Mit Leichtigkeit zurück am Triumphort
Weltklasse-Biathletin Simone Hauswald ist noch immer Teil der Biathlon-Familie
- Hier ist sie einst von ihrem Heuberger Fanclub und vielen anderen angefeuert worden, gerade jetzt betreut sie beim Biathlon Weltcup VIP-Gäste ihres früheren Sponsors in einem Gästezelt und genießt, aus dem Nähkästchen des Biathlons mit ihnen zu plaudern. Die Wehingerin Simone Hauswald, frühere Weltklasse-Biathletin, hat seit 2010 gleich mehrere Kapitel ihres Lebensbuchs neu aufgeschlagen. Und jetzt ein eigenes, papierenes geschrieben zusammen mit dem Inklusionssport-Experten Martin Sowa.
Der Titel: „Umarme Dein Leben! Du hast nur eins“. Der Untertitel klingt ein bisschen wie viele Lebensratgeber: „Ein inspirierendes ABC für ein gelungenes Leben“.
Aber das trifft nicht ganz, was sich hinter dem Cover verbirgt. Der SWR Sportjournalist Johannes Seemüller bringt es in seinem Vorwort auf den Punkt: „Vieles kann, nichts muss.“
Simone Hauswalds Part sind Zitate und Impulse: Manchmal humorvolle, meist sachte und einfühlsame Fragen an das eigene Selbst entlang der Buchstaben des Alphabets. Und Martin Sowas Kurzgeschichten sind die dazu passenden kleinen Märchenerzählungen, in denen zum Schluss immer alles gut ist.
Das Buch scheint auch ein bisschen so etwas wie die Zusammenfassung aus Lebenserfahrung als Hochleistungssportlerin, Frau, die so viele Menschen kennen gelernt hat, und der Kennerin der menschlichen Höhen und Tiefen aus der professionellen Perspektive der Mentalcoach. Wer zum Beispiel schon einmal erfolgreich durch eine schwierige Situation gekommen ist, weil er sich vorher immer wieder vorgestellt hat, wie er es schaffen kann, weiß, was das in etwa ist.
„Begeisterung“, „Energie“, „Pause“, „Quasselstrippe“- Solche Begriffe können der Auslöser dafür sein, sich über etwas Gedanken zu machen, über das man bisher nie nachgedacht hat. Körper, Geist, Gefühle ansprechen. „Wenn man diese Begriffe als Windrad denkt, bilden sie ein Dreieck. Wenn man sie aber anschubst, gibt es einen Kreis“, erläutert Simone Hauswald den Sinn solcher Impulse im Telefongespräch von Ruhpolding aus. Das Buch richte sich einfach an Menschen. Egal ob Chef oder Arbeitnehmer, „das ist einfach ein Mensch“. Und: „Jeder trägt halt irgendwas mit sich herum.“So hat sie auch die Ideen bekommen: bei Gesprächen, beim Einkaufen, auf der Straße.
Aber ist es nicht manchmal ausreichend, sich einfach so sein zu lassen, wie man ist? „Das ist ja die große Kunst, wie das Sprichwort sagt, die Gelassenheit zu haben bei Dingen die man nicht ändern kann, die Dinge zu ändern, die man ändern kann und die Weisheit, beides voneinander unterscheiden zu können.“Die Erfahrung zeige ja, dass Veränderungen nur in kleinen Schritten geht. Kleine Rituale im Alltag zum Beispiel wenn man die Ernährung umstellen will, statt die radikale Diät. Den Menschen Werkzeuge an die Hand zu geben, diese Dimensionen auszuloten, das sei Sinn der Fragen und Impulse in ihrem Buch.
Sie rät, einfach eine Seite aufzuschlagen oder nach dem Inhaltsverzeichnis ein Wort auszuwählen, und das jeweilige Kapitel dann zu lesen. Und sich dann so nebenbei oder auch bewusst damit auseinander zu setzen oder über einzelne Fragen nachzusinnieren. Die Antworten kämen dann schon im Lauf des Tages.
Sie habe den Einruck, dass die Coronazeit den Menschen den Sinn dafür geschärft hat dafür, was ihnen wirklich wichtig ist.
Und sie selbst in Ruhpolding? Kennt man sie überhaupt noch 13 Jahre nach dem glanzvollen Karriereende? „Ja, es ist alles sehr präsent. Dass man Teil der Biathlonfamilie ist, ist spür- und erlebbar“, sagt sie. Sie genieße es aus der heutigen Perspektive in die Erinnerungen einzutauchen. Aber ist sie nicht wehmütig? „Ich vermisse nichts.“Es sei eher das Staunen über diese tollen Jahre, die Reisen, viele wunderbare Begegnungen, aber auch den Druck, dem man ausgesetzt gewesen sei. Wie sie sich freigeschwommen habe, um gut für sich zu sorgen und sich als Mensch nicht zu verlieren. Da beneidet sie die jungen Athleten nicht. „Erst wenn du was geleistet hast, darfst du hinstehen.“Sie sei froh, dass sie in ihrer aktiven Zeit nicht ständig auf Instagram oder Facebook präsent sein musste. Das werde heute erwartet, obwohl diese Medienpräsenz eine stetige Gratwanderung sei, wie viel man von sich zeige, und wie viel nicht. Abgesehen von der Zeit, die dem Training und der Regeneration verloren ginge.
Sie habe ja schon im Mai 2009 gewusst, dass sie 2010 aufhören werde. Und habe sich deshalb dankbar verabschiedet. „Es war ein sehr stimmiges Aufhören und es fühlt sich immer noch gut an, die Entscheidung selber getroffen zu haben und nicht durch Verletzung oder weil du schlecht bist, zum Aufhören gezwungen gewesen zu sein.“
Das berufliche Leben habe mit ihrer Ausbildung zum Mentalcoach etwas Neues, Schönes bereitgehalten und es sei ein Genuss, Gesundheitssport betreiben zu dürfen und nicht einen Trainingsplan abarbeiten zu müssen. Vieles aus der sportlichen Laufbahn habe auf dem Weg zum Mentalcoach aber geholfen, zum Beispiel, als sie in Turin als zweite Ersatzfrau nicht zum Einsatz kam. Das sei die bitterste Zeit gewesen. Da habe
sie gelernt, dass es immer weiter geht. Oder Michael Zischka, der ihr als Physiotherapeut und Mentor bereits Mentaltraining nahe gebracht habe.
Staunen und Dankbarkeit ist aus Hauswalds Stimme herauszuhören, wenn sie über das „Wunder“ihres Aufhörens spricht. Denn nachdem sie den Abschied in Oslo bekannt gegeben hatte, setzte sie zum Siegeszug an, gewann drei Mal hintereinander, krönte ihre Karriere als Weltmeisterin. Ein wichtiger Punkt sei die VizeWeltmeisterschaft 2009 in Südkorea gewesen. Die Familie ihrer Mutter, eine Südkoreanerin, sei vor Ort gewesen und sie habe es deutlich empfunden, dass „ich eben nicht nur die schwäbische Simone bin, sondern auch die koreanische Simone zu 50 Prozent“. Die ostasiatische Gelassenheit und Weisheit spüren zu dürfen habe viel ausgelöst und mehr Kraft gegeben. „Das war ein wichtiger Meilenstein.“