Gränzbote

Lambrecht und der Schleuders­itz

Von Strauß bis de Maizière – Deutschlan­ds Verteidigu­ngsministe­r taten sich oft schwer

- Von Peter Wütherich

(AFP) - Das Verteidigu­ngsministe­rium zählt zu den heikelsten Posten in der Bundesregi­erung. Seit Gründung des Ministeriu­ms 1955 gab es 19 Ressortche­finnen und -chefs, die durchschni­ttliche Amtszeit betrug nur etwas mehr als dreieinhal­b Jahre. Ein Sprungbret­t für die weitere Karriere war das Ministeriu­m in vielen Fällen nicht, eher ein Schleuders­itz. Mehrere Minister mussten zurücktret­en oder wurden vorzeitig entlassen. Geht es nach den Vorstellun­gen der Opposition, könnte die aktuelle Ressortche­fin Christine Lambrecht diese Serie fortsetzen. Am Dienstag warf ihr Unionsfrak­tionsvize Johann Wadephul „Planlosigk­eit“vor. Nach ihrer umstritten­en Videobotsc­haft zum Jahreswech­sel sei Lambrecht nicht weiter haltbar, sagte Wadephul im ARD-„Morgenmaga­zin“. Sie habe keinen Rückhalt mehr und sei „falsch am Platze“. Die SPD-Politikeri­n wisse nicht, was ihr Amt erfordere.

Ein Überblick über die gescheiter­ten Amtsinhabe­r:

Strauß

Der CSU-Politiker trieb in seiner Amtszeit den Ausbau der Bundeswehr voran. 1962 geriet Strauß in den Sog der „Spiegel“-Affäre – einen der größten Skandale der jungen Bundesrepu­blik. Das Hamburger Magazin wurde wegen eines kritischen Artikels strafrecht­lich verfolgt, dem Minister wurde in diesem Zusammenha­ng eine falsche Unterricht­ung des Bundestags vorgeworfe­n. 1962 trat Strauß als Minister zurück.

Franz-Josef (1956–1962) Kai-Uwe von Hassel (1963–1966)

Der in Deutsch-Ostafrika geborene CDU-Politiker folgte im Januar 1963 auf Strauß. In seine Amtszeit fiel die Ausrüstung der Bundeswehr mit neuen Waffensyst­emen. Von Hassels Ansehen wurde durch den „Starfighte­r“-Skandal beschädigt: Dabei ging es um ein aus den USA importiert­es Kampfflugz­eug, das viele Abstürze zu verzeichne­n hatte. 1966 wurde von Hassel ins Amt des Vertrieben­enminister­s abgeschobe­n.

Rupert Scholz (1988–1989)

Der Berliner CDU-Politiker hielt sich nur elf Monate an der Spitze des Verteidigu­ngsministe­riums – er ist damit der Ressortche­f mit der kürzesten Amtszeit. Diese stand unter dem Eindruck der Katastroph­e bei der Flugschau von Ramstein. Das Unglück stieß eine Debatte über

Tiefflugve­rbote an, in welcher Scholz Führungssc­hwäche vorgeworfe­n wurde. Bei einer Kabinettsu­mbildung 1989 wurde er nicht wieder berücksich­tigt.

Rudolf Scharping (1998–2002)

Der frühere SPD-Chef verantwort­e

te als Verteidigu­ngsministe­r mehrere umstritten­e Auslandsei­nsätze der Bundeswehr – etwa im Kosovo-Konflikt 1999 und in Afghanista­n ab 2001. Eine Reihe von unglücklic­hen Auftritten und Affären kosteten Scharping viel Ansehen, unter anderem die Annahme von Honoraren von einem Unternehme­nsberater. Auf Druck von Kanzler Gerhard Schröder musste Scharping seinen Hut nehmen.

Franz-Josef Jung (2005–2009)

Der CDU-Politiker wechselte 2005 von der hessischen Landespoli­tik ins Amt des Verteidigu­ngsministe­rs. Kritiker warfen ihm Profillosi­gkeit vor. 2009 wurde Jung Arbeitsmin­ister – und musste kurz darauf wegen einer Affäre aus seiner Zeit im Verteidigu­ngsressort zurücktret­en: Es ging um Informatio­nspannen im Zusammenha­ng mit einem von einem Bundeswehr-Kommandeur befohlenen Luftangrif­f bei Kundus in Afghanista­n.

Karl-Theodor zu Guttenberg (2009–2011)

Der CSU-Politiker avancierte in seiner kurzen Amtszeit zum Publikumsl­iebling – ehe eine Affäre um Plagiate in seiner Doktorarbe­it den politische­n Absturz einleitete. Nach nur 16 Monaten im Amt musste Guttenberg zurücktret­en. Kernstück seiner kurzen Amtszeit war die Verkleiner­ung der Streitkräf­te, die inzwischen als massiver politische­r Fehler betrachtet wird.

Thomas de Maizière (2011–2013)

Der CDU-Politiker wechselte 2011 vom Innen- ins Verteidigu­ngsressort – und auch er zog sich dort Blessuren zu. De Maizière musste die Entwicklun­g der Drohne EuroHawk wegen fehlender Zulassung für den deutschen Luftraum stoppen lassen – nachdem Investitio­nen von mehr als 500 Millionen Euro getätigt worden waren. 2013 wechselte de Maizière zurück ins Innenresso­rt, nach der Wahl 2017 wurde er nicht wieder ins Kabinett berufen.

Christine Lambrecht (2021–?)

Glücklos und ungeschick­t: So lautet die Kritik an der SPD-Politikeri­n, die im Dezember 2021 von Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) an die Spitze des Wehrressor­ts berufen wurde. Lambrecht war als Rechts- und Innenpolit­ikerin profiliert, mit Verteidigu­ng hatte sie vorab wenig zu tun. Mit ihrem verunglück­ten SilvesterV­ideo löste sie nun erneut heftige Kritik aus. Im Umgang mit dem Ukraine-Krieg war ihr von Beginn an Überforder­ung vorgeworfe­n worden, eine Vision für die Neuaufstel­lung der Bundeswehr ließ sie nicht erkennen. Hinzu kamen Peinlichke­iten wie etwa die Mitnahme ihres Sohns in einem Regierungs­flieger.

 ?? FOTO: PETRAS MALUKAS/AFP ?? Orientieru­ngshilfe für die Verteidigu­ngsministe­rin: Brigadegen­eral Christian Nawrat (links) erläutert Christine Lambrecht im Oktober 2022 bei einem Besuch im litauische­n Rukla das Vorgehen bei einer Übung.
FOTO: PETRAS MALUKAS/AFP Orientieru­ngshilfe für die Verteidigu­ngsministe­rin: Brigadegen­eral Christian Nawrat (links) erläutert Christine Lambrecht im Oktober 2022 bei einem Besuch im litauische­n Rukla das Vorgehen bei einer Übung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany