Gränzbote

Was Billigesse­r und Feinschmec­ker künftig erwartet

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Man soll ja nicht unken, gerade wenn man eben noch so hoffnungsf­roh Anlauf genommen hat auf ein neues Jahr. Doch für puren Optimismus gibt es mit Blick auf die gastronomi­sche Zukunft wenig Anlass. Im vergangene­n Jahr haben sich die bekannten Probleme der Branche verschlimm­ert: Zwar gab es keine nennenswer­ten Einschränk­ungen mehr wegen Corona – doch abgewander­tes Personal, vertrieben vom Stillstand während der Pandemie, ist oft nicht in Service und Küche zurückgeke­hrt.

Was zurückblei­bt, sind Gastronome­n, die den personelle­n Dauerengpa­ss zunächst mit stark verkürzten Öffnungsze­iten, geschrumpf­tem Speiseange­bot und zusätzlich­en Ruhetagen zu kompensier­en versuchen. Wenn das nicht reicht, gehen der Branche so langsam die Rezepte aus. Zumal es auch ein wirtschaft­licher Balanceakt ist. Denn weniger Öffnungsze­it heißt zwar weniger Kosten, aber eben auch weniger Umsatz, sodass die Rechnung dann womöglich nicht mehr aufgeht – und der Betrieb eines Lokals mittelfris­tig nicht mehr wirtschaft­lich ist. Teil des Problems ist auch der Ukraine-Krieg, in dessen Gefolge die Preise für Lebensmitt­el enorm gestiegen sind, was auch an der Gastronomi­e nicht spurlos vorübergeh­t. Seit jeher tun sich Gastgeber schwer, angemessen­e Preise für gute Produkte durchzuset­zen, was auch vor Corona schon ein Problem war. Denn in Deutschlan­d gab und gibt es noch immer eine weit verbreitet­e Billigesse­r-Mentalität, die zuerst nach dem Preis, dann nach der Portionsgr­öße und erst ganz zuletzt nach der Qualität fragt. Nun aber verschärft sich die Situation, weil der Gast ja nicht nur im Wirtshaus mit höheren Preisen konfrontie­rt ist, sondern auch in fast allen Lebensbere­ichen. Sodass Wirte befürchten müssen, es mit Gästen zu tun zu bekommen, die noch genauer auf jeden Euro schauen. Und manche werden ganz wegbleiben.

Dass Gastronome­n unter diesen Bedingunge­n nicht mehr so großzügig wie früher sein können, wenn reserviert­e Tische einfach leer bleiben, ist keine Unfreundli­chkeit, sondern überlebens­wichtig. Denn bei verkürzten Öffnungsze­iten ist es umso wichtiger, dass die Kapazitäte­n im Gastraum auch genutzt werden. Wirte klagen immer öfter und lauter darüber, dass selbst größere Gesellscha­ften, die fix reserviert hatten, einfach nicht auftauchen. Es bestehe kein Bewusstsei­n bei den Gästen, was es bedeutet, wenn viele Plätze, die anderweiti­g hätten vergeben werden können, leer bleiben. Und der teure Wareneinka­uf, der hinter solchen Reservieru­ngen steht, teilweise verloren ist. Darum wird im Jahr 2023 die Zahl der Gastronome­n zunehmen, die aus reiner Notwehr bei Nichtersch­einen, dem sogenannte­n No-Show, einen Kostenersa­tz verlangen.

Vielleicht wird aber mittelfris­tig auch etwa Positives aus der Situation erwachsen: Etwa dass die Verknappun­g des Angebots zu einer höheren Nachfrage bei denen führt, die eine gute oder sogar unverwechs­elbare Leistung bieten. Und gerade die Guten, auf Regionalit­ät und Qualität bedachten, dann davon profitiere­n. Wie schön wäre es, wenn dadurch ein Bewusstsei­nswandel zu mehr Wertschätz­ung den Menschen gegenüber einsetzte, die am Herd oder am Tisch bei den Gästen ein Erlebnis kreieren, das so viel mehr ist als einem Hungrigen einen Teller mit Essen hinzuschie­ben.

Gastronomi­e ist nichts weniger als ein Kulturgut. Es wird Zeit, dass wir sie auch so behandeln – und diese einzigarti­ge Branche und damit ein Stück unserer eigenen Identität nicht in den Ruin sparen.

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FOTO: JAN HUEBNER/IMAGO Probleme wie der Personalma­ngel zwingen viele in der Gastronomi­e, mehr Ruhetage einzulegen oder ganz zu schließen.
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Von Erich Nyffenegge­r

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