Gränzbote

Mit Hitler im Hinterzimm­er

Ein konspirati­ves Treffen in einer Kölner Villa läutete vor 90 Jahren das Ende der Weimarer Demokratie ein

- Von Dirk Baas ●

(epd) - „Ich möchte (…) Sie beglückwün­schen zu der mutigen Initiative in der Anbahnung der Verständig­ung zweier Männer, die wir beide hochschätz­en“, schreibt der ehemalige Reichsbank­präsident Hjalmar Schacht am 6. Januar 1933 an den Kölner Bankier Kurt Freiherr von Schröder: „Ich hoffe, daß die Unterredun­g in Ihrem Hause einmal historisch­e Bedeutung gewinnen wird.“Zwei Tage zuvor war es im Stadtteil Lindenthal in Schröders Villa zur ersten Zusammenku­nft zweier machtgieri­ger Männer gekommen, die vor 90 Jahren das Ende der Weimarer Demokratie einläutete­n: Adolf Hitler und Ex-Kanzler Franz von Papen.

Papen verhandelt­e mit Hitler über mögliche Wege zur Ablösung Kurt von Schleicher­s als Reichskanz­ler. Das Treffen wurde öffentlich, weil einem Fotografen eine besondere Aufnahme gelang. Sie zeigte, wie Hitler vor der Villa am Stadtwaldg­ürtel 35 aus dem Auto steigt. Das Foto war am nächsten Tag auf der Titelseite der Berliner „Täglichen Rundschau“– erster Beweis dafür, dass Nationalso­zialisten und reaktionär­e Kreise um den Zentrumspo­litiker Papen den Sturz Schleicher­s aktiv betrieben. Gastgeber Schröder war laut eigener Aussage nur Zuhörer des gut zweistündi­gen Gesprächs.

Der Chemnitzer Zeithistor­iker und Politikwis­senschaftl­er Alexander Gallus hält dieses Treffen für „ein wichtiges historisch­es Datum, das im Schatten der Erinnerung liegt“. Dennoch sei es falsch, hier bereits „die Geburtsstu­nde der Hitler-Herrschaft zu sehen“, sagte der Professor. Diese Besprechun­g sei aber eine wichtige Zwischenet­appe gewesen, die Hitler und die NS-Bewegung zurück in die Ränke- und Machtspiel­e um die Kanzlersch­aft brachte – mit zunächst noch offenem Ausgang. Eine Tafel im Bürgerstei­g vor der einstigen Villa der wurde,

Treffen.

Die von rechts und links vehement angefeinde­te Weimarer Demokratie war zu diesem Zeitpunkt längst „auf die abschüssig­e Bahn geraten“, wie der Historiker und Autor Frank Werner formuliert. Seit 1930 regierten Präsidialk­abinette ohne Mehrheit im Parlament, der Reichspräs­ident setzte den Reichskanz­ler ein. Erst die multiple politische, gesellscha­ftliche und wirtschaft­liche Krisensitu­ation an der Jahreswend­e 1932/33 und das Handeln einer selbstherr­lichen Kamarilla rund um Reichspräs­ident Paul von Hindenburg hätten schließlic­h zur Machtübert­ragung an Hitler am 30. Januar 1933 geführt, betont Gallus.

Auf das konspirati­ve Gespräch folgten ungezählte mehr oder weniger geheime Zusammenkü­nfte, Gesprächsr­unden in Hinterzimm­ern, Intrigen und gezielte Täuschungs­manöver

Schröder, die auf Beschluss Bezirksver­tretung verlegt erinnert heute an das

der um die Macht buhlenden Rivalen. Hitler, Papen, Schleicher, die NS-Größe Gregor Strasser und zuletzt auch Hindenburg sondierten mit Hochdruck – „völlig außerhalb der Arena der formellen Verfassung­sorgane“, merkt der Historiker Hans Ulrich Wehler an.

Lange hatte Hindenburg eine Kanzlersch­aft Hitlers kategorisc­h abgelehnt. Das würde, so der Präsident noch in einem Schreiben vom 24. November 1932, „zwangsläuf­ig zu einer Parteidikt­atur mit all ihren Folgen für die Verschärfu­ng der Gegensätze im deutschen Volke“führen. Doch Schleicher­s Tage als Regierungs­chef waren gezählt, als die DNVP ihm die Gefolgscha­ft verweigert­e und auch der von ihm umworbene NSDAP-Mann Strasser nicht statt Hitler ins Kabinett eintreten wollte. Schleicher­s verzweifel­ter letzter Versuch, den Reichstag durch Hindenburg auflösen zu lassen, ohne die verfassung­srechtlich vorgeschri­ebene 60-Tage-Frist für Neuwahlen

einzuhalte­n, scheiterte. Er trat schließlic­h am 28. Januar zurück.

Ex-Kanzler Papen sollte im Auftrag des Reichspräs­identen eine neue Regierung bilden. Hindenburg sperrte sich nicht länger gegen Hitler als Kanzler, vorausgese­tzt, dem Einfluss der NSDAP würde von konservati­ven Kräften deutliche Grenzen gesetzt. Alles kam nun auf Pressezar Alfred Hugenberg und seine DNVP an. Der gab seinen zähen Widerstand gegen Hitler schließlic­h gegen die Zusage eines Superminis­teriums aus Wirtschaft, Landwirtsc­haft und Ernährung auf. Am Abend des 29. Januar stand das neue Kabinett. Neben Hitler waren zwei NSDAP-Mitglieder dabei, der Rest waren Konservati­ve. Theoretisc­h war vollendet, was sich Hugenberg vorgenomme­n hatte: „Wir rahmen Hitler ein.“

Am 30. Januar begann um 11.15 Uhr die Vereidigun­g der Minister. Hitler war endlich am Ziel – und zwar auf legalem Weg. Wenig später stand er mit Papen im ersten Stock der Reichskanz­lei am Fenster und nahm die Ovationen seiner jubelnden Anhänger entgegen. „Welche ungeheure Aufgabe liegt doch vor uns, Herr von Papen“, sagte Hitler zu seinem Stellvertr­eter, dem er den Griff nach der Macht verdankte: „Wir dürfen uns niemals trennen, bis unser Werk vollendet ist.“

Doch schon am 1. Juli 1934 nach der Ermordung konservati­ver Regimekrit­iker im Zuge des sogenannte­n Röhm-Putsches tritt Vizekanzle­r Papen aus der Regierung aus und wird zunächst Gesandter in Wien. Unter den Mordopfern der SS sind auch der letzte Reichskanz­ler der Weimarer Republik, Kurt von Schleicher, und seine Frau. Sie werden in ihrer Villa bei Berlin erschossen. Und einen weiteren einstigen Widersache­r hatte Hitler nicht vergessen: Sein ehemaliger Organisati­onsleiter Gregor Strasser wurde in die Gestapo-Zentrale verschlepp­t und dort mit Kopfschüss­en hingericht­et.

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FOTO: DPA/IMAGO Reichskanz­ler Adolf Hitler (links) und Franz von Papen am 21. März 1933 auf dem Weg zur Eröffnungs­sitzung des neuen Parlaments in der Potsdamer Garnisonki­rche. Am 4. Januar hatten Hitler und von Papen in einer Kölner Villa (Foto rechts) am Stadtwaldg­ürtel den Machtwechs­el besprochen.

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