„Querdenken“-Initiator Ballweg bleibt in U-Haft
Seit mehr als sechs Monaten sitzt der 48-Jährige im Gefängnis – Anwälte kritisieren „Freiheitsberaubung“
(dpa) - Trotz des Protests seiner Anwälte bleibt „Querdenken“-Initiator Michael Ballweg auch über die Frist von einem halben Jahr in Untersuchungshaft. Dies ist nur in begründeten Ausnahmen möglich. Das ordnete das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) nach Angaben vom Dienstag an. Nach aktueller Beweislage sei der Beschuldigte bei bestehender Fluchtgefahr weiterhin des versuchten gewerbsmäßigen Betruges und der Geldwäsche dringend verdächtig, erklärte eine Sprecherin. Auch habe die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen seit der Festnahme am 29. Juni „durchweg mit der gebotenen Beschleunigung zügig geführt“. Somit lägen die Voraussetzungen dafür vor, dass der 48-Jährige über sechs Monate hinaus in Untersuchungshaft bleibt.
Ballwegs Anwälte hatten mehrfach vergeblich auf ein Ende der UHaft gepocht. In einer Stellungnahme am Dienstag hieß es, Argumente und Nachweise der Verteidigung seien erneut vollständig ignoriert worden. „Auch hat der Beschuldigte keine Akteneinsicht erhalten, sodass eine ordnungsgemäße vorherige Stellungnahme für ihn nicht möglich war.“Mit einem rechtsstaatlichen Verfahren habe das nichts mehr zu tun. Die Anwälte prüfen, ob sie eine Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht einlegen.
Bei einer Durchsuchung Ende Juni 2022 hatten sich laut Behördenangaben konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Ballweg sich ins Ausland absetzen wollte. Nach damaligen Angaben aus Justizkreisen bestand der Verdacht des Betruges in Höhe von rund 640.000 Euro sowie der Geldwäsche in Höhe von rund 430.000 Euro. Laut Staatsanwaltschaft ist Ballweg
mittlerweile nur noch des versuchten gewerbsmäßigen Betruges, weiterhin aber der vollendeten Geldwäsche dringend verdächtig. Auf Letzteres stehen bis zu fünf Jahre Haft. Ob und wann es zu einer Anklage kommt, ist noch offen. Durch die Höhe der zu erwartenden Strafe ist es aus Sicht des Oberlandesgerichts (OLG) verhältnismäßig, Ballweg länger als sechs Monate in U-Haft zu belassen. Dies ist nur in Ausnahmen möglich, deswegen prüfen Gerichte nach Ablauf dieser Frist, ob die Haft bestehen bleiben darf. Laut Stuttgarter Justizministerium wurde dies 2021 in 350 Fällen von den OLG geprüft, sie entschieden in drei von 350 Fällen zugunsten der Inhaftierten. Die Entscheidung des OLG von Montag im Fall Ballweg fußt auf dem Mitte November angepassten Haftbefehl. Eine weitere Haftprüfung durch das Oberlandesgericht findet in drei Monaten statt, wenn bis dahin nicht eine Hauptverhandlung begonnen hat oder der Haftbefehl bis dahin nicht aufgehoben worden ist.
Die „Querdenken“-Bewegung hatte sich im Zuge der Corona-Pandemie formiert. Der Verfassungsschutz beobachtet die Szene wegen verfassungsfeindlicher Ansichten, Verschwörungsideologien und antisemitischer Tendenzen.