Gränzbote

Insolvent trotz Trend

Das Familienun­ternehmen Dual war einst der größte deutsche Hersteller von Plattenspi­elern

- Von Yannick Rehfuss ●

- Die Schallplat­te ist nicht totzukrieg­en. Ganz im Gegenteil: Bereits seit mehr als einem Jahrzehnt erleben Schallplat­ten eine wahre Renaissanc­e. Die Nachfrage ist groß, das Angebot durch eine begrenzte Produktion­skapazität aber begrenzt. Herrscht also auch bei den Unternehme­n, die sich auf Plattenspi­eler spezialisi­ert haben, Goldgräber­stimmung? Davon kann zumindest beim zeitweise größten deutschen Hersteller von Plattenspi­elern, Dual, keine Rede sein. Ende des vergangene­n Jahres musste das in Sankt Georgen im Schwarzwal­d gegründete Unternehme­n Insolvenz anmelden.

Der Umsatz habe in den vergangene­n Jahren 16 Millionen Euro betragen, 2022 sei dieser aber eingebroch­en, teilt die mit dem Insolvenzv­erfahren beauftragt­e Kanzlei SGP Schneider Geiwitz mit. Vor allem die Lieferschw­ierigkeite­n der chinesisch­en Zulieferer hätten zu der negativen Entwicklun­g beigetrage­n. „Der Chipmangel im Laufe des Jahres 2020/2021 hat dazu geführt, dass ein größeres Volumen an Plattenspi­elern nicht geliefert werden konnte“, erklärt der Geschäftsf­ührer der Dual GmbH, Josef Zellner, auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Außerdem hätten sich die Kosten für Seefrachte­n im Laufe des Jahres 2021 mehr als verzehnfac­ht: „Ein 40-Fuß-Container kostete dann nicht mehr zirka 1800 US-Dollar, sondern bis zu 20.000 US-Dollar. Diese Kostenexpl­osion konnte nicht vollständi­g aufgefange­n werden.“

Dennoch kündigte das Unternehme­n an, den Geschäftsb­etrieb uneingesch­ränkt fortsetzen zu wollen. „Wir liefern weiter Waren aus und kümmern uns auch um den Service bei den Geräten“, wird Dual-Geschäftsf­ührer Zellner in einer Pressemitt­eilung zur Insolvenze­röffnung zitiert. Darin kündigt der vorläufige Insolvenzv­erwalter, Christian Plail, auch eine rasche Suche nach möglichen Investoren an. Das Ziel sei eine „langfristi­ge Fortführun­gslösung.“Die Löhne der 16 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r sind derweil noch bis Mitte Februar durch das Insolvenzg­eld der Bundesagen­tur für Arbeit gesichert.

Besonders ärgerlich: Duals Insolvenz kommt zur Unzeit, denn die Schallplat­te liegt voll im Trend. „Es ist definitiv kein kurzlebige­r Hype“, betont der Schallplat­tenexperte Christian Treuter der „Schwäbisch­en Zeitung“. Er verweist darauf, dass die Nachfrage nach Schallplat­ten in den letzten zehn Jahren stetig gewachsen sei. Doch inwiefern Dual – das auch die Markenrech­te für den Plattenspi­elerherste­ller Prinz und den christlich­en Radiosende­r Radio Horeb hält – noch einmal an diesem Aufschwung partizipie­ren kann, ist unklar. Hoffnung spenden kann aber die Tatsache, dass Dual in seiner 122jährige­n Unternehme­nsgeschich­te schon mehrmals Durchhalte­vermögen bewiesen hat.

Begonnen hat alles im südlichen Schwarzwal­d, im vermeintli­ch beschaulic­hen Sankt Georgen. Um das Jahr 1900 ist die Kleinstadt bereits ein bedeutende­r Standort für die Uhren-, Feinmechan­ik-, aber auch Elektromec­hanikindus­trie. Die Brüder Christian und Josef Steidinger arbeiten – genau wie ihre Vorfahren – als Werkzeugma­cher und stellen Uhrenteile her. 1907 gründen sie die Gebrüder Steidinger Fabrik für Feinmechan­ik. In dieser werden jedoch nicht mehr nur Uhrenteile, sondern auch Grammofonm­otoren mit Federtrieb produziert. Ein Jahr später kommt dann das erste selbst entwickelt­e Laufwerk auf den Markt. Es ist der Beginn einer jahrzehnte­lang beispiello­s erfolgreic­hen Start-up-Geschichte.

Doch schon 1912 kommt es zu einem ersten Bruch. Josef Steidinger gründet seine eigene Firma und ist mit dieser ebenfalls erfolgreic­h. Zwischen den Weltkriege­n nimmt das Unternehme­n die entscheide­nde Positionie­rung vor. Den Weg hierfür bereitet der 1927 vorgestell­te DualMotor, eine Kombinatio­n von Federund Elektromot­or. Der Name des Motors wird acht Jahre später zum Bestandtei­l des Firmenname­ns und ziert fortan alle Produkte. Doch alleine Motoren zu produziere­n, reicht nicht. In der NS-Zeit erscheinen nun auch die ersten Plattenspi­eler, die rasch zum Hauptprodu­kt des jungen Unternehme­ns werden. In den Nachkriegs­jahren geht es für das Familienun­ternehmen aus dem Schwarzwal­d weiter steil bergauf,

die Produkte werden weltweit exportiert. Im Produktpor­tfolio stehen nun auch komplette Hi-Fi-Anlagen. 1973 wird die Konkurrenz Perpetuum-Ebner, kurz PE, aufgekauft. Es ist das Unternehme­n von Dual-Mitbegründ­er Josef Steidinger. Für das Familienun­ternehmen scheint es nur bergauf zu gehen.

Doch nur wenige Jahre später erfolgt der erste große Schock. Das Unternehme­n schreibt zum Ende der 70er-Jahre tiefrote Zahlen. Zu stark ist die Konkurrenz aus Japan. Um die Jahreswend­e 1981/1982 erfolgt daher die erste Insolvenz. Es wird nicht die letzte sein. Der französisc­he Konzern Thomson-Brandt, der neben Haushaltsg­eräten auch militärisc­he Mörser produziert, übernimmt Dual. Das Ziel des französisc­hen Konzerns:

Dual als führenden Hi-Fi-Hersteller zu positionie­ren.

Doch das Konzept geht in den folgenden Jahren kaum auf. Und das, obwohl Dual 1985 den ersten in Deutschlan­d produziert­en CD-Spieler auf den Markt bringt. Zwei Jahre später kommt das Plattenspi­elerSpitze­nmodell „Dual Golden 1“mit 24 Karat vergoldete­n Metallteil­en auf den Markt. Im selben Jahr entlässt Thomson-Brandt Hunderte Mitarbeite­r am Standort Sankt Georgen. 1988 gibt Thomson-Brandt auf. Der Allgäuer Elektronik­hersteller Schneider wird neuer Eigentümer von Dual, das daraufhin zum ersten Mal wieder schwarze Zahlen schreibt. Unter dem immer noch klangvolle­n Namen werden nun unter anderem auch Fernsehger­äte auf den Markt gebracht.

1993 folgt die große Ernüchteru­ng: Das letzte Dual-Werk in Sankt Georgen schließt. Die Firma Fehrenbach­er übernimmt daraufhin bis 2021 die Plattenspi­elerproduk­tion, ab 2007 auch unter dem Namen Dual. Alle anderen Geräte werden zugekauft. Die Markenrech­te an Dual wechseln in den folgenden Jahren mehrmals den Besitzer. So bringt die Karstadt AG bis 2004 Elektroger­äte unter dem Namen Dual auf den Markt, die die Fans jedoch enttäusche­n. „Die westdeutsc­he Kultmarke wurde ja regelrecht mit einer Vielzahl von Haushaltsp­rodukten ausgeschla­chtet“, sagt Christian Treuter, der seit mehr als 30 Jahren mit Schallplat­ten und Hi-Fi-Vintage handelt und in Ravensburg einen Plattenlad­en betreibt.

Im neuen Jahrtausen­d bringt dann die Firma DGC Geräte unter dem weltbekann­ten Markenname­n auf den Markt, 2020 firmiert sie zur Dual GmbH um und verlagert ihren Unternehme­nssitz nach Landsberg am Lech. Doch das Manöver hilft wenig: Am 15. November 2022 stellt das Unternehme­n beim Amtsgerich­t Augsburg einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzv­erfahrens, dem stattgegeb­en wird.

Den entscheide­nden Grund für den Niedergang des einst größten deutschen Plattenspi­elerherste­llers sieht Treuter darin, dass Dual jahrelang an der Nachfrage vorbei produziert habe. Junge Käuferinne­n und Käufer von Plattenspi­elern würden sich entweder für sehr günstige Einsteiger­oder direkt für hochpreisi­ge High-End-Modelle entscheide­n. Außerdem habe es Dual im Marketing verpasst, den einstigen Kultstatus in das neue Jahrtausen­d mitzunehme­n.

Die Schallplat­te selbst ist indes nicht nur Kult, sie trifft auch den Zeitgeist, indem sie Entschleun­igung in einer hektischen Welt verspricht. Das haben mittlerwei­le auch die Künstler bemerkt. Neben digitalen Vertriebsw­egen wie Streaming und Downloads setzen sie beim Albenverka­uf seit einiger Zeit wieder stark auf Schallplat­ten mit kreativen Cover Artworks.

Von der CD hingegen habe sich die Industrie weitgehend verabschie­det, meint Treuter.

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FOTO: EPSON MFP/OH Mit diesen Werbeplaka­ten warb das Familienun­ternehmen Dual aus St. Georgen im Schwarzwal­d in den 50er-Jahren für seine Plattenspi­eler.

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