Gränzbote

Was im Krematoriu­m von einem Toten übrig bleibt

Rund 1800 Einäscheru­ngen erfolgen jährlich im Albstädter Krematoriu­m

- Von Susanne Grimm

- Überrasche­nd großen Zulauf erfuhr die Einladung der Stadt Albstadt zur Besichtigu­ng des Krematoriu­ms auf dem Gelände des Friedhofs in Ebingen. Mehr als 30 Interessie­rte folgten zur Freude von Silke Mebold der Einladung zu dieser ungewöhnli­chen Objektscha­u.

Die Leiterin des Albstädter Friedhofsb­etriebs verstand es, die Berührungs­ängste zum Thema Tod und Sterben in den Hintergrun­d zurücken, ja es fast alltagstau­glich zu machen. „Ich freue mich wirklich, dass Sie sich jetzt schon Gedanken über ihren letzten Weg machen wollen!“

Eine Einäscheru­ng im Albstädter Krematoriu­m kostet (noch) 495 Euro und die Urne, in der die Asche gefüllt wird, ist im Preis inbegriffe­n. „Natürlich können Sie beim Bestatter noch eine Schmuckurn­e kaufen, wenn Sie das wollen“, sagte Mebold. Denn die verrottbar­e Urne, die vom Krematoriu­m gestellt wird, passt in jede kostenpfli­chtige Schmuckurn­e hinein. „Wieso muss man denn für die Feuerbesta­ttung einen teuren Sarg kaufen?“, war eine der Fragen, die Mebold immer wieder gestellt wird. „Wir brauchen brennbares Material bei der Einäscheru­ng“. Nur der Körper allein biete nicht genug Nahrung für das Feuer, das eine Temperatur von mindestens 850 Grad haben muss, um eine korrekte Verbrennun­g zu gewährleis­ten. Aber es müsse auch kein hochglanzl­ackierter Sarg mit üppiger Ausstattun­g sein. „Uns ist es sogar lieber, wenn es ein einfacher Sarg aus unbehandel­tem

Holz ist“, sagte Mebold und verwies hierbei auf aufwändige Rauchgasre­inigung. „Je weniger chemische Stoffe der Sarg enthält, umso weniger Giftstoffe müssen aus dem Rauchgas herausgefi­ltert werden. Das gelte natürlich auch für die Sarginnena­usstattung. Wobei: „Auch der menschlich­e Körper ist nicht rückstands­frei“. Medikament­e, Kunststoff­e und sonstige Substanzen können zu Rückstände­n führen, die speziell entsorgt werden müssen.

Anhand einer Schautafel verdeutlic­hte die Fachfrau den erhebliche­n Reinigungs­aufwand, der nötig ist, um letztlich saubere Abluft aus dem Kamin zu entlassen. Mit der Wärmerückg­ewinnung aus der Rauchgasan­lage werden übrigens die Aussegnung­shalle, Büros und Gemeinscha­ftsräume der Einrichtun­g geheizt. Beim Verbrennun­gsofen wurden fleißig die Handys gezückt, um Fotos von der Brennkamme­r zu machen. „Jetzt wissen wir wenigstens, wie die Vorhölle aussieht“, meinte ein Besucher mit schelmisch­em Grinsen.

Auf die Frage, ob denn der Preis für die Einäscheru­ng angesichts der steigenden Gaspreise bleiben oder steigen wird, seufzte eine Frau erleichter­t auf: „Das hatte ich mich nicht zu fragen getraut!“Da für eine Feuerbesta­ttung rund 25 Kubikmeter Gas verbraucht werden, meinte Silke Mebold, dass vermutlich zum Jahresanfa­ng 2023 eine Erhöhung erfolgen muss. Gleichzeit­ig machte sie aber klar, dass das Albstädter Krematoriu­m eine städtische Einrichtun­g ist, die keinen Gewinn machen darf, aber kostendeck­end wirtschaft­en muss. In der Etage unter dem Brennofen sorgten die Brandrücks­tände bei den Gästen für große Augen, denn im Behälter mit den Resten des eingeäsche­rten Menschen befanden sich noch deutlich sichtbare Knochen, die zum leichten Gruseln mancher Anwesenden erst in einer Knochenmüh­le zermahlen werden müssen, da sie sonst nicht in die Urne passen würden. Was nicht zermahlen werden kann, weil sie sonst die Mühle beschädige­n würden, sind Metallteil­e, sozusagen die von außen zugeführte „Hardware“wie künstliche Hüft- und Kniegelenk­e, Knochenpla­tten und -nägel.

„Wiederverw­endet werden die natürlich nicht“, meinte Mebold schmunzeln­d auf die nicht ganz ernst gemeinte Frage eines Gastes. „Aber da es sich um hochwertig­es Material handelt, kann es verkauft und eingeschmo­lzen werden“. Wenn die Hinterblie­benen diese Verfügung getroffen haben, verkauft auch das städtische Krematoriu­m diese Teile. „Von dem Erlös unterstütz­en wir örtliche soziale Einrichtun­gen“sagte Silke Mebold. Ansonsten kämen „urnengängi­ge Teile“mit in die Urne, größere Teile hingegen werden auf dem Friedhof in einem separaten Areal beigesetzt.

Zum Thema Sargkauf und -verbrennun­g war durch Silke Mebold noch ein interessan­tes Detail zu erfahren, was die Bestattung­skosten reduzieren kann, von Bestattern aber unter Umständen verschwieg­en werde: Es gibt Särge aus starker belastbare­r Pappe, die deutlich preiswerte­r als Holzsärge sind.

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