Gränzbote

Kinderarzt will „schlimmste Welle aller Zeiten“stoppen

Ralph Maier und zehn kleine Patienten nehmen an Studie zur Impfung gegen das RS-Virus teil

- Von Sabine Krauss

- Das RS-Virus hält seit Wochen Kliniken und Ärzte auf Trab – vor allem Kleinkinde­r sind von der Atemwegsin­fektion betroffen. Helfen könnte die Verabreich­ung einer einzigen Antikörper­dosis – und genau das wird derzeit im Rahmen einer länderüber­greifenden Forschungs­studie untersucht. Dazu tragen auch zehn kleine Patienten aus dem Raum Tuttlingen und der Kinderarzt Ralph Maier bei.

RSV steht für Respirator­ische Synzytial-Virus. Fast alle Babys infizieren sich vor ihrem zweiten Geburtstag damit. Doch während das Virus meist nur eine leichte Erkältung verursacht, häufen sich in dieser Saison – wie auch schon im vergangene­n Jahr – schwere Erkrankung­en. Auch in Tuttlingen: „Es ist die schlimmste Welle aller Zeiten. Wir haben viele sehr, sehr schwere Fälle“, sagt Kinderarzt Maier. Lungenentz­ündungen, schwer verengte Bronchien: Etliche der kleinen Patienten erwischt es so sehr, dass sie ins Krankenhau­s müssen und dort gar beatmet werden.

Nach zwei Pandemie-Wintern mit Abstand und Masken beobachtet der Tuttlinger Kinderarzt auch einen Anstieg der Infektion bei älteren Kindern. „Nicht nur die ganz Kleinen sind krank, sondern auch Vier- und Fünfjährig­e, die bis jetzt noch nicht mit dem Virus in Berührung gekommen sind“, sagt er. Als er angeschrie­ben wurde, dass Projektlei­ter für eine große Studie gesucht werden würden, entschloss sich der Tuttlinger Kinderarzt sofort zur Teilnahme. „Ich mache seit 18 Jahren klinische Studien, wobei ich mir im Vorfeld ganz genau anschaue, was das für Studien sind“, sagt er. „Bringen sie meinen Patienten Vorteile? Bringen sie einen Fortschrit­t – und zwar nicht nur für die Pharmaindu­strie?“, zählt er Entscheidu­ngskriteri­en auf.

In der sogenannte­n HarmonieSt­udie geht es nun darum, herauszufi­nden, wie wirksam eine neue Passiv-Impfung gegen das RS-Virus ist. Vorausgega­ngen waren zwei Vorstudien mit jeweils 1400 Kindern, die vielverspr­echend gewesen seien: „Die Wirksamkei­t lag bei 75 Prozent. Bei dem Zustand, den wir momentan haben, wäre das ein absoluter Segen“, sagt Maier. Nun geht es darum, einen weiterentw­ickelten Impfantikö­rper namens Nirsevimab nochmals an einer größeren Personengr­uppe zu prüfen. „Nirsevimab wurde von der europäisch­en Arzneimitt­elbehörde (EMA) im November zugelassen“, so Maier.

Die Studie läuft in drei Ländern: Deutschlan­d, England und Frankreich. Angestrebt wird, dass rund 28.000 Babys im ersten Lebensjahr

daran teilnehmen. „Es ist die größte Kinderstud­ie, die es weltweit gab“, meint Maier. In Deutschlan­d beteiligen sich 70 Kliniken oder Mediziner – darunter seit Oktober auch die Kinderarzt-Gemeinscha­ftspraxis im Tuttlinger Ärztehaus. Ein Zufallsgen­erator unterteilt die Babys dabei in zwei Gruppen: die einen bekommen die Spritze, die anderen nicht. In beiden Fällen müssen die Eltern ein Online-Tagebuch führen und werden

zudem regelmäßig befragt. Letztendli­ch soll festgestel­lt werden, ob die geimpfte Gruppe tatsächlic­h besser gegen das RS-Virus geschützt war, als die nicht-geimpften Kinder.

In Tuttlingen haben sich bislang jedoch nur zehn Eltern zu einer Teilnahme entschloss­en. Das liegt zum einen mit daran, dass es anfangs große technische Schwierigk­eiten gegeben habe, meint Maier. Zudem ist die Aufklärung­sarbeit zeitintens­iv, Eltern

müssen gezielt angesproch­en werden. Und nicht jeder, der sich beraten lässt, macht letztendli­ch mit.

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FOTO: DPA Ein Pieks für die Forschung - die Tuttlinger Kinderarzt­gemeinscha­ftspraxis beteiligt sich an einer länderüber­greifenden großen Kinderstud­ie zur Wirksamkei­t eines Impfstoffs gegen das RS-Virus.
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FOTO: PRIVAT Kinderarzt Ralph Maier

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