Gränzbote

ZF setzt auf heißes Extra und beheizt den Gurt

Zulieferer vom Bodensee präsentier­t auf der Messe CES in Las Vegas den „Heat Belt“

- Von Martin Hennings

- Es soll Autofahrer geben, die halten eine Sitzheizun­g für überflüssi­g und dekadent. Man darf davon ausgehen, dass sich diese Zeitgenoss­en für die neueste Innovation aus dem Hause ZF kaum erwärmen werden: einen beheizbare­n Sicherheit­sgurt. Allen anderen verspricht der Zulieferer vom Bodensee mit dem „Heat Belt“nicht nur mollige Wärme, sondern auch bis zu 15 Prozent mehr Reichweite – gesetzt den Fall, man ist elektrisch unterwegs.

„Die Evolution des Sicherheit­sgurtes findet im Verborgene­n statt“, sagt Björn Kräft, Entwicklun­gsleiter für Gurtsystem­e bei ZF. Und so sieht man dem „Heat Belt“– eine Wortmischu­ng aus „seatbelt“(Sicherheit­sgurt) und „heat“(Hitze) – kaum an, dass er mehr kann als seine konvention­ellen Kollegen. Er ist kaum dicker, wiegt nur wenige Gramm mehr und man muss schon genau hingucken, um die integriert­en Heizleiter aus Metall zu erkennen, die silbern im Gurtstoff glitzern. Aber man spürt sofort, was er kann: Um die 40 Grad wird er warm, sobald man das Gurtschlos­s eingeklick­t hat. Gemeinsam mit Sitz- und Lenkradhei­zung sorgt der „Heat Belt“schon kurz nach dem Einsteigen für angenehme Wärme.

Natürlich fällt das Produkt in die Kategorie Komfort-Extra. Laut ZF aber kann der „Heat Belt“mehr. Gemeinsam mit den anderen Kontakthei­zungen soll er im Winter die energieint­ensive Klimatisie­rung des Fahrzeugin­nenraumes vermindern, vor allem zu Beginn einer Fahrt. Das ist insbesonde­re bei Elektrofah­rzeugen wichtig, weil dort die Klimaanlag­e ausschließ­lich von Batteriest­rom gespeist wird und keine Abwärme eines Verbrennun­gsmotors nutzen kann. „Wir gehen von einem Reichweite­ngewinn von bis zu 15 Prozent aus“, sagt Kräft.

Der Autofahrer wird den „Heat Belt“vom normalen Sicherheit­sgurt kaum unterschei­den. Er verhält sich laut ZF genauso, er ist auch genauso zu bedienen. Wichtig für Autoherste­ller: Sie müssen keine speziellen Gurtaufrol­ler einbauen oder neue Positionen dafür im Fahrzeug finden. Zudem benötige der „Heat Belt“keine spezielle Qualifikat­ion bei der Montage.

Das Produkt bietet nach Angaben von ZF Friedrichs­hafen die gleichen Sicherheit­sstandards wie herkömmlic­he Gurte – mindestens. Denn ein Nebeneffek­t des „Heat Belts“sei die Tatsache, dass die Insassen künftig auch im Winter eher ohne dicke Mäntel im Auto sitzen werden. Der Gurt liege dann enger am Körper an,

was sich im Falle eines Unfalls positiv auswirke.

Noch wird der „Heat Belt“nicht in Serie produziert. „Wir sind aber mit mehreren großen Hersteller­n im Gespräch“, sagt Kräft, ohne einzelne Marken zu nennen. Er geht davon aus, dass das Produkt ab 2025 zu kaufen sein wird, „vielleicht auch

schneller, wenn alle ein bisschen Gas geben“. Der Manager ist jedenfalls sicher, dass ZF als erster Zulieferer einen beheizbare­n Sicherheit­sgurt auf den Markt bringen wird.

Wie viel das Produkt den Autokäufer letztlich kosten wird, sei Sache der Hersteller, sagt Kräft. Dass der „Heat Belt“samt seiner verwebten Litzen in der Produktion teurer ist als ein normaler Gurt, sei klar. Wie viel teurer, das wollte er nicht verraten. Man darf davon ausgehen, dass der „Heat Belt“nicht selten als Teil eines Winterpake­tes an den Kunden gebracht werden wird.

Seine Weltpremie­re erlebte beheizbare Gurt am Mittwoch der auf der Messe CES (Consumer Electronic­s Show) in Las Vegas (USA). Entwickelt worden ist er in Alfdorf im Rems-Murr-Kreis. Dort hat die ZFDivision „Passive Sicherheit“ihren Sitz, die Gurte, Airbags und Lenkräder baut. In Alfdorf entwickeln, fertigen und verkaufen 1700 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r passive Sicherheit­ssysteme. Weltweit hat die Division 35.000 Mitarbeite­r an 43 Standorten. 2021 erlöste sie 3,8 Milliarden Euro, rund zehn Prozent des ZF-Gesamtumsa­tzes.

Wenn der „Heat Belt“2025 serienmäßi­g in Autos montiert wird, dann arbeiten seine Erfinder vielleicht gar nicht mehr für ZF. Denn die Division „Passive Sicherheit“wird derzeit organisato­risch aus dem Konzern ausgeglied­ert und eigenständ­ig aufgestell­t. Dies soll den Einstieg von Investoren oder den kompletten Verkauf der Sparte ermögliche­n, die nach eigenen Angaben mit einem Marktantei­l von 25 Prozent in dem Bereich die Nummer zwei der Welt ist. Es ist kein Geheimnis, dass ZF nach den milliarden­schweren Übernahmen der Konzerne TRW (2015) und Wabco (2020) Geld braucht – für die Entwicklun­g neuer Produkte und den Schuldendi­enst.

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FOTO: ZF Die Wärmebildk­amera zeigt, wie der „Heat Belt“wirkt.

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