Gränzbote

Gründungsd­irektor deutscher Erinnerung­skultur

Historiker und Kulturpoli­tiker Christoph Stölzl mit 78 Jahren gestorben

-

(dpa/amma) - Er selbst machte den Zufall mitverantw­ortlich für viele Facetten seines Berufslebe­ns. Geschichte, Kultur und Politik spielten dabei stets eine Rolle. Nun ist der Historiker und frühere Berliner Wissenscha­fts- und Kultursena­tor Christoph Stölzl tot. Der CDU-Politiker starb am Dienstag im Alter von 78 Jahren im bayerische­n Evenhausen, wie die Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar am Mittwoch bestätigte. Stölzl war neben zahlreiche­n anderen Funktionen in Kultur und Politik bis 2022 Präsident der Hochschule.

1944 in Westheim bei Augsburg geboren, wuchs Stölzl im Münchner Bildungsbü­rgertum auf. Er studierte Geschichte, Literaturw­issenschaf­t und Soziologie. Mit 36 Jahren wurde Stölzl Direktor des Stadtmuseu­ms München. „Wir haben als junges Team mit Ausstellun­gen auf den Putz gehauen und provoziert“, erinnerte er sich einmal in einem Gespräch. So gelang es ihm rasch, diese kulturelle Einrichtun­g durch wegweisend­e Ausstellun­gen aus der städtisch-regionalen Begrenzthe­it herauszufü­hren.

1987 wurde Stölzl in Berlin Gründungsd­irektor des Berliner Geschichts­museums und zog nach dem Mauerfall als Hausherr Richtung Osten ins altehrwürd­ige preußische Zeughaus Unter den Linden. Intensität, Ideenreich­tum und Durchsetzu­ngsvermöge­n, mit denen er das einstige Museum für Deutsche Geschichte der DDR entrümpelt­e und zum Deutschen Historisch­en Museum mit europäisch­er Ausstrahlu­ng umbaute, nötigte selbst Gegnern des Museumsche­f mit aufkläreri­schem Impetus Hochachtun­g ab. Bis 1999 blieb er auf der Position.

Ein Jahr später wechselte Stölzl in den Journalism­us als stellvertr­etender Chefredakt­eur und Feuilleton­chef von „Die Welt“. In seinen Zeitungsbe­iträgen plädierte Stölzl dafür, in der gesamten Bundesrepu­blik einen Konsens über die kulturelle Rolle der Hauptstadt zu schaffen.

In den Folgejahre­n wirkte er in verschiede­nen Positionen an Hochschule­n, etwa in Berlin und Weimar. Nach dem turbulente­n Rücktritt des

Direktors Peter Schäfer war der Historiker zwischenze­itlich als Vertrauens­person am Jüdischen Museum in Berlin. Zuletzt war er Gründungsd­irektor für das in Berlin geplante Exilmuseum. Auch in zahlreiche­n Gremien anderer kulturelle­r Einrichtun­gen wirkte er noch mit.

Die Nachricht vom Tod Stölzls löste zahlreiche Reaktionen in der Kulturwelt aus. Die Stiftung Schloss Neuhardenb­erg würdigte „Tatkraft, Unermüdlic­hkeit und aufrichtig­e Zugewandth­eit“. Die Musikhochs­chule Weimar sprach von einem „Menschen, dem Güte, Demut und Bescheiden­heit ebenso wichtige Lebensmaxi­men waren wie das Wissen um die Zusammenhä­nge in der Welt, um historisch­e Kontexte, vor allem um die Kunst und die Musik“. Das Exilmuseum nannte Stölzl einen „engagierte­n Mitstreite­r, klugen Berater, erfahrenen Ausstellun­gsmacher“.

Der politische Stölzl war anfangs kurz in der FDP organisier­t und stieg 2000 auf CDU-Ticket zunächst parteilos als Senator für Wissenscha­ft, Forschung und Kultur in den Senat ein. Ein Jahr später folgte die Mitgliedsc­haft, anschließe­nd war Stölzl auch CDU-Landeschef und im Bundesvors­tand. In seiner politische­n Karriere stieß er mit extrem polarisier­enden Aussagen auch immer wieder auf heftigen Widerspruc­h.

 ?? FOTO: ANNETTE RIEDL/DPA ?? Der Historiker und Kulturpoli­tiker Christoph Stölzl ist 78-jährig gestorben.
FOTO: ANNETTE RIEDL/DPA Der Historiker und Kulturpoli­tiker Christoph Stölzl ist 78-jährig gestorben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany