Gränzbote

„Spielen, bis ich 45 bin“

41 Tage nach dem deutschen WM-Aus scherzt Bayern-Star Kimmich über seine Zukunft

- Von Klaus Bergmann und Christian Kunz

(dpa) - Joshua Kimmich rang sich im Verlauf seiner WM-Befragung unweit des Chalifa-Stadions sogar einen witzigen Spruch ab. Nach dem inzwischen dritten vermurkste­n Turnier nacheinand­er müsse er wohl „einfach spielen, bis ich 45 bin“, um mit der Fußball-Nationalma­nnschaft auch mal schöne und erfolgreic­he DFB-Zeiten zu erleben.

Spätestens an dieser Stelle war im Trainingsl­ager des FC Bayern München in Katar klar, dass der 27-Jährige nicht in jenem mentalen WM-„Loch“verschwind­et, vor dem er sich unmittelba­r nach dem deutschen WMDesaster am 1. Dezember gefürchtet hatte. „Die Aussagen direkt nach dem Spiel waren natürlich sehr emotional, weil mir so etwas nahegeht, weil man große Ziele hat, weil wir große Ziele hatten“, sagte Kimmich nun 41 Tage später zurück in Katar.

Die Zeit heilt Wunden, heißt es. Kimmich hat das Scheitern in den Urlaubswoc­hen danach für sich verarbeite­t, auch wenn er es „nicht einfach vergessen und abhaken“könne. Insbesonde­re er nicht, der Profi, der auf dem Fußballpla­tz zwischen Ehrgeiz und Verbissenh­eit pendelt. Kimmich ist der Klassenspr­echer jener vermeintli­ch nächsten „Goldenen DFB-Generation“um die in den Jahren 1995 und 1996 geborenen Nationalsp­ieler wie Serge Gnabry, Leon Goretzka, Niklas Süle oder Leroy Sané, der in Bayerns Wintercamp seinen 27. Geburtstag verbrachte.

Die Aufgaben als inzwischen dreifacher Familienva­ter hätten ihm während des Urlaubs am Meer geholfen, erzählte Kimmich. „In ein Loch bin ich ehrlicherw­eise nicht unbedingt gefallen. Das ist, glaube ich, auch so ein bisschen meinen drei Kindern geschuldet.“Sie lenkten ihn ab, verlangten seine Aufmerksam­keit. „Da war es schwierig, in irgendein Loch zu fallen. Da hat man andere Aufgaben.“2018, nach dem ersten WM-Vorrunden-Aus in Russland, sei das „fast schwierige­r“gewesen.

Damals habe in der deutschen Mannschaft, die als Weltmeiste­r angereist war, „ganz wenig gestimmt“. Beim EM-Achtelfina­l-Aus 2021 gegen

England sei es ein „Fifty-FiftySpiel“gewesen, das man im Londoner Wembleysta­dion verloren habe. „Und jetzt war nicht alles super. Aber uns haben 30 Minuten gegen Japan das Turnier gekostet“, findet der Bösinger. Aus einem 1:0 wurde im WMAuftakts­piel ein 1:2.

Beim Neubeginn Richtung Heim-Europameis­terschaft

2024 wird Kimmich wieder in verantwort­licher Position und vielleicht sogar – nach der langfristi­gen

Verletzung von Torwart Manuel Neuer – als neuer Kapitän dabei sein. „Und dann werden wir ab März hoffentlic­h attackiere­n“, kündigte der Mittelfeld­chef an.

Spitzenspo­rtler blicken stets nach vorne. Auch Kimmich, der sieben

Wochen zuvor im Stadion von AlChaur den Tränen nahe vom „schwierigs­ten Tag meiner Karriere“gesprochen hatte. An Rücktritt, ans Aufgeben dachte er aber auch da nicht. „Man hat nicht allzu viele Chancen – gerade mit der Nationalma­nnschaft“, sagte er jetzt.

Wenn die DFB-Auswahl am 14. Juni 2024 in München das EM-Eröffnungs­spiel bestreitet, wird Kimmich schon 30 sein. Bei der nächsten WM ist er 32. Aber das ist für ihn noch weit weg. Jetzt trägt er wieder das Bayern-Trikot. In dem wurde er 2020 Champions-League-Sieger und 2021 Club-Weltmeiste­r – darin ist (auch) er ein Gewinnerty­p. Er ist top motiviert für die zweite Hälfte der verflixten WM-Saison. „Wir haben noch große Ziele, ein paar Titel sind noch zu vergeben.“Das Triple!

Im Bayern-Training auf der Aspire Anlage sticht er regelmäßig heraus. Jeden noch so kleinen Wettkampf will Kimmich gewinnen. Am Dienstagab­end übte er gemeinsam mit seinen DFB-Kollegen Jamal Musiala und Gnabry noch eifrig Torschüsse. Mit links, mit rechts, immer wieder schoss das Bayern-Trio aufs Tor. „Torgefahr, da kann ich mich verbessern“, sagte Kimmich. Er wirkt noch eine Spur ehrgeizige­r als zuvor.

„Das Immer-Weitermach­en ist in uns drin“, erläuterte Thomas Müller, als er in Doha zu möglichen negativen Auswirkung­en des schlechten WM-Verlaufs angesproch­en wurde. Auch den Routinier stacheln Misserfolg­e eher an: „Wir beim FC Bayern sind die Spitze der Spieler, die mit dem Druck umgehen können und müssen.“Kimmich will sich dabei treu bleiben: „Ich habe nicht das Gefühl, dass ich mich ändern muss.“

„Die Aussagen direkt nach dem Spiel waren natürlich sehr emotional, weil mir so etwas nahegeht.“Joshua Kimmich

 ?? FOTO: HUSSEIN IBRAHIM/IMAGO ?? Joshua Kimmich hat auf dem Fußballfel­d seinen Spaß wiedergefu­nden.
FOTO: HUSSEIN IBRAHIM/IMAGO Joshua Kimmich hat auf dem Fußballfel­d seinen Spaß wiedergefu­nden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany