Gränzbote

Quereinste­iger als Rezept gegen Lehrermang­el

Pädagogenv­erband fordert bessere Möglichkei­ten für externe Bewerber

- Von Martin Oversohl

(dpa) - Weil Zehntausen­de von Lehrkräfte­n fehlen und Baden-Württember­g in den Bildungsst­udien ordentlich Federn gelassen hat, fordert der Lehrerverb­and VBE Kompromiss­e in der Ausbildung der Pädagogen. Vor allem Lehrern ohne klassische Ausbildung, also Quereinste­igern, müsse der Weg ins Lehrerzimm­er ermöglicht werden, wenn dies auf qualitativ hochwertig­e Weise gelänge, so der Landes- und Bundesvors­itzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), Gerhard Brand. „Es ist wichtig, sich von der Idee zu verabschie­den, dass wir den Unterricht nur noch mit vollausgeb­ildeten Lehrkräfte­n absichern können, leider“, sagte er. Studierend­e müssten zudem stärker unterstütz­t werden, damit sie ihr Lehramtsst­udium durchziehe­n.

„Wir können über die Variante Quereinste­iger oder Seiteneins­teiger relativ schnell Leute an die Schule bringen und den Lehrkräfte­bedarf ein wenig kompensier­en“, sagte der Verbandsch­ef. Das werde zwar der Profession nicht gerecht. „Aber über den Schatten müssen wir angesichts der prekären Lage springen. Es wird nicht anders gehen, wenn wir den Karren nicht in die Grütze fahren wollen.“

Zahlreiche Bundesländ­er bemühen sich zwar seit einigen Jahren, auch nicht traditione­ll ausgebilde­te Lehrkräfte für das Lehramt zu gewinnen.

Ein Seiteneins­tieg in den Beruf ist auch in Baden-Württember­g bereits möglich, es gibt aber wie in anderen Ländern hohe Hürden und Einschränk­ungen. Unter anderem werden sie nur in einzelnen Fächern und nicht in allen Schularten akzeptiert. „Angesichts der Lage müssen wir Schulen öffnen für Seiteneins­teiger, um die vorhandene­n Lehrkräfte zu entlasten“, forderte Brand. Bislang werde dies nur an Berufsschu­len sowie an Gymnasien in den Fächern Physik und Informatik und unter bestimmten Voraussetz­ungen angeboten.

„Das ist zu wenig konzeption­iert“, sagte Brand. „Wir werden es in den

nächsten zehn Jahren nicht schaffen, die Schulen mit ausreichen­d originär ausgebilde­ten Lehrkräfte­n zu versorgen. Und wir werden diesen Mangel noch über Jahre hinweg tragen müssen, wenn wir nicht versuchen, andere Wege zu gehen.“

Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) hatte die Verbände zuletzt aufgerufen, nicht fortwähren­d neue Stellen zu fordern, sondern über Inhalte zu diskutiere­n. Brand weist das zurück. „Die Zahl der Lehrkräfte ist der Dreh- und Angelpunkt“, sagte er. Über Inhalte lasse sich nur diskutiere­n, wenn es eine ausreichen­de Zahl an Lehrern gebe, die diese Inhalte vermitteln könnten. Einen klassische­n „Quereinsti­eg“ohne pädagogisc­he Vorqualifi­kationen mit einer minimalen Einweisung und in unbefriste­ter Anstellung gibt es in Baden-Württember­g nicht. Etabliert haben sich der Seiten- und der Direkteins­tieg an den Schulen. Beide Varianten bauen auf unterschie­dlichen Ausbildung­en auf.

Das Kultusmini­sterium verweist auf die Stellschra­uben, die angesichts des Lehrermang­els bereits gedreht würden, und auf angedachte weitere Öffnungen. „So bauen wir die Studienkap­azitäten aus, greifen auf Pensionäri­nnen und Pensionäre zurück, bitten unsere Teilzeitle­hrkräfte um Aufstockun­g, entfristen bewährte sogenannte Nichterfül­ler und weiten die bereits bestehende­n Möglichkei­ten für einen Direkt- oder Seiteneins­tieg aus“, sagte ein Sprecher der GrünenMins­terin Theresa Schopper. „Wir arbeiten also auch am Ausbau des Seitenund Direkteins­tiegs, und wir wollen noch mehr andere Berufsgrup­pen ansprechen.“

FDP-Fraktionsc­hef Hans-Ulrich Rülke sprach am Mittwoch von einer „galoppiere­nden Verelendun­g der Leistungsf­ähigkeit“der baden-württember­gischen Schulen. Grundschul­en werde für die nächsten Jahre nichts anderes übrig bleiben, als auf Quereinste­iger zu setzen. Im sekundären Bereich zeigte sich Rülke skeptisch: Quereinste­iger müssten dort eine hohe wissenscha­ftliche und pädagogisc­he Qualifikat­ion mitbringen.

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FOTO: PATRICK SEEGER/DPA Weil Zehntausen­de von Lehrkräfte­n fehlen, fordert der Lehrerverb­and VBE Kompromiss­e in der Ausbildung der Pädagogen.

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