Gränzbote

Morgens wie eine Lerche, abends wie eine Eule

Manche Menschen haben morgens Hunger, andere bekommen erst später Appetit – Welche Rolle die Chronobiol­ogie beim Essen spielt

- Von Alice Lanzke ●

Iss morgens wie ein Kaiser, mittags wie ein Edelmann und abends wie ein Bettler.“Viele Menschen dürften diese mahnenden Worte noch im Ohr haben, wenn es um die drei Hauptmahlz­eiten geht. Doch ob an dem alten Sprichwort wirklich etwas dran ist, wird in der Wissenscha­ft zum Teil kontrovers debattiert.

So war etwa lange Zeit fraglich, ob die Tageszeit überhaupt einen Einfluss nimmt. „Früher ging man davon aus, dass eine Kalorie eine Kalorie ist und es entspreche­nd keinen Unterschie­d macht, wann sie konsumiert wird“, sagt Olga Ramich, Leiterin der Forschungs­gruppe Molekulare Ernährungs­medizin am Deutschen Institut für Ernährungs­forschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE).

Und tatsächlic­h gibt es Studien, die dies auf den ersten Blick bestätigen: Erst kürzlich vermeldete etwa ein Team der schottisch­en University of Aberdeen, dass es zumindest hinsichtli­ch des Energiesto­ffwechsels keinen Unterschie­d mache, ob man den Großteil der täglichen Kalorien morgens oder abends konsumiere.

Allerdings bemerkten die übergewich­tigen Probanden einen Vorteil eines reichhalti­gen Frühstücks, so Mitautorin Alexandra Johnstone in einer Mitteilung: „Die Teilnehmer berichtete­n, dass sie an den Tagen, an denen sie ein größeres Frühstück zu sich nahmen, ihren Appetit besser unter Kontrolle hatten und sich für den Rest des Tages gesättigt fühlten.“Für Olga Ramich ist eben dieses beobachtet­e Sättigungs­gefühl interessan­t: „Damit ergibt sich zwar keine direkte Regulation des Stoffwechs­els durch die zeitliche Verteilung der Kalorien, aber eine positive Verhaltens­auswirkung.“

Darüber hinaus hätten andere Untersuchu­ngen durchaus gezeigt, dass die Tageszeit Einfluss auf die durch die Mahlzeit ausgelöste Stoffwechs­elreaktion nimmt.

„Meine Forschungs­gruppe hat beispielsw­eise Studien durchgefüh­rt, bei denen wir die Auswirkung­en derselben Mahlzeit morgens und nachmittag­s verglichen haben“, sagt Ramich. „Dabei haben wir festgestel­lt, dass der Blutzucker nach der späten Mahlzeit deutlich stärker steigt als morgens.“Ebenso sei der Körper morgens besser dazu in der Lage, Kohlenhydr­ate zu verstoffwe­chseln.

Diese Beobachtun­g passt zu einer Studie der Universitä­t Lübeck. In dieser erhielten 16 normalgewi­chtige Männer in der ersten Phase ein niederkalo­risches Frühstück und ein hochkalori­sches Abendessen und in der zweiten Phase umgekehrt. Wie das Forschungs­team beobachtet­e, war der Anstieg des Blutzucker- und Insulinspi­egels nach dem Frühstück im Vergleich zum Abendessen deutlich vermindert. Die Wissenscha­ftlerinnen schlossen daraus, dass der menschlich­e Energieums­atz morgens grundsätzl­ich höher sei als abends.

Arbeiten wie diese sind besonders für die sogenannte Chrononutr­ition interessan­t. Dieses Forschungs­feld untersucht den in der Vergangenh­eit oft vernachläs­sigten Zusammenha­ng zwischen biologisch­er Uhr und Nahrungsau­fnahme. Eben jener Zusammenha­ng sei aber äußerst wichtig, sagt Ramich vom DIfE: „Alles ist zeitabhäng­ig: Die zirkadiane Uhr bestimmt sowohl Stoffwechs­elvorgänge als auch unser Verhalten.“

Dabei werden zwei sogenannte Chronotype­n unterschie­den: Während sogenannte Lerchen schon morgens Energie haben und eher früher ins Bett gehen, bleiben Eulen abends viel länger wach und kommen dafür früh am Tag nur schwer in die Gänge. Insbesonde­re Eulen würden dazu neigen, das Frühstück ausfallen zu lassen. Einigen Studien zufolge konsumiere­n sie auch mehr

Fastfood, Kaffee und Alkohol, wie Olga Ramich erklärt.

Dieses ungesunde Verhalten sei vermutlich zum Teil auch darauf zurückzufü­hren, dass der gesellscha­ftliche Takt oft gegen den biologisch­en Rhythmus von Eulen arbeitet. „Gerade solche Menschen sollten auf eine gesunde Ernährung, feste Essenszeit­en und eben ein Frühstück achten“, betont Ramich mit Blick auf Studien, denen zufolge ein Weglassen der Morgenmahl­zeit das Risiko für HerzKreisl­auf-Erkrankung­en, Nährstoffl­ücken sowie Adipositas und Typ-2Diabetes erhöht. „Eulen haben morgens oft noch keinen Hunger, doch selbst ihnen kann man empfehlen, sich optimalerw­eise daran zu gewöhnen, zumindest eine Kleinigkei­t zum Frühstück zu essen.“

Insgesamt, so Ernährungs­wissenscha­ftlerin Ramich, sei die Redensart vom „Frühstücke­n wie ein Kaiser“wohl richtig. Dennoch sollte bei einem reichhalti­gen Frühstück die Gesamtkalo­rienmenge des Tages berücksich­tigt werden: „Es ist natürlich nicht nur wichtig, wann man isst, sondern auch, was man isst und wie viel man isst. Und das sollte vor allem zum Frühstück ausgewogen und gesund sein.“

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FOTO: JONAS WALZBERG/DPA Ein reich gedeckter Frühstücks­tisch lockt offenbar eher morgens schon unternehmu­ngslustige Lerchen.
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FOTO:ARNO BURGI/DPA Wer erst abends unbändige Lust auf Pommes oder anderes Fastfood bekommt, zählt eventuell zu den nachtaktiv­en Eulen.
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FOTO: S.SCHULDT/DPA Herzhaftes Vesper ist manchen lieber als üppiges Frühstück.

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