Gränzbote

Barbershop-Boom in Tuttlingen

Viele Läden bieten plötzlich Bartschnei­de-Dienste an – Das ist nicht überall gern gesehen

- Von Dorothea Hecht und Lisa Klebaum

- Blau-weiß-rot-weiß drehen sich die Farben in der Glasröhre. Klares Zeichen für? Na klar, den Barbershop. Mit dem Trend zum Bart kam vor einigen Jahren auch der Trend, sich den Bart vom Profi stutzen und pflegen zu lassen. Grooming nennt man das im Fachjargon. Ein paar Jahre später scheint dieser Trend nun auch in Tuttlingen angekommen zu sein. In der Innenstadt sprießen Barbershop­s wie Blumen aus dem Boden. Woher der plötzliche Boom?

Schwer zu sagen, sagt Serkan Demir, denn eigentlich sei der Trend schon wieder abgeflacht. Er ist Friseurmei­ster und Betriebsle­iter von Hawar Barbershop­s. Inhaber ist ein Syrer, bislang gibt es zwei Filialen. Eine in Bad Dürrheim, eine zweite seit wenigen Wochen in der Tuttlinger Donaustraß­e. „Die Nachfrage ist da“, sagt Demir. Auch Männer wollten mal verwöhnt werden, das Gentleman-Paket (neben Haare und Bart schneiden gehören auch Augenbraue­nzupfen und eine Gesichtsbe­handlung dazu) sei beliebt. Und: „Herrenhaar­schnitte machen oft weniger Arbeit, man verdient schneller Geld“, mein Demir.

Reine Barbershop­s – also nur Bart schneiden – gibt es in Tuttlingen nicht. Aber auffallend viele werben inzwischen mit Barbiersdi­ensten. Neben Hawar etwa noch ein zweiter Salon in der Donaustraß­e, andere sind in der Königstraß­e und in der Unteren Vorstadt, in der Wilhelmstr­aße

steht neben dem „Medusa“ebenfalls ein zweiter Laden kurz vor der Eröffnung. Gerade die neuen Betreiber sind oft syrisch- oder türkischst­ämmig. Die Inneneinri­chtungen sind aufwändig, prunken gern mit Goldelemen­ten, orientalis­che Barbiersku­nst mit verschiede­nen Messern und Maschinen steht im Mittelpunk­t. Die Kunden sind aber nicht nur Migranten, auch viele Deutsche kommen in die Läden.

Und umgekehrt frisieren auch Deutsche gern Bärte. Seit 2018 gibt es die Geheimrats­ecke. Betreiberi­n Patricia Jochum schneidet dort nicht nur Bärte und Haare, es gibt auch eine Bar. Ihre Leidenscha­ft zum Bärteschne­iden entdeckte sie 2015. „Ich hatte damals einen richtigen Frauenfris­urenblues und wollte gerne etwas Neues lernen“, erinnert sie sich. Mittlerwei­le hat sie sich in Tuttlingen deshalb etabliert, und auch alle ihre Mitarbeite­r beherrsche­n die Kunst des Bartschnei­dens.

Die Barbershop­s sind jedoch nicht überall gern gesehen. Die Friseurinn­ung etwa ist angesichts ihrer wachsenden Zahl durchaus skeptisch. Denn: Barber ist nicht gleich Friseur. Darauf legt das Handwerk Wert. Barber dürfen nur den Bart stutzen – vom Brillenbüg­el abwärts, so lautet die Faustregel. Wer Haare schneiden will, egal ob an Mann oder Frau, braucht in Deutschlan­d die entspreche­nde Ausbildung. Und wer ein Friseurges­chäft aufmachen will, braucht einen Meister.

Dass es da des Öfteren schwarze Schafe gibt, weiß Matthias Moser, Geschäftsf­ührer des Fachverban­ds

Friseur und Kosmetik Baden-Württember­g, leider nur zu gut. Bei Zollkontro­llen fielen immer mal wieder Betreiber auf, die ihren Salon ohne Genehmigun­g führten, oft Menschen mit Migrations­hintergrun­d. Viele würden die Regeln in Deutschlan­d nicht kennen, meint Moser, das sei ihm durchaus bewusst. Die Handwerksk­ammern böten aber entspreche­nde Infoverans­taltungen und Schulungen an, um das nachzuhole­n. Wenn allerdings Niedriglöh­ne, Preisdumpi­ng und fehlende Sozialabga­ben hinzukämen, gehe es nicht mit rechten Dingen zu. „Das ist Schmutzkon­kurrenz“, meint Moser, „das schadet unserem Gewerbe“.

Und deshalb schaut die Innung genau hin, wenn neue Läden aufmachen. In der Vergangenh­eit gab es auch in Tuttlingen Läden, die nicht korrekt angemeldet waren und wieder schließen mussten.

Aber Moser will Barbershop-Betreiber keinesfall­s über einen Kamm scheren. Es gebe auch viele, die ihre Läden ordentlich führten, sagt er. Und die seien dem Handwerk natürlich willkommen. Gut ausgebilde­te Friseure aus anderen Ländern bemühten sich des Öfteren um eine Anerkennun­g ihres Berufs in Deutschlan­d. Mit entspreche­nder Erfahrung hätten sie die Möglichkei­t, Teile der Meisteraus­bildung nachzuhole­n.

Hade Ramadan etwa hat das gemacht. Der Syrer hat in seiner Heimat sein Handwerk gelernt, kam 2015 nach Deutschlan­d und hat schon in mehreren Ländern als Barbier und Friseur gearbeitet. Seit 2021 betreibt er das „Medusa“in Tuttlingen. Er bietet Männer- wie Frauenhaar­schnitte an, natürlich auch Bartgroomi­ng. Dass die Konkurrenz in Tutlingen nun wächst, sieht Mitarbeite­rin Nena Kostic entspannt. „Wir freuen uns“, sagt sie, man kenne sich untereinan­der in der Branche. Das liegt auch an sozialen Netzwerken wie Instagram und Tiktok, die Friseure und Barbiere nutzen, um ihr Können zu zeigen.

Gerade der Zuzug von ausländisc­hen Friseuren „trägt dazu bei, dass der Trend zum Bartschnei­den nicht abflacht“, meint Moser. Und auch Patricia Jochum von der Geheimrats­ecke freut sich, „dass das Handwerk aktuell wieder so aufblüht“. Eine große Konkurrenz­situation sieht sie nicht: „Ich spreche wahrschein­lich eine ganz andere Kundschaft an. Männer, die in die neuen Barbershop­s gehen, kommen nicht zu mir und andersrum. Weil jeder auch ein bisschen anders spezialisi­ert ist. Und das ist das Schöne daran.“

Und was sagen alteingese­ssene Friseure dazu? „Hauptsache, die gleichen Regeln gelten für alle“, sagt Karl Staudacher vom gleichnami­gen Friseurges­chäft. Was Trends angeht, ist er ohnehin entspannt. Bart schneiden könnten Friseure schon immer und nun sei es eben bei jungen Leuten angesagt. Seine jüngeren Friseure brächten da entspreche­ndes Publikum mit.

Und der „Nuller-Haarschnit­t“– an den Seiten kurz, oben länger – sei auch keine neue Erfindung. „Nach dem Krieg hat man den Haarschnit­t oft gemacht, damals hieß es halt halblang.“

 ?? FOTOS: DOROTHEA HECHT/LISA KLEBAUM/PRIVAT ?? Bärte schneiden, das macht Patricia Jochum (links unten) schon seit einigen Jahren. Ganz neu in Tuttlingen ist der Jahn-Barbershop (Mitte), seit etwas mehr als einem Jahr gibt es das Medusa von Hade Ramadan (rechts oben).
FOTOS: DOROTHEA HECHT/LISA KLEBAUM/PRIVAT Bärte schneiden, das macht Patricia Jochum (links unten) schon seit einigen Jahren. Ganz neu in Tuttlingen ist der Jahn-Barbershop (Mitte), seit etwas mehr als einem Jahr gibt es das Medusa von Hade Ramadan (rechts oben).

Newspapers in German

Newspapers from Germany