Noch weit weg vom Ziel
Ein „Hoffnungsschimmer“, „das Schlimmste ist wohl überstanden“, „Inflationsrate unter der Zehn-Prozent-Marke“– was gestern von vielen Medien und Protagonisten durchaus positiv eingeordnet wurde, ist alles andere als eine gute Nachricht. Die Inflationsrate in Deutschland lag im Dezember bei 8,6 Prozent. Die Jahresinflation für 2022 betrug 7,9 Prozent. Im Vergleich zum Rekordstand von 10,4 Prozent im Oktober stellt dies zwar einen merklichen Rückgang dar. Die Werte sind aber immer noch erschreckend hoch und weit weg von einem akzeptablen Maß. Auch mit Blick auf das laufende Jahr kann längst noch keine Entwarnung gegeben werden.
Im Gegensatz zu anderen wirtschaftlichen Kennzahlen betrifft uns die Inflation ganz unmittelbar. Wir spüren sie täglich aufs Schmerzlichste – im Supermarkt und beim Bäcker, an der Zapfsäule, im Restaurant und ganz besonders bei der Heizkostenabrechnung. Die Inflation macht uns alle ärmer, vor allem diejenigen, die ohnehin schon rechnen müssen – und sie stellt sich als äußerst hartnäckig heraus. Auch wenn die extremen Preissteigerungen, die wir im Moment erleben, vor allem durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und dessen Folgen für die Energieversorgung ausgelöst worden sind. Die Lunte an das Pulverfass Inflation wurde schon viel früher gelegt – und dies ausgerechnet von der Institution, deren oberste Aufgabe die Sicherung der Preisstabilität ist: der Europäischen Zentralbank (EZB).
Die Frankfurter Währungshüter haben die Märkte in den vergangenen gut 20 Jahren in unvorstellbarem Ausmaß mit Geld geflutet. Seit ihrer Gründung 1998 hat die EZB die in Umlauf befindliche Geldmenge mehr als verdreifacht. Daneben hat sich die Zentralbank deutlich mehr darum gekümmert, die Haushalte maroder und zumeist reformunwilliger Eurostaaten durch Anleihenkäufe zu stützen, als ihrer Kernaufgabe nachzugehen. Die Inflationsgefahren haben die Zentralbanker dabei gerne heruntergespielt – bis jetzt.
Der Kurswechsel der EZB im Juli – die erste Zinserhöhung seit mehr als sechs Jahren – war richtig, er kam aber viel zu spät. Nun muss die Zentralbank ihren neuen Kurs beibehalten und mit aller Macht das Schreckgespenst Inflation bekämpfen – dies auch gegen sämtliche Kräfte, die dem entgegenwirken werden. Die EZB darf beim Kampf gegen die Teuerung jetzt keinen Deut nachlassen. Noch ist sie weit weg von ihrem Ziel.