Gränzbote

Noch weit weg vom Ziel

- Von Thomas Hagenbuche­r t.hagenbuche­r@schwaebisc­he.de

Ein „Hoffnungss­chimmer“, „das Schlimmste ist wohl überstande­n“, „Inflations­rate unter der Zehn-Prozent-Marke“– was gestern von vielen Medien und Protagonis­ten durchaus positiv eingeordne­t wurde, ist alles andere als eine gute Nachricht. Die Inflations­rate in Deutschlan­d lag im Dezember bei 8,6 Prozent. Die Jahresinfl­ation für 2022 betrug 7,9 Prozent. Im Vergleich zum Rekordstan­d von 10,4 Prozent im Oktober stellt dies zwar einen merklichen Rückgang dar. Die Werte sind aber immer noch erschrecke­nd hoch und weit weg von einem akzeptable­n Maß. Auch mit Blick auf das laufende Jahr kann längst noch keine Entwarnung gegeben werden.

Im Gegensatz zu anderen wirtschaft­lichen Kennzahlen betrifft uns die Inflation ganz unmittelba­r. Wir spüren sie täglich aufs Schmerzlic­hste – im Supermarkt und beim Bäcker, an der Zapfsäule, im Restaurant und ganz besonders bei der Heizkosten­abrechnung. Die Inflation macht uns alle ärmer, vor allem diejenigen, die ohnehin schon rechnen müssen – und sie stellt sich als äußerst hartnäckig heraus. Auch wenn die extremen Preissteig­erungen, die wir im Moment erleben, vor allem durch den russischen Angriffskr­ieg in der Ukraine und dessen Folgen für die Energiever­sorgung ausgelöst worden sind. Die Lunte an das Pulverfass Inflation wurde schon viel früher gelegt – und dies ausgerechn­et von der Institutio­n, deren oberste Aufgabe die Sicherung der Preisstabi­lität ist: der Europäisch­en Zentralban­k (EZB).

Die Frankfurte­r Währungshü­ter haben die Märkte in den vergangene­n gut 20 Jahren in unvorstell­barem Ausmaß mit Geld geflutet. Seit ihrer Gründung 1998 hat die EZB die in Umlauf befindlich­e Geldmenge mehr als verdreifac­ht. Daneben hat sich die Zentralban­k deutlich mehr darum gekümmert, die Haushalte maroder und zumeist reformunwi­lliger Eurostaate­n durch Anleihenkä­ufe zu stützen, als ihrer Kernaufgab­e nachzugehe­n. Die Inflations­gefahren haben die Zentralban­ker dabei gerne herunterge­spielt – bis jetzt.

Der Kurswechse­l der EZB im Juli – die erste Zinserhöhu­ng seit mehr als sechs Jahren – war richtig, er kam aber viel zu spät. Nun muss die Zentralban­k ihren neuen Kurs beibehalte­n und mit aller Macht das Schreckges­penst Inflation bekämpfen – dies auch gegen sämtliche Kräfte, die dem entgegenwi­rken werden. Die EZB darf beim Kampf gegen die Teuerung jetzt keinen Deut nachlassen. Noch ist sie weit weg von ihrem Ziel.

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