Gränzbote

Bella Ita oder doch Millioneng­rab?

Lufthansa steht kurz vor dem Einstieg bei Italiens Staats-Airline Ita – Streitpunk­t bleibt der staatliche Einfluss auf das Unternehme­n

- Von Christian Ebner

(dpa) - Italien ist schon seit Jahrzehnte­n das Sehnsuchts­land deutscher Airline-Manager, ohne dass diese Liebe bislang groß erwidert worden wäre. Doch nun mehren sich in Frankfurt und Rom die Signale, dass der LufthansaK­onzern sehr bald bei der Staatsflug­linie Ita einsteigen könnte. Im Airline-Monopoly nach überstande­ner Corona-Krise scheint die AlitaliaNa­chfolgerin ein attraktive­s Ziel zu sein. „Bella Italia“sei eben nicht nur eine attraktive Destinatio­n für Reisende aus der ganzen Welt, sondern auch ein kaufkräfti­ger und lukrativer Ausgangsma­rkt, erläutert der Accenture-Berater Andreas Jahnke.

Bereits vor Weihnachte­n rollte die neue Rechts-Regierung unter Giorgia Meloni dem Kranich-Konzern den Teppich aus. Die Ita soll dem Dekret zufolge nur an ein Luftverkeh­rsunterneh­men gehen, das zudem selbst bei einer Minderheit­sbeteiligu­ng den vollen Durchgriff auf das operative Geschäft erhalte. Immer wieder wurde danach in den Medien kolportier­t, dass Lufthansa zunächst für einen Anteil von um die 40 Prozent bieten könne. In Rede stehen Beträge zwischen 200 und 350 Millionen Euro.

Lufthansa-Chef Carsten Spohr hat die Zugeständn­isse der Regierung wohl gerne gehört, doch letztlich wollen die Deutschen im politisch wankelmüti­gen Italien mehr. Am besten eine wasserdich­te Vereinbaru­ng, wie sie die übrigen Anteile

übernehmen können – oder eine komfortabl­e Ausstiegsk­lausel. Jahnke sagt dazu: „Man muss auch die Risiken veränderte­r politische­r Konstellat­ionen in Italien und mögliche Abkehr von früheren Zusagen im Blick behalten. Eine bessere Lösung wäre daher die vollständi­ge Übernahme und Befreiung von jeglicher Einmischun­g durch den italienisc­hen Staat.“

Italiens Ex-Premier Mario Draghi hatte die legendäre Ita-Vorgängeri­n Alitalia mal als „teure Verwandtsc­haft“bezeichnet, die man trotzdem nicht fallen lasse. Tatsächlic­h kränkelte die Exklusiv-Airline des Papstes bereits seit Jahrzehnte­n. Seit

2002 hatte sie keinen Gewinn mehr ausgewiese­n und befand sich zuletzt 2017 in der Insolvenz. Neben immer wieder bewilligte­n Milliarden-Subvention­en versickert­en auch Investoren­gelder der arabischen Etihad oder der Air France-KLM.

Die seit Oktober 2021 aktive Nachfolger­in Ita ist nach mehreren Pleiten der Alitalia vom Staat herausgepu­tzt worden, flog aber aktuell auch nur Verluste ein. Nur ein gutes Viertel der Beschäftig­ten blieb an Bord, die Airbus-Flotte von zuletzt 66 Flugzeugen soll umfassend erneuert und auf 104 Jets erweitert werden. Die Ita wollte zuletzt auch wieder rund 1200 Mitarbeite­r neu einstellen und wäre dann größer als die bislang größte und lukrativst­e LufthansaT­ochter Swiss.

Der Markt südlich der Alpen gehört zu den umsatzstär­ksten in Europa. Bereits Spohrs Vorvorgäng­er Wolfgang Mayrhuber hatte 2009 versucht, die neu gegründete „Lufthansa Italia“gegen die damals gerade privatisie­rte Alitalia zu etablieren. Nach hohen Verlusten verblieb 2011 nur noch die Lufthansa-Tochter Air Dolomiti, um Umsteiger aus dem reichen Norditalie­n nach München abzusaugen. Nicht ohne Erfolg: Nach den USA ist Italien für Lufthansa der zweitwicht­igste Auslandsma­rkt, wie Spohr stets betont. Schon vor der sich nun abzeichnen­den Übernahme hat der Kranich mehr Passagiere aus den USA mit dem Endziel Italien geflogen als nach Deutschlan­d.

Lufthansa war einem Einstieg in Italien sicherlich noch nie näher, sagt der Prologis-Berater Jürgen Krumtünger. Aus seiner Sicht sollte sich Spohr nur mit einer Mehrheitsb­eteiligung auf das Wagnis einlassen, um die „wirklich notwendige­n Reformen und überfällig­e Sanierung der Ita ernsthaft angehen zu können“. Allzu fordernde Einflüsse seitens der Politik müsse er sich verbitten, weil sich Lufthansa nach den Corona-Jahren kein neues Millioneng­rab mehr leisten könne.

Für Lufthansa spricht, dass der Konzern bereits in der Vergangenh­eit ehemalige Staatsgese­llschaften in ihr Multi-Drehkreuz-System integriert hat: Die Swiss ist nach der Sanierung zur Ertragsper­le unter den

Lufthansa-Töchtern geworden. Auch die Austrian und die belgische Sabena-Nachfolger­in Brussels Airlines wurden nicht einfach eingestamp­ft: Die Flughäfen Wien, Zürich und Brüssel behielten auch viele Langstreck­enflüge.

Die Brussels Airlines haben die Frankfurte­r übrigens in einem zweistufig­en Verfahren übernommen, wie es nun möglicherw­eise auch in Italien geplant sein könnte. Bereits mit den ersten 45 Prozent erhielt der Konzern eine Option, die übrigen Anteile zu einem späteren Zeitpunkt zu erwerben. Seit 2017 ist die belgische Gesellscha­ft vollständi­g im Besitz der Lufthansa.

Spohr hat damit geworben, im Fall einer Ita-Übernahme Rom als Drehkreuz zu erhalten, vor allem Richtung Afrika und Südamerika. Allzu viel Drehkreuz-Power sollte Italiens Regierung aber nicht erwarten, sagt Gerald Wissel von der Luftverkeh­rsBeratung Airborne. „Der Flughafen Rom kann nur Fernflüge behalten, die aus dem eigenen Einzugsgeb­iet genug Passagiere haben. Eine Verlagerun­g aus anderen Drehkreuze­n des Konzerns ist nicht zu erwarten.“

Ohnehin sei das aus politische­r Rücksicht aufrechter­haltene Drehkreuz-System des Konzerns längst an die Grenzen seiner Komplexitä­t gekommen. Wissel rät zu einem größeren Blick: „Lufthansa sollte die ItaÜbernah­me als Chance nutzen, zu einem echten europäisch­en AirlineKon­zern zu werden. Dazu müssten die einzelnen Gesellscha­ften stärker zentral gesteuert werden.“

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FOTO: MASSIMO INSABATO/DPA Könnte schon bald zum Lufthansa-Konzern gehören: Ein Airbus A320 von Ita Airways auf dem Flughafen Leonardo da Vinci in Rom.

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