Gränzbote

Deutschlan­d verfehlt Klimaziele erneut

CO2-Bilanz durch verstärkte­n Einsatz von Öl und Kohle belastet – Habeck gelobt Besserung

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(dpa/epd) - Deutschlan­d hat seine selbst gesteckten Klimaziele nach Berechnung­en der Denkfabrik Agora Energiewen­de im vergangene­n Jahr offenbar erneut verfehlt. Nach vorläufige­n Zahlen stagnierte der Ausstoß an Treibhausg­asen 2022 demnach bei 761 Millionen Tonnen Kohlendiox­id (CO2). Der Verkehrsun­d der Gebäudesek­tor hätten die Klimaziele laut der aktuellen Studie erneut verpasst. Der Gebäudeber­eich habe das Ziel um fünf Millionen Tonnen überzogen, der Verkehrsbe­reich um elf Millionen Tonnen. Die Bereiche Energiewir­tschaft, Industrie, Land- und Abfallwirt­schaft haben den Angaben zufolge ihre Ziele wiederum eingehalte­n. Damit hätte die Bundesrepu­blik 39 Prozent an Emissionen im Vergleich zu 1990 eingespart. Eigentlich galt schon für 2020 ein Sparziel von 40 Prozent. Es wäre nach 2020 und 2021 die dritte Zielverfeh­lung in Folge. Endgültige Zahlen wird das Umweltbund­esamt im März vorstellen.

Klima- und Wirtschaft­sminister Robert Habeck, der am Mittwoch zu einer Reise in Sachen Energiepol­itik nach Norwegen aufbrach, bezeichnet­e vor seiner Abreise vor allem den Verkehrsbe­reich als „Sorgenkind“. Umweltschü­tzer reagierten besorgt bis empört und forderten insbesonde­re Bundesverk­ehrsminist­er Volker Wissing (FDP) zum Handeln auf.

Simon Müller, Deutschlan­d-Direktor von Agora, sprach derweil von einem Alarmsigna­l und bemängelte: „2022 sind die Klimaziele aufgrund kurzfristi­ger Maßnahmen für die Energiesic­herheit ins Hintertref­fen geraten.“Bis 2030 soll der Ausstoß an Treibhausg­asen um 65 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 sinken. Zwar sei der Energiever­brauch im vergangene­n Jahr um 4,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken, unter anderem wegen massiver Preissteig­erungen bei Erdgas und Strom und milder Witterung, so die Denkfabrik. Der stärkere Einsatz von Kohle und Öl habe die Emissionsm­inderungen durch Energieein­sparungen jedoch zunichtege­macht. Insbesonde­re in den Bereichen Verkehr und Gebäude klaffe eine Lücke, worauf auch der Expertenra­t der Bundesregi­erung bereits hingewiese­n hatte. Das Klimaschut­zprogramm der Bundesregi­erung, das dies adressiere­n soll, steht allerdings noch aus.

Minister Habeck mahnte Fortschrit­te an. „Unser Sorgenkind ist der Verkehrsbe­reich, in dem die CO2Emissio­nen erneut gestiegen sind“, sagte der Grünen-Politiker laut Mitteilung. „Alle bisher vorgesehen­en Maßnahmen reichen nicht, um hier die große CO2-Lücke zu schließen.“Es bestehe „dringender Handlungsb­edarf“.

Generell sollen bis 2030 nach den Plänen der Regierung 80 Prozent des Bruttostro­mverbrauch­s aus erneuerbar­en Quellen wie Wind und Sonne gedeckt werden. Um dies zu erreichen, müsste sich die Zubaugesch­windigkeit bei Solaranlag­en laut Agora, dessen Ex-Chef Patrick Graichen inzwischen Staatssekr­etär in Habecks Ministeriu­m ist, mehr als verdoppeln. Bei Windkrafta­nlagen an Land müsste sie sich mehr als verdreifac­hen und bei Windparks auf See sogar mehr als verachtfac­hen. Habeck sagte dazu: „Die Maßnahmen zur Beschleuni­gung werden 2023 wirksam werden.“

In Norwegen, laut Regierung Deutschlan­ds derzeit „wichtigste­m Energielie­feranten“, spricht Habeck über Windenergi­e auf See, den Ausbau der Infrastruk­tur für erneuerbar­e Energien und die Rolle von Wasserstof­f.

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FOTO: U. J. ALEXANDER/IMAGO 2022 wurde in Deutschlan­d wieder mehr Kohle verstromt – wie hier im Großkraftw­erk Mannheim.

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