Gränzbote

Ein Bulle für den „Bully Boy“

Michael Smith hat sich mit seinem Sieg bei der Darts-WM einen Traum erfüllt

- Von Björn Hahn und dpa

(SID) - Ein neuer Sportwagen? Kein Interesse. Eine Luxusvilla? Kein Bedarf. Auch der Teleshoppi­ngKanal, den der neue Darts-Weltmeiste­r Michael Smith in seinem Hotelzimme­r mitten in der Nacht laufen ließ, hatte nichts zu bieten. Also, was fängt der „Bully Boy“denn nun an mit den 500.000 Pfund, die er für seinen denkwürdig­en WM-Coup im Ally Pally kassierte? „Ich kaufe mir einen Bullen für meinen Vorgarten“, sagte Smith. Einen echten? „Ja, einen echten.“

Darts, diese einst als Kneipenspo­rt verrufene Ansammlung skurriler und schräger Typen, hat einen würdigen neuen Herrscher. Der lebendige Bulle war schon im vergangene­n Jahr der Wunschtrau­m des nicht gerade untergewic­htigen „Bully Boy“Smith, aber damals verlor er das Finale gegen den Schotten Peter Wright, und für eine Niederlage gibt es halt keine Belohnung.

Dieses Mal machte Smith es besser. Das 7:4 in einem hochklassi­gen Finale gegen den Niederländ­er Michael van Gerwen bescherte nicht nur dem neuen Champion Ruhm, Ehre und sehr viel Geld – es verhalf auch dem in Deutschlan­d übertragen­den Sender Sport1 zu neuen Topwerten. Im Schnitt waren 1,72 Millionen Zuschaueri­nnen und Zuschauer dabei, in der Spitze schalteten 2,36 Millionen Menschen ein.

Völlig überwältig­t von seinen Emotionen dankte Smith vor allem seiner Familie. Mit Ehefrau Dagmara und den beiden Söhnen Michael jr. und Kaspar lebt der Champion auf einem großen Bauernhof in St. Helens zwischen Manchester und Liverpool. „Wenn ich gewinne, gewinnen wir alle“, sagte Smith nach seinem Triumph bei Sport1. Dabei hatte er seine Lieben vor dem Halbfinale gegen Gabriel Clemens noch aus der Halle verbannt: „Das war mir alles zu aufregend.“Im größten Moment seiner Karriere war die Familie dann aber wieder dabei.

Die Darts-Weltelite zumindest verneigte sich geschlosse­n vor dem erstmalige­n Champion aus St. Helens, einer 100.000-Einwohner-Stadt zwischen Liverpool und Manchester. Der abgelöste Primus Gerwyn Price aus Wales schrieb: „Hoch verdient. Viele weitere werden kommen. Genieß es.“Auch der im Halbfinale unterlegen­e Deutsche Gabriel Clemens

gratuliert­e noch in der Nacht. Der 16malige Weltmeiste­r Phil Taylor fasste sich nach dem Spiel, das DartsPromo­ter Barry Hearn als „Werbung für den Sport“bezeichnet­e, kurz: „Willkommen im Club.“

Der Smith-Weg war lange geprägt von Rückschläg­en und heftigen Niederlage­n. Nun hat er in gerade einmal 44 Tagen alle seine Makel behoben und mal eben die Rangordnun­g der Darts-Welt geändert. Der Sieg beim Grand Slam of Darts im britischen Wolverhamp­ton war im November sein erster Major-Titel, zuvor war Smith aus Mangel an Alternativ­en noch immer als Champion des Shanghai Darts Masters angekündig­t worden. Nun ist der zweimalige Familienva­ter auf dem Gipfel der Trendsport­art angekommen – und hat letzte Zweifel an seiner Titeltaugl­ichkeit bei den ganz großen Events zerstreut.

„Das Gefühl, das ich direkt nach meinem Sieg hatte, wird niemals getoppt werden. Egal, was ich in diesem Sport in der Zukunft mache“, sagte Smith. Am sportliche­n Ende ist er allerdings noch lange nicht, schließlic­h scheint der Knoten endlich geplatzt zu sein. „Ich möchte das erreichen, was Michael van Gerwen

getan hat, ich möchte den Sport dominieren, aber van Gerwen ist ja auch immer noch da“, sagte er.

Der Neun-Darter im zweiten Satz war der spektakulä­re Schlusspun­kt einer spektakulä­ren WM. Es war das wohl beste Leg in der Geschichte dieser Sportart, weil zuvor auch van Gerwen acht perfekte Darts spielte.

Ach so, woher stammt eigentlich der Spitzname „Bully Boy“? Der hat nicht etwa was mit der Statur des

Champions zu tun, er reicht vielmehr weit in die Vergangenh­eit zurück. Als Jugendlich­er jobbte Smith bei einem Rinderzüch­ter, dort war er für die Betreuung der neugeboren­en Kälber zuständig. So sei irgendwie dieser Name entstanden, erzählte er in London. Und wie soll eigentlich der Bulle aus Fleisch und Blut heißen, der künftig im Vorgarten der Familie grasen wird? „Ferdinand, aber wir werden ihn wohl Ferdi nennen.“

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FOTO: IAN STEPHEN/IMAGO Mit seiner Familie im Rücken und einem Bullen im Vorgarten will Michael Smith (Mi.) nun richtig angreifen.

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