ZF setzt auf heißes Extra und beheizt den Gurt
Zulieferer vom Bodensee präsentiert auf der Messe CES in Las Vegas den „Heat Belt“
- Es soll Autofahrer geben, die halten eine Sitzheizung für überflüssig und dekadent. Man darf davon ausgehen, dass sich diese Zeitgenossen für die neueste Innovation aus dem Hause ZF kaum erwärmen werden: einen beheizbaren Sicherheitsgurt. Allen anderen verspricht der Zulieferer vom Bodensee mit dem „Heat Belt“nicht nur mollige Wärme, sondern auch bis zu 15 Prozent mehr Reichweite – gesetzt den Fall, man ist elektrisch unterwegs.
„Die Evolution des Sicherheitsgurtes findet im Verborgenen statt“, sagt Björn Kräft, Entwicklungsleiter für Gurtsysteme bei ZF. Und so sieht man dem „Heat Belt“– eine Wortmischung aus „seatbelt“(Sicherheitsgurt) und „heat“(Hitze) – kaum an, dass er mehr kann als seine konventionellen Kollegen. Er ist kaum dicker, wiegt nur wenige Gramm mehr und man muss schon genau hingucken, um die integrierten Heizleiter aus Metall zu erkennen, die silbern im Gurtstoff glitzern. Aber man spürt sofort, was er kann: Um die 40 Grad wird er warm, sobald man das Gurtschloss eingeklickt hat. Gemeinsam mit Sitz- und Lenkradheizung sorgt der „Heat Belt“schon kurz nach dem Einsteigen für angenehme Wärme.
Natürlich fällt das Produkt in die Kategorie Komfort-Extra. Laut ZF aber kann der „Heat Belt“mehr. Gemeinsam mit den anderen Kontaktheizungen soll er im Winter die energieintensive Klimatisierung des Fahrzeuginnenraumes vermindern, vor allem zu Beginn einer Fahrt. Das ist insbesondere bei Elektrofahrzeugen wichtig, weil dort die Klimaanlage ausschließlich von Batteriestrom gespeist wird und keine Abwärme eines Verbrennungsmotors nutzen kann. „Wir gehen von einem Reichweitengewinn von bis zu 15 Prozent aus“, sagt Kräft.
Der Autofahrer wird den „Heat Belt“vom normalen Sicherheitsgurt kaum unterscheiden. Er verhält sich laut ZF genauso, er ist auch genauso zu bedienen. Wichtig für Autohersteller: Sie müssen keine speziellen Gurtaufroller einbauen oder neue Positionen dafür im Fahrzeug finden. Zudem benötige der „Heat Belt“keine spezielle Qualifikation bei der Montage.
Das Produkt bietet nach Angaben von ZF Friedrichshafen die gleichen Sicherheitsstandards wie herkömmliche Gurte – mindestens. Denn ein Nebeneffekt des „Heat Belts“sei die Tatsache, dass die Insassen künftig auch im Winter eher ohne dicke Mäntel im Auto sitzen werden. Der Gurt liege dann enger am Körper an,
was sich im Falle eines Unfalls positiv auswirke.
Noch wird der „Heat Belt“nicht in Serie produziert. „Wir sind aber mit mehreren großen Herstellern im Gespräch“, sagt Kräft, ohne einzelne Marken zu nennen. Er geht davon aus, dass das Produkt ab 2025 zu kaufen sein wird, „vielleicht auch
schneller, wenn alle ein bisschen Gas geben“. Der Manager ist jedenfalls sicher, dass ZF als erster Zulieferer einen beheizbaren Sicherheitsgurt auf den Markt bringen wird.
Wie viel das Produkt den Autokäufer letztlich kosten wird, sei Sache der Hersteller, sagt Kräft. Dass der „Heat Belt“samt seiner verwebten Litzen in der Produktion teurer ist als ein normaler Gurt, sei klar. Wie viel teurer, das wollte er nicht verraten. Man darf davon ausgehen, dass der „Heat Belt“nicht selten als Teil eines Winterpaketes an den Kunden gebracht werden wird.
Seine Weltpremiere erlebte beheizbare Gurt am Mittwoch der auf der Messe CES (Consumer Electronics Show) in Las Vegas (USA). Entwickelt worden ist er in Alfdorf im Rems-Murr-Kreis. Dort hat die ZFDivision „Passive Sicherheit“ihren Sitz, die Gurte, Airbags und Lenkräder baut. In Alfdorf entwickeln, fertigen und verkaufen 1700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter passive Sicherheitssysteme. Weltweit hat die Division 35.000 Mitarbeiter an 43 Standorten. 2021 erlöste sie 3,8 Milliarden Euro, rund zehn Prozent des ZF-Gesamtumsatzes.
Wenn der „Heat Belt“2025 serienmäßig in Autos montiert wird, dann arbeiten seine Erfinder vielleicht gar nicht mehr für ZF. Denn die Division „Passive Sicherheit“wird derzeit organisatorisch aus dem Konzern ausgegliedert und eigenständig aufgestellt. Dies soll den Einstieg von Investoren oder den kompletten Verkauf der Sparte ermöglichen, die nach eigenen Angaben mit einem Marktanteil von 25 Prozent in dem Bereich die Nummer zwei der Welt ist. Es ist kein Geheimnis, dass ZF nach den milliardenschweren Übernahmen der Konzerne TRW (2015) und Wabco (2020) Geld braucht – für die Entwicklung neuer Produkte und den Schuldendienst.