - Ein Haus mit Geschichte, ein Haus mit Geschichten. Mehr als 130 Jahre alt ist der Bahnhof von Fridingen, doch inzwischen dient er als Hotel, als Stellwerk – und seit einigen Monaten auch als Dorfschenke. Das Projekt dreier Freunde mit ihren Familien, die dem alten Gebäude neues Leben eingehaucht haben.
Freitagnachmittags wird Roland Fuchs vom Hammerwerk-Angestellten zum Gastwirt. Dann öffnet das, was er „Schenke“nennt: eine Mischung aus Kneipe und Café, mehr noch, ein sozialer Treff. Der Laden brummt, vorerst allerdings eben nur an Freitagen. Mehr geht nicht, noch nicht.
Denn die drei Besitzer des Bahnhofs haben noch ihre bürgerlichen
Berufe: Neben Roland Fuchs sind das Gerhard Rudolf, Chef des Tuttlinger Baubetriebshofs, und Thomas Schulz, Vorstandsmitglied der örtlichen Raiffeisenbank. Gemeinsam mit ihren Familienmitgliedern betreiben sie ihre Schenke und opfern dabei einiges an Freizeit.
Eine verrückte Idee? Warum kauft man ein Haus aus dem Jahr 1890, natürlich unter Denkmalschutz stehend, außerhalb des Stadtkerns, ein Haus, das seine Funktion als Bahnhof weitgehend verloren hat? Man wollte etwas für Fridingen tun, erzählt Fuchs; im Frühjahr 2020 haben er und seine Freunde das Objekt aus einer Insolvenz heraus übernommen.
Sie haben Geld hineingesteckt, Arbeitskraft und -stunden und nicht nicht zuletzt einiges an Herzblut. Jetzt steht der markante Bahnhof top da und vereinigt mehrere Funktionen unter einem Dach: Unten ist es die Schenke, in der sich freitags der Stammtisch trifft, im ersten Geschoss wohnt eine größere Familie, ganz oben gibt es vier Hotelzimmer. Die sind ganz einfach ausgestattet, zwei Zwei- und zwei Vierbettzimmer, die gerne von Donautal-Radlern gebucht werden, in den Räumen Bett, Tisch und Schrank, mehr nicht. Man teilt sich eine Gemeinschaftsküche und das Bad.
Im Treppenhaus knarren die Dielen, die Fenster bieten schöne Blicke auf Fridingen und die Bahnstrecke, auf der nachts kein Betrieb ist und die deshalb nicht den Schlaf der Gäste stört. Wer hier übernachtet, schläft in ausrangierten MönchsBetten aus dem Kloster Beuron, im Gastraum sitzt man unter großen Industrielampen. Wo kommen die her? „Polnisches Ebay“, lacht Fuchs. Bei schönem Wetter kann man draußen sitzen, im Sommer haben die Wirte auch mal ein paar Tische zu einer langen Tafel zusammengestellt, an der gut 50 Gäste saßen.
Nach und nach haben die drei Freunde ihren Plan umgesetzt, zuletzt die Schenke in Betrieb genommen, die gut angenommen wird. Es gibt Getränke, kleine Speisen, die man weitgehend aus der Region bezieht, Kaffee und Kuchen, familiäre Atmosphäre als Zugabe obendrauf. Man kann die Räumlichkeiten auch als Eventlocation mieten, und manchmal gibt es auch Veranstaltungen
– zum Beispiel einen SalsaAbend.
Als Bahnhof wird das Haus mit seiner markanten Fassade aus hellem Tuffstein und Holzverkleidung nicht mehr genutzt, doch die Deutsche Bahn ist im Erdgeschoss, gleich neben der Schenke, noch Mieterin. Dort betreibt sie eines ihrer inzwischen seltenen mechanischen Stellwerke, von wo aus Fahrdienstleiter Weichen, Signale und Schranken in ihrem Streckenabschnitt – jeweils mehrere hundert Meter in beide Fahrtrichtungen – über so genannte Drahtzugleitungen mit Körperkraft bewegen.
Bleibt noch die Frage, warum das Hotel samt Kneipe jetzt „Bahnhof 123“heißt. Ganz einfach: Die Adresse heißt Fridingen, Bahnhofstraße 123.