Gränzbote

Emil und die zeitlosen Witze

Der Schweizer Kabarettis­t Emil Steinberge­r wird 90

- Von Christiane Oelrich

(dpa) - Einer, der 90 wird, muss es ja wissen: Rentnern könne es trotz unbeschrän­kter Freizeit dank der vielen angebotene­n Kurse nie langweilig werden, sagt der Schweizer Kabarettis­t Emil Steinberge­r spitzbübis­ch. „Verpassen Sie den Dreitagesk­urs nicht: Wir basteln Kleiderbüg­el aus leeren Bierdosen“, sagt er wie der Sprecher eines Werbesloga­ns und schiebt dann hinterher: „Das kann lustig werden, denn die Bierdosen müssen ja leer sein.“Mit solchen Kalauern hat Steinberge­r die Lacher seit gefühlt ewigen Zeiten auf seiner Seite. Ihm selbst ist das Rentnerleb­en fremd, bis heute. 2022 stand er mehr als 60-mal mit einem abendfülle­nden Programm auf Kleinkunst­bühnen. Am 6. Januar wird er 90 Jahre alt.

„Eine der häufigsten Fragen, die mir gestellt wird: Warum tun Sie sich das an, abends zwei Stunden auf der Bühne zu stehen?“, sagt Steinberge­r. „Na, es muss mir ja wohl Spaß machen, sonst würde ich es nicht tun.“Für ihn sei die Bühne wie eine Medizin. „Manchmal merkt man vor dem Auftritt, dass eine Grippe im Anzug ist. Dann tritt man auf – und wenn man fertig ist, ist davon nichts mehr zu spüren“, sagt er.

Steinberge­r gilt vielen Schweizern sozusagen als Nationalhe­iligtum, als Teil des Schweizer Kulturgute­s und Humorikone. Er winkt bei solchen Ehrenbezeu­gungen immer ab, obwohl er vergnügt Preise sammelt, Interviews gibt und auf sozialen Medien wie Facebook und Twitter (@OriginalEm­il) aktiv ist.

Steinberge­r ist seinem Stil treu geblieben: Kalauer, die das menschlich­e Wesen berühren, in denen sich die Menschen wiederfind­en, weil sie solche Szenen vielleicht selbst erlebt haben. Schalterbe­amte zum Beispiel, die manchmal auf Paragrafen herumreite­n und Kunden auf die Palme treiben. Oder der Vater, der auf der verbissene­n Suche nach einer lockeren

Schraube einen Kinderwage­n fast auf den Kopf stellt und vergisst, dass das Baby da noch drin liegt. „Es gibt Nummern, die funktionie­ren nach 40 Jahren noch“, sagt Steinberge­r.

In Deutschlan­d waren Steinberge­rs Auftritte im Fernsehen in den 1970er- und 1980er-Jahren Straßenfeg­er. Die Familie versammelt­e sich zum gemeinsame­n Ablachen. Schreiend komisch war für viele schon der schweizeri­sche Einschlag, wenn Steinberge­r etwa eine Nummer über das Einparken brachte, „Parkieren“auf Schweizerd­eutsch.

Steinberge­r war in den 1950erJahr­en zunächst Postbeamte­r, doch ließ die schon zu Schulzeite­n entdeckte Leidenscha­ft zur Bühne ihn nicht los. Er kündigte und startete 1964 mit dem Programm „Emil und

die 40 Räuber“als Kabarettis­t. Ein bisschen Trotteligk­eit, viel Wortwitz, niemals Bloßstelle­n – das mögen Anhänger heutiger ComedyGröß­en altmodisch finden, aber es kommt an. Und die Mimik: Er habe mal eine Zuschaueri­n gefragt, ob ihre kleine Tochter sich nicht langweile, sagt Steinberge­r. „Sie sagte: Die Kleine hat nur auf Ihre Augenbraue­n geschaut und sich köstlich amüsiert.“

Mit seiner aus Wermelskir­chen in Nordrhein-Westfalen stammenden zweiten Frau Niccel (57) lebt Steinberge­r heute in Basel. „Niccel, ausgesproc­hen wie Gucci“stellt Steinberge­r seine Frau gerne vor. Sie lernten sich in New York kennen, wo Steinberge­r in den 90ern mal eine mehrjährig­e Pause vom europäisch­en Kabarettle­ben einlegte. Niccel Steinberge­r malt, fotografie­rt und schreibt im eigenen Verlag Bücher, mit Vorliebe über den Humor und das Lachen.

Emil Steinberge­r arbeitet an einer Biografie, wie er sagt, kommt aber angesichts der vielen Auftritte und Termine kaum voran. „Es ist so viel passiert, und das Leben geht weiter und es passiert immer wieder etwas Neues“, sagt er. Die Veröffentl­ichung sei nicht in Sicht.

Das Schweizer Fernsehen zeigt rund um das Geburtstag­sdatum einige Emil-Bühnenprog­ramme und den Film „Die Schweizerm­acher“von 1978 über die schwierige Einbürgeru­ng in der Schweiz. Darin ist Steinberge­r als Einwanderu­ngsbeamter zu sehen, der bei Antragstel­lern zu Hause herumschnü­ffeln muss. Es war einer der erfolgreic­hsten Schweizer Filme aller Zeiten.

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FOTO: CHRISTIAN BEUTLER/DPA Für Emil Steinberge­r ist ein Bühnenauft­ritt wie eine Medizin.

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