Wem gehört die Lebensversicherung?
Zunächst eingetragene Ex-Frau steht noch im Vertrag – Ein verhängnisvolles Versäumnis
- Der Tod des Ehemanns und Vaters kam für die Angehörigen überraschend. Herzversagen während der Corona-Pandemie – die Lücke, die der gerade 50Jährige in der Familie aber auch in Vereinen in der kleinen Gemeinde auf dem Heuberg hinterlässt, ist groß. Man kennt sich im Dorf, die Anteilnahme und die Betroffenheit sind groß, das Gedenken wird hoch gehalten. Vom Ärger, den die Witwe mit ihren beiden Kindern mittlerweile hat, wissen indes viele nicht. 18 Jahre lang war der Mann mit der Mutter seiner beiden Kinder verheiratet. 18 Jahre lang haben sie gemeinsam in die Lebensversicherung einbezahlt, die er noch während seiner ersten, rund zweijährigen Ehe abgeschlossen hatte.
Jetzt kam das böse Erwachen: Als Begünstigte im Todesfall war noch immer die erste Ehefrau eingetragen. Über all die Jahre war das nie aktualisiert worden. Der erste Schreck auf diese Erkenntnis verfliegt. Telefonisch, dann auch schriftlich auf der Kondolenzkarte, sichert die Ex-Frau zu: Klar, das Geld bekommen natürlich die Witwe und die beiden Kinder.
Der Aufforderung der ersten Frau des Verstorbenen, die Versicherungssumme direkt an die Hinterbliebenen auszuzahlen, kann die Versicherung
nicht nachkommen. Sie, als Begünstigte, muss die Zahlung annehmen. Die Versicherung sieht sich nicht einmal in der Lage, den Erben eine Auskunft über die Höhe der Leistung zu erteilen.
Als dann die Ex-Frau der Witwe 40 000 Euro überweist, stellt sich die Frage: War das alles – oder, so die Vermutung, nur etwa die Hälfte der eigentlichen Versicherungsleistung? Geklärt werden muss dies nun vor dem Landgericht Rottweil. Ein erster Verhandlungstermin stand vor Weihnachten an. Doch eine vorweihnachtliche, freudige Nachricht erbrachte der für die verwitwete Mutter nicht.
Aus menschlicher Sicht, daran lässt die Richterin gleich zu Beginn keinen Zweifel, wäre die Frage, wem das Geld zusteht, schnell beantwortet. Juristisch allerdings biete der Fall eine ganze Reihe sehr kniffliger Knackpunkte. Die Möglichkeit, dass es anschließend in den nächsten Instanzen vor dem Oberlandesgericht (OLG) oder gar vor dem Bundesgerichtshof (BGH) weitergeht, schwebt wie ein Damoklesschwert über allem.
Der Vorschlag der Richterin: Drei Viertel der Versicherungsleistung für die Erbengemeinschaft aus der Witwe und den beiden Kindern, ein Viertel für die Ex, wobei für die Abrechnung alle Unterlagen offengelegt werden müssten. Eine einvernehmliche Lösung zwischen den beiden Streitparteien könnte eine schnelle Lösung sein – gerade mit Blick auf die finanzielle Situation der hinterbliebenen Familie. Gütliche Einigung ist nicht möglich. Indes: Auf die Frage der Witwe, über welche Summen dabei denn geredet wird, bleiben die Ex-Frau und ihr Anwalt allerdings bei ihrem bisherigen Standpunkt: Einen Anspruch auf die Auskunft gebe es ihrer Meinung nach nicht, also wollen sie die Zahlen auch nicht offen legen.
Eine Verhandlungspause zur Beratung mit der Mandantschaft ändert daran nichts. Auf die von der Richterin vorgeschlagene Aufteilung könnten sie eingehen – nicht jedoch auf den Vorschlag der Hinterbliebenen, der Ex-Frau zehn Prozent der Versicherungssumme zu belassen. Eine gütliche Einigung ist damit nicht möglich, so das Fazit der Richterin, die sich nun zunächst mit der Frage beschäftigen muss, ob die Erbengemeinschaft das Recht hat, die Versicherungssumme zu erfahren. Die Überlegung, wem das Geld zusteht, spielt dabei bereits eine Rolle.
Zunächst sind aber nochmals die Anwälte mit schriftlichen Stellungnahmen gefragt. Eine Entscheidung könnte Ende Februar fallen. Und all das, weil über 18 Jahre hinweg vergessen wurde, in die Versicherungspolice die neue Frau eintragen zu lassen. Wäre dies geschehen, würde es keine Rolle spielen, ob die Ex zu ihren Zusagen steht oder das Schenkungsangebot wirksam widerrufen ist.