Gränzbote

DSV-Adler bei Kubacki-Sieg erneut gerupft

Norweger Granerud ist großer Favorit auf Tourneesie­g – Deutsche Springer in der Krise

- Von Thomas Eßer und Patrick Reichardt

(dpa) – So gebeutelt haben die deutschen Skispringe­r selbst den unliebsame­n Bergisel lange nicht mehr verlassen. Während Polens Tagessiege­r Dawid Kubacki und Norwegens Tournee-Primus Halvor Egner Granerud in Innsbruck die nächste große Show lieferten, zogen die deutlich geschlagen­en Springer um Andreas Wellinger mit grimmigen Mienen von der dritten Station der Vierschanz­entournee ab. „Es gibt Tage, die laufen gut. Es gibt Tage, die laufen weniger gut und heute war scheiße“, sagte Wellinger.

Den DSV-Adlern droht das schlechtes­te Tournee-Abschneide­n seit den schweren Krisenjahr­en vor knapp einem Jahrzehnt. „Die Stimmung im Team ist beschissen“, sagte der Dreifach-Weltmeiste­r von 2019, Markus Eisenbichl­er, nach dem Debakel. Mit Blick auf seinen schon in der Qualifikat­ion gescheiter­ten Kumpel Karl Geiger ergänzte er: „Karl ist gestern ausgeschie­den. Wir sind alle nicht so gut. Da kann die Stimmung nicht gut sein.“

Als zwischen den Topspringe­rn Kubacki und Granerud vor 18.700 Zuschauern die Entscheidu­ng um den Tagessieg fiel, hatten die deutschen Athleten längst Feierabend. Kubacki jubelte mit nach oben gereckten Fäusten über den Tagessieg. Fast wie ein Gewinner durfte sich aber auch Granerud fühlen. Zwar kann der Norweger nicht mehr wie zuvor nur Sven Hannawald, Kamil Stoch und Ryoyu Kobayashi alle Springen einer

Tournee gewinnen. Der Gesamtsieg bei der 71. Ausgabe des SchanzenSp­ektakels ist dem 26-Jährigen aber nur noch bei einem groben Patzer zu nehmen. Vor dem Tournee-Finale beträgt sein Vorsprung auf Rang zwei umgerechne­t rund 13 Meter. Dritter in der Gesamtwert­ung ist der Slowene Anze Lanisek.

In den vergangene­n Jahren hatten immer auch die deutschen Springer mindestens um einen Podestplat­z gekämpft. Davon sind sie nun extrem weit entfernt.

„Das tut natürlich schon sehr weh“, sagte Bundestrai­ner Stefan Horngacher. „Es ist eine schwierige Situation für uns, aber wir dürfen jetzt nicht den Kopf in den Sand stecken.“Der Österreich­er stellte klar: „Ich bin definitiv nicht ratlos.“

Als bester Deutscher belegte Youngster Philipp Raimund den 13. Platz. Wellinger bestätigte seine zuvor ansteigend­e Form auf der beeindruck­enden Schanzenan­lage mit Blick auf die Nordkette nicht. Er landete nur auf dem 18. Rang und ist als Achter nun der mit Abstand beste Deutsche im Gesamtrank­ing. Eisenbichl­er war schon zufrieden, erstmals bei dieser Tournee den zweiten Durchgang erreicht zu haben. Auch wenn es in dieser Saison vor dem Höhepunkt rund um den Jahreswech­sel schon nicht gut gelaufen war: Derart enttäusche­nde Auftritte waren nicht zu erwarten gewesen. Kurz vor der Tournee hatte Horngacher sogar gesagt, „noch nie mit so einer guten Mannschaft zu einer Vierschanz­entournee gefahren“zu sein. Seine Athleten bestätigte­n ihn nicht.

Während die derzeitige­n Spitzenspr­inger aus Polen, Norwegen und Slowenien in Österreich große Flugkunst zeigten, schaute Deutschlan­ds bester Springer Fernsehen. „Karle, Kopf hoch“, stand auf einer Fahne im Stadion hoch über der Stadt. Erstmals seit März 2018 war Geiger am Dienstag in einer Weltcup-Qualifikat­ion gescheiter­t. Statt wie erhofft die Stärksten der ersten beiden Tourneespr­ingen herauszufo­rdern, schaute sich der Oberstdorf­er den Wettkampf aus dem Teamhotel an. Mit einer Videobotsc­haft meldete er sich zu Wort. „Es ist extrem schade und bitter, aber ich werde nicht aufgeben“, sagte Geiger in dem Beitrag, der in der ARD während des ersten Durchgangs ausgestrah­lt wurde.

Schon an diesem Donnerstag (16.30 Uhr/ZDF und Eurosport) ist er in der Quali für den Tournee-Abschluss in Bischofsho­fen gefordert. Dort will sich Geiger wieder stabilisie­ren. Die Bergisel-Schmach soll ein Ausrutsche­r bleiben, spätestens zur WM in Planica im Februar soll die gute Form wieder da sein. Dass ihn sein Patzer nachhaltig aus dem Tritt bringt, glaubt Horngacher nicht. „Nein, das sicher nicht“, sagte der 53Jährige. „Karl hat schon so viele Höhen und Tiefen durchlebt. Der lässt sich nicht unterkrieg­en. Der kommt wieder nach oben – definitiv.“Horngacher ergänzte: „Jetzt braucht er Hilfe von uns, von den Trainern.“

„Karl hat schon so viele Höhen und Tiefen durchlebt. Der lässt sich nicht unterkrieg­en.“Stefan Horngacher

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FOTO: MEMMLER/IMAGO Der Pole Dawid Kubacki ist der beste Skispringe­r am Bergisel.

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