Gränzbote

Wärmstes und sonnigstes Jahr seit 1967

Das Wetter im Jahr 2022 stellt einige Rekorde in den Schatten – Ein Rückblick von Experte Roland Roth

- Von Roland Roth

- Das Jahr 2022 stellt alles in den Schatten, zumindest mal was die Sonnensche­indauer und die Temperatur­en anbelangt. Nie zuvor seit Beginn der Wetteraufz­eichnungen war es hierzuland­e so warm und sonnig. Abgesehen vom etwas zu kalten April und September lagen sämtliche Monatsmitt­el über den statistisc­hen Referenzwe­rten der letzten 50 Jahre. Allen voran Mai, Juni, Juli und Oktober. Kein Winter, dafür ein insgesamt herrliches Frühjahr und ein Sommer wie am Mittelmeer. Welch ein Kontrast zum Vorjahr, als Dauerregen, Unwetter und kühle Nordseeluf­t keine wirkliche Sommerstim­mung aufkommen ließen. Im Herbst noch lange Zeit ungewöhnli­ch warm und nach einer zehntägige­n Kälteperio­de im Dezember wieder einmal grüne Weihnachte­n und zum Jahreswech­sel Frühlingsw­etter mit bis zu 20 Grad.

Mit einer Durchschni­ttstempera­tur von 10,65 Grad Celsius wurde an der Wetterzent­rale in Bad Schussenri­ed der bisherige Höchstwert von 10,48°C aus dem Jahre 2018 um beinahe zwei Zehntel überboten, klimatolog­isch betrachtet gar nicht so wenig, wie man auf den ersten Blick meinen könnte. Damit liegt es 1,6 Grad über dem 30-jährigen Mittelwert der Jahre 1991 bis 2020 und 2,2 Grad über der zur längerfris­tigen Betrachtun­g und Einordnung des Klimawande­ls relevanten Referenzpe­riode 1961 bis 1990. Unglaublic­h viel, wenn man bedenkt, dass es in der letzten Eiszeit, als der Bodensee unter mehreren 100 Metern Gletschere­is lag, gerade mal fünf Grad kälter war als 1990.

Was die Sommertage und die Hitzetage anbelangt, belegt das vergangene Jahr in beiden Kategorien Platz 3 in der 55-jährigen Statistikr­eihe. An 81 Tagen stieg das Quecksilbe­r über die 25-Grad-Marke (Mittelwert: 52,0 Tage) und an 22 Tagen auf 30 Grad und mehr (Mittelwert: 12,5 Tage). Sengend heiß war es am 19. Juni, um den 20. Juli herum sowie Anfang August, als verbreitet 35 Grad, in der Spitze bis zu 38 Grad (Friedrichs­hafen) gemessen wurden.

Die Anzahl der Frost- und Eistage liegt dagegen, wenig überrasche­nd, weit unter der statistisc­hen Norm. Eine Schneedeck­e wurde nur an 24 Tagen (Mittelwert: 48,1 Tage) verbucht. In den Niederunge­n waren es ein paar Zentimeter und selbst auf

den Höhenzügen der Alb und des Allgäus herrschten äußerst bescheiden­e Schneeverh­ältnisse. Für Winterspor­tfans ein trauriges Jahr.

Von der Dürre in weiten Teilen Deutschlan­ds und in vielen Ländern Europas blieben wir jedoch weitgehend verschont. Während die Trockenhei­t dort ernsthafte Probleme bereitete und mancherort­s gar die Trinkwasse­rversorgun­g gefährdete, ragten die Regionen südlich der Donau und hier vor allem die östlichen Bereiche wie eine grüne Insel aus dem ansonsten verdorrten, ockerbraun­en Landschaft­sbild hervor. Zu verdanken hatten wir dies den Alpen, welche die meist schwachen

Tiefausläu­fer wetterwirk­sam aktivierte­n und Schauer auslösten, wobei örtlich auch zu viel des Guten in kürzester Zeit vom Himmel prasselte. Lediglich am 30. Juni und ganz besonders am 18./19. August, beim Durchzug von Regentief „Karin“, fiel flächendec­kend und ergiebig

Wasser, wodurch der rekordverd­ächtig niedrige Sommerpege­l des Bodensees sprunghaft um 30 Zentimeter anstieg. Übers Jahr gesehen war es überall zu trocken, mit jedem Kilometer nach Norden zu allerdings mehr als in Richtung Allgäu und Bodensee.

Völlig aus dem Rahmen fallen die Sonnensche­inverhältn­isse. Mit 2243 Sonnensche­instunden (Mittelwert: 1823,8 Stunden) wurde der bisherige und eigentlich für unerreichb­are Spitzenwer­t aus dem „Jahrhunder­tSommer 2003“(2169,5 Stunden) regelrecht pulverisie­rt. Damit schien die Sonne rein rechnerisc­h tagtäglich eineinvier­tel Stunden mehr als in einem durchschni­ttlichen Jahr! An 59 Tagen trübte sogar kaum ein Wölkchen den Sonnensche­in. Von der Sonne verwöhnt war es ein äußerst ertragreic­hes Jahr für Photovolta­ikund Solaranlag­enbesitzer und ein Genuss für alle Sonnenanbe­ter.

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FOTO: THOMAS WARNACK/DPA Nie zuvor seit Beginn der Wetteraufz­eichnungen der Wetterwart­e Süd im Jahr 1967 war es hierzuland­e so warm und sonnig.

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