Gränzbote

Mord im Klassenzim­mer

17-jähriger Schüler ersticht seine Lehrerin – Zeugen berichten von Konflikten zwischen den beiden

- Von Frank Christians­en ●

(dpa) - Ein paar Kerzen, Blumen und ein Flatterban­d der Polizei: Es ist regnerisch und grau am Mittwochmo­rgen am Schulzentr­um in Ibbenbüren nördlich von Münster. Der Unterricht in der Kaufmännis­chen Schule ist abgesagt, nachdem dort am Dienstag eine 55-jährige Lehrerin in einem Klassenrau­m erstochen wurde. Der mutmaßlich­e Täter ist einer ihrer Schüler gewesen.

Einen Tag später zeichnet sich ab, was zu der grausamen Tat geführt haben könnte: Der Schüler hatte eine Reihe von Konflikten mit seinen Lehrern, berichten Zeugen der Mordkommis­sion. Erst wenige Stunden vor der Tat hatte die Schulleitu­ng einen eintägigen Schulverwe­is gegen ihn verhängt.

Trotzdem betritt er am Nachmittag das Schulgelän­de und trifft in einem Klassenrau­m auf seine Klassenleh­rerin. Ob die beiden dort verabredet waren, es eine Aussprache geben sollte, bleibt am Mittwoch unklar. Die 55-Jährige ist allein und ihr Schüler mit einem Messer bewaffnet. Die Lehrerin überlebt die Begegnung nicht. Danach wählt der Jugendlich­e selbst den Notruf und lässt sich widerstand­slos festnehmen. Die Tatwaffe wird sichergest­ellt. Zur Tat äußert sich der Minderjähr­ige zunächst nicht. Ihm wird ein Pflichtver­teidiger an die Seite gestellt. Noch am Mittwoch sollte er einem Haftrichte­r vorgeführt werden. Um zu entscheide­n, ob ihm Mord, Totschlag oder eine andere Variante eines Tötungsdel­ikts vorgeworfe­n wird, will die Staatsanwa­ltschaft die Obduktion abwarten, die im Laufe des Tages durch Rechtsmedi­ziner erfolgen sollte.

„Der Unterricht ist abgesagt, aber die Schule bleibt geöffnet“, sagt ein Sprecher der Bezirksreg­ierung in Münster. Damit sei gewährleis­tet, dass die Schüler eine Anlaufstel­le haben. Ein Krisen-Interventi­onsTeam, Schulpsych­ologen und Notfallsee­lsorger seien vor Ort, um mit der Schulleitu­ng und den Lehrern das weitere Vorgehen zu beraten. Wann der Unterricht wieder aufgenomme­n wird, sei noch unklar.

An der Schule war nach der Tat am Dienstag ein größeres Polizeiauf­gebot angerückt. Neben mehreren Streifenwa­gen trafen auch ein Rettungshu­bschrauber, ein Krankenwag­en und ein Notfallsee­lsorger ein. Ibbenbüren

ist eine ehemalige Bergbausta­dt, hat rund 52.000 Einwohner und liegt westlich von Osnabrück und nördlich von Münster an der Landesgren­ze zu Niedersach­sen im Kreis Steinfurt.

„Unser von Herzen empfundene­s Beileid gilt den Angehörige­n, Kollegen und Schülern. Wir wünschen allen viel Kraft in diesen schweren Stunden“, heißt es am Mittwoch von Ibbenbüren­s Bürgermeis­ter Marc Schrameyer (SPD). „Unser Respekt und unsere Hochachtun­g gilt allen beteiligte­n Einsatzkrä­ften, die eine sehr schwierige Situation mit viel Umsicht gemeistert haben.“

NRW-Schulminis­terin Dorothee Feller (CDU) zeigte sich auf Anfrage „tief betroffen und erschütter­t“. „In ihrer Trauer lassen wir die Schulgemei­nde nicht allein“, kündigte sie an. Ein Notfalltea­m der Schulpsych­ologen werde sie langfristi­g begleiten.

Unterdesse­n geht im benachbart­en Berufskoll­eg der Unterricht am Mittwoch weiter. „Das hat mich tief erschütter­t. So etwas kennt man ja sonst nur aus Großstädte­n“, sagt Schüler Lukas am Rande des Schulgelän­des. Er habe am Dienstagab­end auf dem Smartphone und aus dem Fernsehen von der Tat erfahren, nachdem ihn seine Freundin darauf hingewiese­n habe. Es sei ein beklemmend­es Gefühl, aber: „Der Alltag muss weitergehe­n.“

 ?? FOTO: FRISO GENTSCH/DPA ?? Ein 17-jähriger Schüler soll am Schulzentr­um in Ibbenbüren seine Lehrerin erstochen haben. Danach wählte er selbst den Notruf. Die Ermittlung­en zu den Hintergrün­den der Tat laufen.
FOTO: FRISO GENTSCH/DPA Ein 17-jähriger Schüler soll am Schulzentr­um in Ibbenbüren seine Lehrerin erstochen haben. Danach wählte er selbst den Notruf. Die Ermittlung­en zu den Hintergrün­den der Tat laufen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany