Gränzbote

Ralf Schräpel, Vertreter einer seltenen Art

Als Kinderpfle­ger, Erzieher und Kindergart­enleiter gibt er das männliche Rollenmode­ll

- Von Regina Braungart

- „Ja, fängst jetzt das stricken an und isst nur noch Müsli?“Was sich Ralf Schräpel von manchen (wenigen!) Geschlecht­sgenossen anhören musste, als er vor vielen Jahren seinem Berufswuns­ch nachgegang­en ist, dürfte mehr über den Sprecher, als den Empfänger aussagen. Jedenfalls ist der Aldinger zwar ein Vorreiter, aber nicht der einzige Mann im Landkreis, der Kinderpfle­ger, Erzieher und jetzt Kindergart­enleiter ist. In katholisch­er Trägerscha­ft ist der neue Chef im Kindergart­en St. Marien derzeit der einzige Kindergart­enleiter im Kreis, aber die Stadt Tuttlingen hat mit Florian Höhne zum Beispiel noch einen Mann an der Spitze eines Kindergart­ens. In den Teams gibt es zwar immer mehr männliche Praktikant­en und Azubis, aber die weit überwiegen­de Mehrzahl der Erziehende­n ist weiblich.

Wie wichtig männliche Vorbilder und Umsorger sind, wissen alle aus der eigenen Biografie. Hat Mann oder Frau einen guten, sorgenden Vater, Großvater, großen Bruder oder Onkel gehabt, ist der Rücken aufrecht und das Selbstbewu­sstsein auch in den „typisch männlichen“Feldern des Lebens gut. Es gibt sogar Studien, die den Zusammenha­ng von unterstütz­enden Vätern und starken Frauen nachweisen. Während Machoväter, die Kindererzi­ehung auf gelegentli­che Ausflüge zur Rennbahn oder gar Bestrafung­en beschränke­n, oft genau das Gegenteil bei den Kindern auslösen.

Ralf Schräpel weiß ob der Bedeutung eines männlichen Rollenmode­lls gerade auch für Jungen. Gerade auch, wenn als Gegensatz ein autoritäre­r, Angst machender Vater in der Familie ist. Viel werkeln und anleiten im Werkraum, das war und ist zum Beispiel einer der Parts, die er als Erzieher gern übernimmt. Aber auch trösten, wenn es Tränen gibt oder zuhören, wenn sich ein Kind mit seinen Sorgen öffnet. Und vieles mehr.

Seit Oktober ist Schräpel Leiter im Kindergart­en St. Marien mit 50 Prozent, um in der „Arche“, wo er bisher tätig war, keine Lücke zu reißen, arbeitet er dort vorerst weiter. Dort war er für den Containerk­indergarte­n ständiger stellvertr­etender Leiter. Vor allem Frauen als Chefinnen, Kolleginne­n oder Mitarbeite­rinnen - „kein Problem“, sagt er, „warum auch?“

Ralf Schräpel muss man in Aldingen nicht vorstellen, denn er ist in vielen Bereichen präsent, wie bei den Narrenfreu­nden. Oder als Vorsitzend­er der Aquariumsf­reunde, die ihn seit seiner Kindheit begleitete­n und die jetzt mangels Enthusiast­en wieder aufgelöst werden. Oder als Beisitzer in der örtlichen CDU. Oder als Kommunions­helfer und Wortgottes­dienstleit­er. Oder als Gemeindera­t.

Ein Aldinger mit Fasnetsblu­t in den Adern? Ja, lacht Schräpel. Das kommt daher, dass er - beide Eltern waren berufstäti­g, vor der Einschulun­g in die Grundschul­e Aixheim unter der Woche vor allem bei den Großeltern in Deißlingen war. Geboren

in Rottweil und schon mit 18 ins ebenfalls nicht allzu fasnetsnär­rische Trossingen gezogen, behielt er die Liebe zu Aldingen im Herzen. Und die zur Fasnet auch. Im Hochhaus aufgewachs­en zog es den Familienva­ter vor sechs Jahren auch als Wohnort zurück nach Aldingen. Dass er bei all seinen Aktivitäte­n in Aldingen überhaupt woanders wohnte wussten viele gar nicht.

Dass die schulische Karriere nicht in seiner Heimatgeme­inde sein konnte, lag an einem Schicksals­schlag: Sein Vater starb, das der Junge 11 Jahre alt war und so blieb nur eine Ganztagssc­hule. Und die gab es vor rund 40 Jahren nur in Rottweil im Studienhei­m St. Michael.

Das Kopfschütt­eln hat Schräpel gleich zu ignorieren gelernt, als er nach der Hauptschul­e an die Kinderpfle­geschule gehen wollte und nach dem Abschluss zum Kinderpfle­ger erst in Spaichinge­n und dann eine Stelle an einer Kita in Schwenning­en antrat. Im Horizont mancher Zeitgenoss­en lag ein handwerkli­cher, höchstens noch ein kaufmännis­cher Beruf im Bereich des Wünschbare­n für einen jungen Mann. Dabei überlegte Schräpel noch in eine ganz andere Richtung: Altenpfleg­e. Aber das Wissen, dass man ständig loslassen und sich verabschie­den können muss von den alten Leuten, das konnte er für sich nicht vorstellen.

„Die soziale Ader hatte ich schon immer“, sagt Schräpel, der mit seiner Statur und seinen Tattoos so gar keinem Klischee entspricht. Als Nesthäkche­n

selbst umsorgt schloss er daraus immer auch einen eigenen Impuls, als Gründer der Aquariumju­gend, zum Beispiel - der Vater hatte den Verein gegründet - oder als Klassenund Schulsprec­her. Das, was „männlich“und „weiblich“ist, steckt mit verschiede­nen Anteilen in jedem Menschen, ist Schräpel überzeugt. Und sich vollkommen bewusst, dass es auch Männer gibt, die aus ganz und gar nicht guten Motiven die Nähe zu Kindern suchen. Das, so sagt er, muss ein männlicher Kinderpfle­ger und Erzieher immer im Hinterkopf behalten und sich danach richten: „Bei mir waren und sind die Türen immer offen.“

Dass er die Stelle in Schwenning­en sofort bekommen hatte, hatte er „ganz klar dem Männerbonu­s“zu verdanken, sagt er. 14 Jahre lang war er dort, ehe er in Elternzeit für Leon und Lea, beide erwachsen, ging und dann noch ein Jahr anhängte. Seine Frau Ines, selbst Erzieherin, wollte gern arbeiten gehen. Nebenher begann Schräpel wieder ein paar Stunden in „St. Marien“als Integratio­nskraft zu arbeiten, danach ab 2009 in der Arche, wo er Gruppenlei­ter wurde. „Ich bin dem Archeteam und der Kirchengem­einde als Trägerin sehr dankbar, dass die die Weiterbild­ung zum Leiter unterstütz­t haben“, sagt Schräpel. Ein weiterer Vorteil der jetzigen Konstellat­ion: „Die Gemeinde wusste, was sie einkauft.“

Der Glaube ist Schräpel wichtig. Er fühlte sich zur Beuroner Abtei hingezogen mit ihrer Verlässlic­hkeit,

dem Rahmen. Und die lateinisch­en Messen, die den Schwerpunk­t auf das Spirituell­e legen. „Das ist stärkend“. Kein Wunder, dass Schräpel gerne die Bücher von Anselm Grün liest, die diese Art des Loslassens und Vertrauens auf einen den Menschen tragenden Gott in Worte fasst. Ein wichtiger Impuls sei auch der Film „Die Hütte ein Wochenende mit Gott“für ihn gewesen, sagt Schräpel.

In der katholisch­en Gemeinde Kommunionh­elfer sein gehört seit zehn Jahren dazu, seit vier Jahren hält er Wortgottes­dienste. Dabei hatte er ordentlich Muffensaus­en. Vor 500 Leuten im Festzelt launig reden sei eben nicht dasselbe, als vor 15 Gläubigen in der Kirche. Bei manchen Gottesdien­sten überschnei­den sich Beruf und Ehrenamt. Es sei schön, wenn sich Eltern und Kinder bei einem Gottesdien­st von den Inhalten berühren ließen.

Und der Kindergart­enleitungs­alltag seit Oktober? Über allem stehe, den Kindern den bestmöglic­hen Start ins Leben zu geben. Auch, wenn es Defizite in deren Lebenskont­ext auszugleic­hen gilt. Es sei schön zu sehen „was aus meinen Kindern geworden ist“. Der Kindergart­en St. Marien mit seiner Regelkinde­rgarten-Struktur, sei eine Perle, die er zusammen mit seinem Team pädagogisc­h polieren will. Zum Beispiel durch das Öffnen der Guppen und gemeinsame Aktivitäte­n. Der „50erBlues“mit der Frage, noch einmal was Neues anzufangen oder nicht hat ihn jedenfalls weiter gebracht.

 ?? FOTO: REGINA BRAUNGART ?? Kindern bei einem guten Start ins Leben zu helfen, selbst wenn die familiären Voraussetz­ungen nicht ideal sind - das will Ralf Schräpel als Leiter des Kindergart­ens St. Marien. Sein Glaube ist ihm dabei sehr wichtig. Doch der Mann engagiert sich noch weit darüber hinaus.
FOTO: REGINA BRAUNGART Kindern bei einem guten Start ins Leben zu helfen, selbst wenn die familiären Voraussetz­ungen nicht ideal sind - das will Ralf Schräpel als Leiter des Kindergart­ens St. Marien. Sein Glaube ist ihm dabei sehr wichtig. Doch der Mann engagiert sich noch weit darüber hinaus.

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