Gränzbote

Trump droht ein Strafverfa­hren

Bericht sieht Verantwort­ung für Sturm auf das Kapitol beim Ex-Präsidente­n

- Von Thomas J. Spang ●

- Donald Trump antwortete auf die Vorladung des Untersuchu­ngskomitee­s zum 6. Januar mit einem mehrseitig­en Wutschreib­en. Darin poltert der mutmaßlich­e Drahtziehe­r des gescheiter­ten Staatsstre­ichs über einen „Schauproze­ss, wie ihn das Land noch nie zuvor erlebt hat“. Dieser sei nicht mehr als eine von „Parteigäng­ern und Gangstern“inszeniert­e „Hexenjagd“. Es gebe „keine Unschuldsv­ermutung, kein Kreuzverhö­r“, heißt es in dem vom

14. Oktober datierten Brief. Kurz vor dem Jahreswech­sel gaben die sieben Demokraten und zwei Republikan­er des auch als „Select Commitee“bekannten Ausschusse­s den Versuch auf, Trump zu befragen. Angesichts des bevorstehe­nden Machtwechs­els im Repräsenta­ntenhaus fehle die Zeit, die gesuchten Informatio­nen zu erhalten. Auch ohne sein Zutun hatte das Komitee genügend belastende­s Material zutage befördert, um der Justiz erstmals in der Geschichte die Strafverfo­lgung eines ehemaligen Präsidente­n zu empfehlen.

In dem zwei Tage vor Weihnachte­n veröffentl­ichten 845 Seiten starken Abschlussb­ericht kommen die Ermittler zu einem eindeutige­n Ergebnis. „Der zentrale Grund für den

6. Januar war ein Mann, der frühere Präsident Donald Trump, dem viele andere folgten.“Das Komitee hat mit der Befragung von mehr als tausend Zeugen und Auswertung von rund einer Million Dokumente über 18 Monate ganze Vorarbeit geleistet. Jetzt liegt es an Sonderermi­ttler Jack Smith zu entscheide­n, ob er einzelne oder alle vier Tatbeständ­e zur Anklage bringt:

Behinderun­g offizielle­r des US-Kongresses

Verschwöru­ng gegen die Vereinigte­n Staaten

Gesetzwidr­ige, falsche oder vorsätzlic­h falsche Aussagen gegenüber der Regierung

Amtsgeschä­fte

Und Hilfe oder Mitwirkung an ● einer Rebellion gegen die Vereinigte­n Staaten.

Das Justizmini­sterium hatte parallel zu der Aufarbeitu­ng des 6. Januars im Kongress eigene Ermittlung­en begonnen. Smith kann, aber muss nicht auf die überstellt­en Unterlagen des Komitees zurückgrei­fen. Sollte er Handlungsb­edarf erkennen, bekäme Trump, was er in dem Brandbrief an das Komitee beanstande­t hatte: ein rechtsstaa­tliches Strafverfa­hren.

Damit teilte der mutmaßlich­e Anstifter des Aufstands das Los von mindestens 964 seiner Anhänger, die sich in den vergangene­n zwei Jahren vor Gericht verantwort­en mussten. So selbstvers­tändlich das klingt, so einzigarti­g wäre das in der Geschichte der USA. Es gibt keine Blaupause für die Anklage gegen einen Ex-Präsidente­n.

Nach den Regeln des Rechtsstaa­ts erwartete Trump dieselbe Behandlung wie alle anderen Angeklagte­n in einem Strafverfa­hren: Er müsste sich den Behörden stellen, seinen Reisepass aushändige­n, ein erkennungs­dienstlich­es Foto (Mugshot) aufnehmen lassen und eine Kaution hinterlege­n. Die Auswahl der unabhängig­en Jury wäre eine Mammutaufg­abe bei einem Mann, den nahezu jeder kennt.

Der Abschlussb­ericht weist nicht nur die Verantwort­ung klar zu, sondern bündelt auch die Argumente. Der Sturm auf das Kapitol sei der letzte Teil „eines mehrteilig­en Plans“gewesen, heißt es in der Zusammenfa­ssung, „das Ergebnis der Präsidents­chaftswahl­en 2020 zu kippen“.

Dieser begann in der Wahlnacht mit Trumps „großer Lüge“von den angeblich gestohlene­n Wahlen, für die der Präsident nicht einen einzigen Beleg liefern konnte.

Der mit sieben Millionen Stimmen Differenz unterlegen­e Präsident übte dann in „mindestens 200“Instanzen Druck auf Gesetzgebe­r und Wahlbeamte in den Bundesstaa­ten aus, die Wahlergebn­isse zu seinen Gunsten zu verändern.

Mithilfe gefälschte­r Wahlleutel­isten aus sieben Bundesstaa­ten versuchte Trump einen Anlass zu schaffen, die Wahlergebn­isse im Kongress anzufechte­n. Er übte Druck auf Vizepräsid­ent Mike Pence aus, die Zertifizie­rung im Kongress am 6. Januar zu verweigern. Parallel trommelte er seine Anhänger auf der Eclipse vor dem Weißen Haus zusammen. In einer Brandrede hetzte er die Menge auf, versprach, mit ihr zum Kongress zu marschiere­n, und versuchte wiederholt, zu den Aufständis­chen zu stoßen.

Über 187 Minuten verfolgte er im Esszimmer des Weißen Haus untätig die eskalieren­de Gewalt und ignorierte die Appelle von Familienan­gehörigen, Beratern und hohen Mitarbeite­rn, die Gewalt zu stoppen. In dieser Zeit gab es im Kapitol zahlreiche verletzte Polizisten und Randaliere­r, eine Angreiferi­n starb durch eine Polizeikug­el. Erst, als die Lage wieder halbwegs unter Kontrolle war, rief Trump dann endlich seine Anhänger über Facebook und Twitter dazu auf, friedlich nach Hause zu gehen.

All das lässt sich detaillier­t in den acht Kapiteln des Abschlussb­erichts nachlesen, der die über den Sommer live übertragen­en öffentlich­en Anhörungen des Untersuchu­ngskomitee­s dokumentie­rt. Dank der multimedia­len Aufbereitu­ng durch den TV-Produzente­n James Goldston erreichten die Ermittler bis zu 18 Millionen Zuschauer – das gibt es sonst nur bei Footballsp­ielen.

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FOTO: IMAGO Der Sturm auf das Kapitol in Washington am 6. Januar 2021: Ex-Präsident Donald Trump trägt hierfür laut Abschlussb­ericht die Verantwort­ung.

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