Zwei Frauen, viele Hanfsamen und ein Startup
Sonja Baur und Renate Hauser lernen sich im Job kennen und entscheiden sich für einen beruflichen Neustart
- Warum gerade Hanf? Das werden Sonja Baur und Renate Hauser oft gefragt. Die beiden Frauen aus Tuttlingen und Spaichingen haben sich bei der Arbeit bei einem Tuttlinger Medizinproduktehersteller kennen- und schätzen gelernt.
In ihren Gesprächen in den Pausen war gesunde Ernährung oft ein Thema. Nach rund zwei Monaten Zusammenarbeit waren sie sich einig: „Wir machen uns selbstständig.“Anfang Oktober haben sie ihr Unternehmen „Hemp Deluxe“gegründet. Seit Ende November steht ihr Onlineshop.
Können Hanflebensmittel eigentlich ab einer bestimmten Dosierung high machen? Schließlich ist Cannabis eine Droge, die aus der Hanfpflanze gewonnen wird. Nein, betonen beide. Sie setzen auf Bio-Hanfsamenprodukte aus Nutzhanf. Deren THC-Wert (der primäre aktive Inhaltsstoff von Cannabis-Erzeugnissen) liege bei nahezu null. „Unsere Hanfprodukte wirken daher nicht psychoaktiv oder berauschend“, sagt Sonja Baur. Anders verhalte es sich bei Medizinal-Hanf mit um die 20 Prozent THC-Wert.
Halbe Sachen liegen Sonja Baur und Renate Hauser nicht. Nachdem sie sich in so kurzer Zeit einig waren, dass sie gemeinsam einen beruflichen Neustart wagen wollen, haben sie ihre festen Jobs gekündigt und sich Vollzeit um „Hemp Deluxe“, so der Name ihres Startups, gekümmert. „Eigentlich hätten wir noch zwei Leute mehr gebraucht“, meinen sie.
Bei der Gründer-Garage der Industrieund Handelskammer (IHK) haben sie sich Hilfe und Unterstützung geholt. Der Workshop hat sie über mehrere Monate begleitet. Dabei ging es auch ans Eingemachte: Wie sieht das Konzept aus? Gibt es ein Alleinstellungsmerkmal? Schließlich erfinden die beiden Frauen das Rad nicht etwa neu. Anbieter und Onlineshops für Hanfprodukte
gibt es zuhauf. Mit dem Unterschied, dass alle Produkte, egal ob Hanfsamenöle oder Hanfsamen, bei Hemp Deluxe (Hemp ost: Englisch für Hanf) aus Bio-Anbau und ausschließlich aus Deutschland stammen, wie sie sagen. Um das Hanföl zu schützen, setzen sie auf Steinkrüge, die kein Licht durchlassen. Zusammen mit einer regionalen Druckerei sei es gelungen, Etiketten auf Wasserbasis
herzustellen, die ohne Klebereste oder Schrubben entfernt werden können.
Sie sehen die Hanfprodukte als heimisches Superfood an, zumal die Hanfsamen auch bei einer Nuss-Allergie eine Alternative sein könnten. Hanf stecke voller Vitamine, Mineralstoffe und mehr und könne auch beim Abnehmen helfen, denn er aktiviere den Stoffwechsel, sagen sie. „Die Feinschmecker-Küche entdeckt den Hanfsamen gerade“, betont Renate Hauser.
Sonja Baur ist diplomierte Betriebswirtin und bringt in Marketing und Kommunikation Berufserfahrung mit. Renate Hauser hat ebenfalls einen kaufmännischen Hintergrund und zeichnete zuletzt für die technische Dokumentation eines Medizinprodukteherstellers verantwortlich. Zudem ist sie nebenberuflich für die Buchhaltung einer Anwaltskanzlei zuständig. Diese Kenntnisse waren beim Start in die Selbstständigkeit wertvoll. Zudem ergänzen sich die beiden Gründerinnen in den Aufgabenbereichen Marketing, Vertrieb, Buchhaltung und Administration.
Die Reaktionen aus dem Freundeskreis auf den Neustart seien zunächst erstaunt, dann aber positiv gewesen, sagt Hauser. „Es steht eine Sinnhaftigkeit dahinter“, ergänzt Baur. Und jede Menge Mut. Bereut haben sie ihren Schritt nicht. Im Onlinehandel haben sie vor Weihnachten eine gestiegene Nachfrage bemerkt. Großen Wert legen sie auf den Ausbau des Vertriebsnetzes durch regionale Einzelhändler. Fünf Geschäfte im Kreis Tuttlingen und insgesamt rund ein Dutzend in Baden-Württemberg führen ihre Produkte.
„Wir sind überzeugt davon, was wir machen“, betont Sonja Baur. Sie freut sich, dass sie auch von der Familie und dem Freundeskreis Unterstützung erfahre. Sie verhehlt aber auch nicht, dass sie ganz am Anfang stünden. Um den Lebensunterhalt damit zu bestreiten, reicht es ohne den Gründerzuschuss momentan noch nicht. „Aber fragen Sie uns das in einem Jahr nochmal“, so Baur.