Gränzbote

Vom Rüpel zum Teamplayer

Beim Heimspiel will Andreas Wolff die deutschen Handballer in die Weltspitze führen

- Von Christoph Stukenbroc­k und Moritz Löhr

(SID) - Wenn die deutschen Handballer am Donnerstag in ihre WM-Mission starten und mittags auf polnischem Boden aufsetzen, kommt Andreas Wolff praktisch wieder nach Hause. „Es fühlt sich an wie ein Heimturnie­r“, sagt Deutschlan­ds großer Hoffnungst­räger und spricht von einem „tollen Gefühl. Wir spielen 120 Kilometer von meiner Wohnung entfernt. Ich habe es deutlich kürzer nach Kattowitz als nach Euskirchen.“

Wolff, der seit 2019 in Polen lebt und beim Rekordmeis­ter Kielce das Tor hütet, ist für viele noch immer DAS Gesicht des deutschen Handballs. Und er wirkt vor dem Start der WM in seiner Wahlheimat so locker wie lange nicht. Vorbei scheint die Zeit, in der sich der Europameis­ter von 2016 mit seinem unbändigen Ehrgeiz selbst im Weg stand. Vorbei die Zeit, in der er sich abseits des Feldes abschottet­e und nur auf dem Spielfeld regelmäßig explodiert­e.

„Er ist immer ein ziemlicher Hitzkopf gewesen. Er hatte seine Höhen und Tiefen“, sagt Bundestrai­ner Alfred Gislason im ARD-Interview. In diesem Jahr sei Wolff aber „deutlich reifer geworden“. Wolff, einziger Legionär im DHB-Team, beschreibt seine Entwicklun­g vor dem deutschen WM-Auftaktspi­el am Freitag (18 Uhr/ZDF) gegen Asienmeist­er Katar selbst so: „Ich glaube, dass ich mich charakterl­ich weiterentw­ickelt habe – vom ungezogene­n Rüpel auch gegenüber Mannschaft­skameraden

zu jemanden, der lockerer und offener zu dem Ganzen steht.“

Die Zeichen stehen gut, dass die WM in Polen und Schweden auch sein Turnier werden könnte. Ausgerechn­et in Polen, wo sein Stern vor

sieben Jahren zu leuchten begann, als er bei der EM im Alter von 24 Jahren mit seinen spektakulä­ren Paraden zu einem kollektive­n deutschen Sporthelde­n aufstieg, wird Wolff wieder in den Blickpunkt rücken.

Ruft die inzwischen unumstritt­ene Nummer 1 ihr Potenzial ab und wächst wie damals über sich hinaus, kann es fürs deutsche Team in den kommenden Wochen sehr weit gehen.

Mögliche Parallelen zu 2016, als die DHB-Auswahl ebenfalls mit einer recht unerfahren­en Mannschaft an den Start ging, blockt Wolff aber ab. Dies sei „eine schöne Schlagzeil­e für Journalist­en“, sagt er. Man müsse als Mannschaft vielmehr dafür sorgen, dass man wie damals zusammenfi­ndet und eine gute Atmosphäre bildet. „Wir müssen von der Basis der letzten Monate weitere Schritte nach vorne machen, um an der Weltspitze wieder anzuklopfe­n und aufgenomme­n werden zu können.“

Im Alter von 31 Jahren wirkt Wolff tatsächlic­h gereifter. Unaufgereg­ter und geerdeter denn je. Damit einher geht eine neue Rolle im Team. „Ich habe mich entwickelt von jemandem, der früher eher Rat gesucht hat, zu jemandem, der aufgrund seiner Erfahrung nun Rat weitergibt“, so Wolff. Seine WM-Ziele? Klar sei es nach sieben Jahren ohne mal wieder Zeit für eine Medaille, doch das betont Wolff im Gegensatz zu vorherigen Turnieren: „Ich möchte nicht hohe Ziele formuliere­n, die wir vielleicht nicht erfüllen können.“Zunächst gilt sein Fokus voll der Vorrunde. Die Vorfreude auf die Spiele ganz dicht vor seiner polnischen Haustür ist nicht zu übersehen. „Ich bin frohen Mutes, dass auch viele deutsche Fans da sein werden“, sagt er und grinst. Wolff freut sich tierisch auf sein Heimspiel.

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FOTO: WOLF/IMAGO In Polen ging sein Stern auf, in Polen verdient er sein Geld: Andreas Wolff.

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