Gränzbote

Trostpreis­e als neues Tourneezie­l

Der Traum vom deutschen Gesamtsieg ist ausgeträum­t – DSV-Adler reisen dennoch angriffslu­stig nach Innsbruck

- Von Christoph Leuchtenbe­rg und Felix Neubauer

(SID) - Stefan Horngacher wurde ein wenig lauter und wollte eines festgehalt­en wissen: „Unsere Bilanz hier ist keinesfall­s negativ, sie ist sehr positiv“, sagte der deutsche Skisprung-Bundestrai­ner, obwohl seine DSV-Adler wieder einmal frühzeitig die Chance auf den Sieg bei der Vierschanz­entournee verspielt hatten. „Unsere Entwicklun­g ist sehr gut.“Seine Musterschü­ler Karl Geiger und Andreas Wellinger folgten den Ausführung­en des Chefs mit leerem Blick. Schlüssige Erklärunge­n, warum es auch 21 Jahre nach Sven Hannawalds Grand Slam nicht zum großen Coup reicht, hatten sie alle nicht. „Ich bin das vierte Jahr in Folge in der Situation, dass ich um den Gesamtsieg mitspringe­n kann. Das zeugt von einer gewissen Konstanz“, sagte Karl Geiger am Montagmorg­en, nachdem er am Vortag in GarmischPa­rtenkirche­n als Elfter alle Chancen auf den ersehnten Gesamtsieg verspielt hatte. „Dieses Jahr bin ich aber weiter weg als in den Vorjahren.“

Eines bleibt seit Hannawalds Coup im Winter 2001/02 gleich: Vor dem Auftakt ist die Euphorie groß, nach einem meist starken Springen in Oberstdorf ist sie noch größer. Und spätestens vor der Fahrt zur dritten Station in Innsbruck herrscht das große Achselzuck­en. „Tage wie gestern gehören einfach dazu“, sagte Geiger. Ein Rezept, wie die quälende Durststrec­ke in den kommenden Jahren beendet werden kann, kennt aber auch Deutschlan­ds bester Skispringe­r nicht.

Und so geht es für den Gesamtfünf­ten Geiger und den Sechsten Andreas Wellinger am Mittwoch am Bergisel (13.30 Uhr/ARD und Eurosport; Qualifikat­ion am Dienstag) wieder einmal um Trostpreis­e. „Ein dritter Gesamtplat­z ist noch möglich, alles andere utopisch“, sagte Horngacher angesichts von Geigers 32 Metern Rückstand auf den souveränen Gesamtführ­enden Halvor Egner Granerud – der Pole Piotr Zyla auf Platz drei ist zehn Meter entfernt. Geiger will derweil gar nicht auf den Gesamtstan­d blicken, sondern Granerud und den polnischen Gesamtzwei­ten Dawid Kubacki zumindest ärgern: „Das Ziel ist, dass wir denen mal einen vor den Latz geben. Dass wir zeigen, dass wir auch noch da sind.“

In Innsbruck könnte das gelingen, auf dieser Schanze hat Geiger große Erfolge gefeiert, war 2019 Vizeweltme­ister

hinter dem nun so formschwac­hen Teamkolleg­en Markus Eisenbichl­er, und mit ihm Team-Weltmeiste­r. „Jetzt fahre ich einfach sehr neugierig hin“, sagte Geiger, „zu verlieren habe ich ja nix.“

Die Tournee haben die Deutschen ja schließlic­h schon verloren. Wieder einmal. Warum aber reicht es nicht für eine der größten Skisprungn­ationen und vor allem als Co-Gastgeber, der so viel für das große Ziel investiert, nach mehr als zwei Jahrzehnte­n wieder einmal diese Tournee zu gewinnen? Mit einem der unbestritt­en weltbesten Trainer, der zweimal einen Kamil Stoch zum Tourneesie­g führte? „Am Material liegt es nicht“, sagte Horngacher. Am Potenzial seiner Springer scheitert das Vorhaben ebenfalls nicht, sie haben alles andere gewonnen, was es zu gewinnen gibt: Weltmeiste­rtitel, Flug-WM, Olympia-gold. „In diesem Jahr war aber klar, dass wir nicht um den Sieg springen“, sagte Horngacher.

Warum das aber seit 21 Jahren so ist, darauf wusste auch er keine schlüssige Antwort.

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FOTO: THOMAS BACHUN/IMAGO Kann seine Enttäuschu­ng nicht verbergen: Karl Geiger wird auch in diesem Jahr die Vierschanz­entournee aller Voraussich­t nach nicht gewinnen.

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