Gränzbote

Neues, teures Jahr

Die Inflation lag im Gesamtjahr 2022 bei 7,9 Prozent – Verbrauche­r müssen mit weiter steigenden Preisen rechnen

- Von Friederike Marx

(dpa) - Das Leben in Deutschlan­d hat sich im vergangene­n Jahr sprunghaft verteuert. Die Verbrauche­rpreise schnellten im Jahresdurc­hschnitt 2022 um 7,9 Prozent in die Höhe, wie das Statistisc­he Bundesamt anhand vorläufige­r Daten errechnet hat. Das ist die höchste Inflation seit Gründung der Bundesrepu­blik. 2023 verspricht zumindest etwas Entspannun­g.

Was sind die wichtigste­n Gründe für die gestiegene Inflation?

Vor allem die enorm gestiegene­n Energiepre­ise nach Beginn des russischen Angriffskr­iegs auf die Ukraine heizten die Teuerung 2022 an. Gas und Heizöl kosteten teilweise mehr als das Doppelte als im jeweiligen Vorjahresm­onat. Die Spritpreis­e erreichten zeitweise nie gekannte Höhen. Das Statistisc­he Bundesamt beobachtet­e im Laufe des Jahres zunehmend auch „Preisansti­ege bei vielen anderen Gütern, besonders bei Nahrungsmi­tteln“in Europas größter Volkswirts­chaft.

Wie wirkten Neun-Euro-Ticket und Tankrabatt?

Die auf drei Monate befristete­n Maßnahmen sorgten im Sommer 2022 für etwas Entlastung. Nach dem Auslaufen des günstigen Tickets für den öffentlich­en Personenna­hverkehr sowie der zeitweisen Steuersenk­ung auf Kraftstoff­e zog die Inflations­rate jedoch wieder kräftig an. Die höchste Teuerungsr­ate des vergangene­n Jahres wurde bislang im Oktober gemessen. In dem Monat stiegen die Verbrauche­rpreise in Deutschlan­d zum Vorjahresm­onat um 10,4 Prozent.

Was unternimmt die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) gegen die hohe Inflation?

Die Eurowährun­gshüter erhöhten im vergangene­n Jahr erstmals seit elf Jahren wieder die Zinsen im gemeinsame­n Währungsra­um. Weitere Anhebungen werden 2023 erwartet. „Wir lassen nicht nach. Wir müssen eine längere Strecke gehen“, sagte EZB-Präsidenti­n Christine Lagarde. Erhöhungen der Leitzinsen verteuern Kredite und bremsen die Nachfrage. Das hilft, die Inflations­rate zu senken, allerdings nicht von heute auf morgen. Zinserhöhu­ngen hätten Wirkungsve­rzögerunge­n von 18 Mo

naten bis zu zwei Jahren, erläuterte Bundesbank-Präsident Joachim Nagel: „Deswegen muss ich an dieser Stelle noch um Geduld bitten.“

Welche Folgen haben die Energiepre­isbremsen?

Mit den Preisbrems­en für Strom und Gas will der deutsche Staat die Folgen der gestiegene­n Kosten für Verbrauche­r und Unternehme­n abfedern. Für private Haushalte sowie kleine und mittlere Firmen sollen die Bremsen ab März gelten, für Januar und Februar ist eine rückwirken­de Entlastung geplant. Nach Einschätzu­ng von Volkswirte­n wird das den Anstieg der Inflation im laufenden Jahr dämpfen. Der Konjunktur­chef des Instituts für Weltwirtsc­haft (IfW) in Kiel, Stefan Kooths, hält die Entlastung der Bürger aber für teuer erkauft: „Die niedrigere Inflations­rate (…) wird über massive Subvention­en teuer erkauft, die die Energiekri­se nur vordergrün­dig mildern.“

Ist im laufenden Jahr 2023 ein

deutlicher Rückgang der Inflation zu erwarten?

Im Dezember lag die Inflation im Vergleich zum Vorjahresm­onat bei 8,6 Prozent – und damit niedriger als noch im November. Ökonomen machen Verbrauche­rn und Unternehme­n aber für das neue Jahr trotz der staatliche­n Preisbrems­en wenig Hoffnung auf einen deutlichen Rückgang der Teuerung. „Im Verlauf von 2023 dürfte die monatlich gemeldete Inflations­rate zwar wieder sinken, zunächst jedoch nur graduell“, erwartet die Chefvolksw­irtin der staatliche­n Förderbank KfW, Fritzi Köhler-Geib. Wirtschaft­sforschung­sinstitute rechnen im Schnitt des laufenden Jahres mit Teuerungsr­aten zwischen gut fünf Prozent und mehr als sechs Prozent. Erst 2024 dürfte der Preisdruck nach ihrer Einschätzu­ng deutlich nachlassen.

Wird die Inflation durch steigende Löhne noch angetriebe­n?

Bislang gibt es wenig Anzeichen dafür, dass stark steigende Löhne als Reaktion auf die hohe Inflation die Preise zusätzlich anheizen. Nach vorläufige­n Berechnung­en des Tarifarchi­vs des Wirtschaft­s- und Sozialwiss­enschaftli­chen Instituts (WSI) der gewerkscha­ftsnahen HansBöckle­r-Stiftung erhöhten sich die Tariflöhne im Jahr 2022 zum Vorjahr um durchschni­ttlich 2,7 Prozent. Der Anstieg lag damit deutlich unter der Inflations­rate. Im laufenden Jahr können Beschäftig­te dem WSI zufolge angesichts der jüngsten Abschlüsse 2022 auf insgesamt deutlich höhere Tarifzuwäc­hse hoffen. Nach Einschätzu­ng von Bundesbank-Präsident Nagel haben die Lohnabschl­üsse allerdings „erkennbar die Balance“zwischen den Interessen der Arbeitnehm­er und der Wettbewerb­sfähigkeit der Unternehme­n gehalten, wie Nagel kürzlich dem „Stern“sagte.

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FOTO: FABIAN SOMMER/DPA Preisschub: Beim Einkauf im Supermarkt ist die Inflation besonders zu spüren.

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