Barbershop-Boom in Tuttlingen
Viele Läden bieten plötzlich Bartschneide-Dienste an – Das ist nicht überall gern gesehen
- Blau-weiß-rot-weiß drehen sich die Farben in der Glasröhre. Klares Zeichen für? Na klar, den Barbershop. Mit dem Trend zum Bart kam vor einigen Jahren auch der Trend, sich den Bart vom Profi stutzen und pflegen zu lassen. Grooming nennt man das im Fachjargon. Ein paar Jahre später scheint dieser Trend nun auch in Tuttlingen angekommen zu sein. In der Innenstadt sprießen Barbershops wie Blumen aus dem Boden. Woher der plötzliche Boom?
Schwer zu sagen, sagt Serkan Demir, denn eigentlich sei der Trend schon wieder abgeflacht. Er ist Friseurmeister und Betriebsleiter von Hawar Barbershops. Inhaber ist ein Syrer, bislang gibt es zwei Filialen. Eine in Bad Dürrheim, eine zweite seit wenigen Wochen in der Tuttlinger Donaustraße. „Die Nachfrage ist da“, sagt Demir. Auch Männer wollten mal verwöhnt werden, das Gentleman-Paket (neben Haare und Bart schneiden gehören auch Augenbrauenzupfen und eine Gesichtsbehandlung dazu) sei beliebt. Und: „Herrenhaarschnitte machen oft weniger Arbeit, man verdient schneller Geld“, mein Demir.
Reine Barbershops – also nur Bart schneiden – gibt es in Tuttlingen nicht. Aber auffallend viele werben inzwischen mit Barbiersdiensten. Neben Hawar etwa noch ein zweiter Salon in der Donaustraße, andere sind in der Königstraße und in der Unteren Vorstadt, in der Wilhelmstraße
steht neben dem „Medusa“ebenfalls ein zweiter Laden kurz vor der Eröffnung. Gerade die neuen Betreiber sind oft syrisch- oder türkischstämmig. Die Inneneinrichtungen sind aufwändig, prunken gern mit Goldelementen, orientalische Barbierskunst mit verschiedenen Messern und Maschinen steht im Mittelpunkt. Die Kunden sind aber nicht nur Migranten, auch viele Deutsche kommen in die Läden.
Und umgekehrt frisieren auch Deutsche gern Bärte. Seit 2018 gibt es die Geheimratsecke. Betreiberin Patricia Jochum schneidet dort nicht nur Bärte und Haare, es gibt auch eine Bar. Ihre Leidenschaft zum Bärteschneiden entdeckte sie 2015. „Ich hatte damals einen richtigen Frauenfrisurenblues und wollte gerne etwas Neues lernen“, erinnert sie sich. Mittlerweile hat sie sich in Tuttlingen deshalb etabliert, und auch alle ihre Mitarbeiter beherrschen die Kunst des Bartschneidens.
Die Barbershops sind jedoch nicht überall gern gesehen. Die Friseurinnung etwa ist angesichts ihrer wachsenden Zahl durchaus skeptisch. Denn: Barber ist nicht gleich Friseur. Darauf legt das Handwerk Wert. Barber dürfen nur den Bart stutzen – vom Brillenbügel abwärts, so lautet die Faustregel. Wer Haare schneiden will, egal ob an Mann oder Frau, braucht in Deutschland die entsprechende Ausbildung. Und wer ein Friseurgeschäft aufmachen will, braucht einen Meister.
Dass es da des Öfteren schwarze Schafe gibt, weiß Matthias Moser, Geschäftsführer des Fachverbands
Friseur und Kosmetik Baden-Württemberg, leider nur zu gut. Bei Zollkontrollen fielen immer mal wieder Betreiber auf, die ihren Salon ohne Genehmigung führten, oft Menschen mit Migrationshintergrund. Viele würden die Regeln in Deutschland nicht kennen, meint Moser, das sei ihm durchaus bewusst. Die Handwerkskammern böten aber entsprechende Infoveranstaltungen und Schulungen an, um das nachzuholen. Wenn allerdings Niedriglöhne, Preisdumping und fehlende Sozialabgaben hinzukämen, gehe es nicht mit rechten Dingen zu. „Das ist Schmutzkonkurrenz“, meint Moser, „das schadet unserem Gewerbe“.
Und deshalb schaut die Innung genau hin, wenn neue Läden aufmachen. In der Vergangenheit gab es auch in Tuttlingen Läden, die nicht korrekt angemeldet waren und wieder schließen mussten.
Aber Moser will Barbershop-Betreiber keinesfalls über einen Kamm scheren. Es gebe auch viele, die ihre Läden ordentlich führten, sagt er. Und die seien dem Handwerk natürlich willkommen. Gut ausgebildete Friseure aus anderen Ländern bemühten sich des Öfteren um eine Anerkennung ihres Berufs in Deutschland. Mit entsprechender Erfahrung hätten sie die Möglichkeit, Teile der Meisterausbildung nachzuholen.
Hade Ramadan etwa hat das gemacht. Der Syrer hat in seiner Heimat sein Handwerk gelernt, kam 2015 nach Deutschland und hat schon in mehreren Ländern als Barbier und Friseur gearbeitet. Seit 2021 betreibt er das „Medusa“in Tuttlingen. Er bietet Männer- wie Frauenhaarschnitte an, natürlich auch Bartgrooming. Dass die Konkurrenz in Tutlingen nun wächst, sieht Mitarbeiterin Nena Kostic entspannt. „Wir freuen uns“, sagt sie, man kenne sich untereinander in der Branche. Das liegt auch an sozialen Netzwerken wie Instagram und Tiktok, die Friseure und Barbiere nutzen, um ihr Können zu zeigen.
Gerade der Zuzug von ausländischen Friseuren „trägt dazu bei, dass der Trend zum Bartschneiden nicht abflacht“, meint Moser. Und auch Patricia Jochum von der Geheimratsecke freut sich, „dass das Handwerk aktuell wieder so aufblüht“. Eine große Konkurrenzsituation sieht sie nicht: „Ich spreche wahrscheinlich eine ganz andere Kundschaft an. Männer, die in die neuen Barbershops gehen, kommen nicht zu mir und andersrum. Weil jeder auch ein bisschen anders spezialisiert ist. Und das ist das Schöne daran.“
Und was sagen alteingesessene Friseure dazu? „Hauptsache, die gleichen Regeln gelten für alle“, sagt Karl Staudacher vom gleichnamigen Friseurgeschäft. Was Trends angeht, ist er ohnehin entspannt. Bart schneiden könnten Friseure schon immer und nun sei es eben bei jungen Leuten angesagt. Seine jüngeren Friseure brächten da entsprechendes Publikum mit.
Und der „Nuller-Haarschnitt“– an den Seiten kurz, oben länger – sei auch keine neue Erfindung. „Nach dem Krieg hat man den Haarschnitt oft gemacht, damals hieß es halt halblang.“