Eine Glaskuppel und neuer Glanz in Wien
Österreichs Parlament für 420 Millionen Euro saniert – Festrede zur Eröffnung hält Schäuble
(dpa) - Die Qualität der 130 Jahre alten Bauteile hat die Fachleute in Wien beeindruckt. „Es wurde damals sehr fein und qualitativ hochwertig gearbeitet“, sagt Alexis Wintoniak, Generalbevollmächtigter für die Sanierung des österreichischen Parlaments. So mussten 740 Fenster, 600 historische Türen und andere Elemente nur restauriert und nicht ausgetauscht werden. Ein Segen angesichts des Anspruchs und der Vorgabe: „Es soll alles neu sein, aber man soll es wiedererkennen“, erklärt Wintoniak die Vorgehensweise.
Vor fast zehn Jahren gab es den gesetzlichen Startschuss zur Sanierung des unter Kaiser Franz Joseph I. 1883 entstandenen Baus. Am 12. Januar 2023 wird das Haus an der Wiener Ringstraße, das in der noch ausstehenden Schlussabrechnung wohl rund 420 Millionen Euro gekostet hat, mit einem Festakt eröffnet.
1600 Räume auf 55.000 Quadratmetern sind nun ein Schmuckkasten der parlamentarischen Demokratie – mit viel Transparenz, Komfort und Attraktivität für Besucher. Die 550 Quadratmeter große Glaskuppel über dem Plenum erinnert an den Berliner Reichstag. „Wir haben in der ersten Phase relativ viele Parlamente besucht auf der Suche nach jeweils interessanten Lösungen“, sagt Wintoniak. Ob von außen inspiriert oder auf eigenen Ideen beruhend, haben die Planer in der fünfjährigen Bauphase jedenfalls viel mehr Platz geschaffen: im Plenum selbst, das nun 250 statt 200 Plätze hat, aber auch in vorher völlig ungenutzten Etagen. So ist im ehemals düsteren Dachgeschoss für Gäste und die 183 Parlamentarier ein großer Gastronomiebereich
inklusive Dachterrasse entstanden.
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) schlenderte zur Einstimmung in einem Video, das in sozialen Medien teils bissig kommentiert wurde, mit dem Weißweinglas in der Hand über die Dachterrasse. Dabei wies er Besucher darauf hin, dass sie mit einer „exquisiten Küche“rechnen könnten. Der Empfangssalon wurde mit vier opulenten Werken des österreichischen Künstlers Heimo Zobernig ausgestattet. Von größerer politischen Bedeutung dürfte die Demokratiewerkstatt sein. Ein großes verglastes Areal über dem Plenum, das den Blick auf die Arbeit der Abgeordneten ermöglicht. Hier sollen insbesondere Schüler bei Führungen und Kursen für die Werte der Demokratie sensibilisiert werden. Das neue Zentrum für Besucher und Besucherinnen im Erdgeschoss klärt auf großen Schautafeln über Wegmarken und Abläufe des Parlamentarismus auf.
Die Hülle passt, jetzt hoffen nicht wenige auch auf eine neue Debattenkultur. Angesichts der gerade von der rechten FPÖ – aktuell im Umfragehoch und mit 30 Parlamentariern drittstärkste Kraft – angeheizten, oftmals recht polemischen Auseinandersetzungen sollten wieder mehr Substanz und die Suche nach Gemeinsamkeiten einziehen, sagt der Leiter des Instituts für Föderalismus, Peter Bußjäger. „Die Qualität der Debatte kann nicht mit der Schärfe der Debatte mithalten“, so der Verfassungsjurist der Universität Innsbruck zum aktuellen Zustand. Er empfiehlt den Parlamentariern auch dringend, die Gesetzesvorlagen künftig genau zu lesen, statt sie – wie zuletzt häufig passiert – einfach durchzuwinken oder abzulehnen.
Die Eröffnung des Gebäudes, dessen Kosten sich im vorgesehenen gesetzlichen Kostenrahmen halten dürften, hat sich um zwei Jahre verzögert. Gründe waren Anfangsprobleme mit Anbietern, die Covid-Zeit und zuletzt ein Flatterecho im Plenum. Bei einer Probe mit Soldaten hatte sich im Saal ein starkes Echo bemerkbar gemacht. „Berechnungen und Realität gehen bei der Akustik immer auseinander“, meinte dazu ein Vertreter der Bundesimmobiliengesellschaft. Nichts ganz ungewöhnlich: Auch im neuen Deutschen Bundestag hatte man in den 1990er Jahren reichlich Akustikprobleme. In Wien haben nun unter anderem Dämmmaterial im Boden und ein Spezialteppich für Abhilfe gesorgt. Ein Probelauf mit Hunderten Statisten vor wenigen Wochen sei zur Zufriedenheit aller verlaufen, heißt es.
Für Schlagzeilen und eine lebhafte Parlamentsdebatte im jahrelangen Ausweichquartier in der Wiener Hofburg sorgte unterdessen ein Detail: Für 3000 Euro Monatsmiete wurde das vergoldete Spitzenmodell eines Bösendörfer-Flügels bestellt — für die zu erwartenden reichlichen kulturellen Anlässe in der selbst ernannten Musik-Hauptstadt der Welt. „Wir gehen davon aus, dass er gut genutzt wird. Wir haben ihn erst mal sechs Monate gemietet, danach wird evaluiert“, sagt Wintoniak.
Die Festrede zur Eröffnung an diesem Donnerstag wird der ehemalige Präsident des Deutschen Bundestags, Wolfgang Schäuble, halten. Zum ersten parlamentarischen Akt trifft sich die Bundesversammlung aus Abgeordneten des National- und Bundesrats im besonders behutsam aufpolierten historischen Sitzungssaal dann am 26. Januar. Die Versammlung der insgesamt 244 Parlamentarier ist aber nicht mehr als die Kulisse für die Vereidigung des alten und neuen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen, der im Herbst 2022 direkt gewählt worden war.