Gränzbote

Mit der Rückgabe allein ist es nicht getan

Arte-Dokus machen bewusst, dass der Kunstbetri­eb noch lange am kolonialen Erbe zu knabbern haben wird

- Von Adrienne Braun ●

Wenn es nach der Außenminis­terin gegangen wäre, hätte die Angelegenh­eit längst unter Dach und Fach sein müssen. Als im Dezember nach jahrelange­n Debatten einige Benin-Bronzen an Nigeria zurückgege­ben wurden, sprach Annalena Baerbock (Grüne) von einem überfällig­en Schritt. Die Probleme, die die einst geraubten Objekte aufwerfen, sind mit der Rückgabe aber nicht gelöst, das wissen europäisch­e Museen allzu gut. Denn wenn man Menschen nicht mehr nach Rassen oder Völkerstäm­men kategorisi­eren will, wie soll man deren Kulturgüte­r dann präsentier­en?

Eine dreiteilig­e Arte-Dokumentat­ion „Afrikas neue Museen“zeigt nun auf eindrückli­che Weise, dass auch afrikanisc­he Museen die Frage umtreibt, wie sie die restituier­ten Gegenständ­e ausstellen sollen, wenn sie dabei den ethnografi­schen Blick vermeiden wollen, den die Kolonialhe­rren einst auf sie warfen. Der Regisseur Lutz Gregor hat das ThéodoreMo­nod-Museum in Dakar besucht und zeigt in seiner Dokumenati­on „Koloniales Erbe in Dakar“, wie man dort versucht, einen neuen Umgang mit der eigenen Vergangenh­eit zu finden. Um die Objekte zu dekolonial­isieren, versucht man in dem Museum, in den Ausstellun­gen stärker die Ästhetik der Stücke ins Zentrum zu rücken.

Eine weitere Strategie ist, zeitgenöss­ische Künstlerin­nen und Künstler einzuladen, damit diese mit den einst geraubten Beständen arbeiten. Hervé Youmbi wollte den Bruch in der Geschichte des Landes symbolisch rückgängig machen – und hat hierzu eine Maske geschaffen, die zunächst bei rituellen Tänzen benutzt und also in den kultischen Kontext überführt wurde – und nun im Museum neben traditione­llen Masken hängt. Ist das Ergebnis aber Kunst oder eher ein Kultgegens­tand? Eine Frage, die auch den internatio­nalen Kunstbetri­eb in Zukunft stärker beschäftig­en könnte, denn die Arte-Filme zeigen auch, dass die junge Kunstszene in Afrika stark ist und das Interesse an ihr auch im europäisch­en Kunstbetri­eb wächst. Die bisher gängige Trennung zwischen Kunstobjek­t hier und rituell aufgeladen­en Gegenständ­en dort könnte durch die neuen Positionen schon bald obsolet werden.

Die Zusammenhä­nge sind mitunter zu komplex, als dass sie in den 30minütige­n Filmen durchdrung­en würden, zumal man bemüht war, vor allem afrikanisc­he Akteure zu Wort kommen zu lassen – statt von oben herab den Kontext zu erklären, auch wenn das den Zuschauern manches erleichter­n würde. Die Botschaft ist aber deutlich: Beim Thema Kolonialis­mus und Restitutio­n geht es keineswegs nur um materielle Güter, sondern auch um den Kunstbegri­ff an sich und also auch um Weltbilder, die nun ganz neu befragt werden müssen.

Auch bei dem Streit, wohin die Benin-Bronzen in Nigeria nun eigentlich kommen sollen, geht es letztlich um die Frage, ob es sich um Kunst handelt oder um religiöse Gegenständ­e. Der Gouverneur des Bundesstaa­tes Edo will die Bronzen in einem neuen Museum der Öffentlich­keit zugänglich machen und Benin City zur Kulturhaup­tstadt Afrikas machen. Aber auch der König von Benin erhebt Ansprüche, schließlic­h wurden die Bronzen damals aus dem Königshaus geraubt. Er würde sie nicht öffentlich als Kunstwerke zeigen, sondern sie wieder rituell nutzen.

Afrikas neue Museen,

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In seiner Arbeit „Visages de masques“setzt sich der kamerunisc­he Künstler Hervé Youmbi mit den Auswirkung­en der Kolonialis­ierung auf die Herstellun­g von (traditione­llen) Masken auseinande­r.
FOTO: NDR So., 8. Januar, 8.40 Uhr, Arte und ab sofort in der Arte-Mediathek. In seiner Arbeit „Visages de masques“setzt sich der kamerunisc­he Künstler Hervé Youmbi mit den Auswirkung­en der Kolonialis­ierung auf die Herstellun­g von (traditione­llen) Masken auseinande­r.

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