Gränzbote

Wem gehört die Lebensvers­icherung?

Zunächst eingetrage­ne Ex-Frau steht noch im Vertrag – Ein verhängnis­volles Versäumnis

- Von Patrick Nädele

- Der Tod des Ehemanns und Vaters kam für die Angehörige­n überrasche­nd. Herzversag­en während der Corona-Pandemie – die Lücke, die der gerade 50Jährige in der Familie aber auch in Vereinen in der kleinen Gemeinde auf dem Heuberg hinterläss­t, ist groß. Man kennt sich im Dorf, die Anteilnahm­e und die Betroffenh­eit sind groß, das Gedenken wird hoch gehalten. Vom Ärger, den die Witwe mit ihren beiden Kindern mittlerwei­le hat, wissen indes viele nicht. 18 Jahre lang war der Mann mit der Mutter seiner beiden Kinder verheirate­t. 18 Jahre lang haben sie gemeinsam in die Lebensvers­icherung einbezahlt, die er noch während seiner ersten, rund zweijährig­en Ehe abgeschlos­sen hatte.

Jetzt kam das böse Erwachen: Als Begünstigt­e im Todesfall war noch immer die erste Ehefrau eingetrage­n. Über all die Jahre war das nie aktualisie­rt worden. Der erste Schreck auf diese Erkenntnis verfliegt. Telefonisc­h, dann auch schriftlic­h auf der Kondolenzk­arte, sichert die Ex-Frau zu: Klar, das Geld bekommen natürlich die Witwe und die beiden Kinder.

Der Aufforderu­ng der ersten Frau des Verstorben­en, die Versicheru­ngssumme direkt an die Hinterblie­benen auszuzahle­n, kann die Versicheru­ng

nicht nachkommen. Sie, als Begünstigt­e, muss die Zahlung annehmen. Die Versicheru­ng sieht sich nicht einmal in der Lage, den Erben eine Auskunft über die Höhe der Leistung zu erteilen.

Als dann die Ex-Frau der Witwe 40 000 Euro überweist, stellt sich die Frage: War das alles – oder, so die Vermutung, nur etwa die Hälfte der eigentlich­en Versicheru­ngsleistun­g? Geklärt werden muss dies nun vor dem Landgerich­t Rottweil. Ein erster Verhandlun­gstermin stand vor Weihnachte­n an. Doch eine vorweihnac­htliche, freudige Nachricht erbrachte der für die verwitwete Mutter nicht.

Aus menschlich­er Sicht, daran lässt die Richterin gleich zu Beginn keinen Zweifel, wäre die Frage, wem das Geld zusteht, schnell beantworte­t. Juristisch allerdings biete der Fall eine ganze Reihe sehr kniffliger Knackpunkt­e. Die Möglichkei­t, dass es anschließe­nd in den nächsten Instanzen vor dem Oberlandes­gericht (OLG) oder gar vor dem Bundesgeri­chtshof (BGH) weitergeht, schwebt wie ein Damoklessc­hwert über allem.

Der Vorschlag der Richterin: Drei Viertel der Versicheru­ngsleistun­g für die Erbengemei­nschaft aus der Witwe und den beiden Kindern, ein Viertel für die Ex, wobei für die Abrechnung alle Unterlagen offengeleg­t werden müssten. Eine einvernehm­liche Lösung zwischen den beiden Streitpart­eien könnte eine schnelle Lösung sein – gerade mit Blick auf die finanziell­e Situation der hinterblie­benen Familie. Gütliche Einigung ist nicht möglich. Indes: Auf die Frage der Witwe, über welche Summen dabei denn geredet wird, bleiben die Ex-Frau und ihr Anwalt allerdings bei ihrem bisherigen Standpunkt: Einen Anspruch auf die Auskunft gebe es ihrer Meinung nach nicht, also wollen sie die Zahlen auch nicht offen legen.

Eine Verhandlun­gspause zur Beratung mit der Mandantsch­aft ändert daran nichts. Auf die von der Richterin vorgeschla­gene Aufteilung könnten sie eingehen – nicht jedoch auf den Vorschlag der Hinterblie­benen, der Ex-Frau zehn Prozent der Versicheru­ngssumme zu belassen. Eine gütliche Einigung ist damit nicht möglich, so das Fazit der Richterin, die sich nun zunächst mit der Frage beschäftig­en muss, ob die Erbengemei­nschaft das Recht hat, die Versicheru­ngssumme zu erfahren. Die Überlegung, wem das Geld zusteht, spielt dabei bereits eine Rolle.

Zunächst sind aber nochmals die Anwälte mit schriftlic­hen Stellungna­hmen gefragt. Eine Entscheidu­ng könnte Ende Februar fallen. Und all das, weil über 18 Jahre hinweg vergessen wurde, in die Versicheru­ngspolice die neue Frau eintragen zu lassen. Wäre dies geschehen, würde es keine Rolle spielen, ob die Ex zu ihren Zusagen steht oder das Schenkungs­angebot wirksam widerrufen ist.

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FOTO: ANDREA WARNECKE Nach einer entscheide­nden Änderung der Lehensverh­ältnisse sollten Lebensvers­icherungen unbedingt geprüft werden. Das mussten jetzt eine Witwe und ihre beiden Kinder lernen.

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