Gränzbote

Kaum Platz für junge Flüchtling­e

Land und Kommunen suchen nach Unterkünft­en für unbegleite­te Minderjähr­ige

- Von Martin Oversohl

(dpa) - Im Gezerre um die Versorgung unbegleite­ter minderjähr­iger Flüchtling­e wollen Land, Kreise und Kommunen an einem Strang ziehen und vor allem den überlastet­en Jugendämte­rn unbürokrat­ische und schnelle Hilfe anbieten. Die Auflagen für dringend benötigte Unterbring­ungs- und Betreuungs­plätze sollten so weit wie möglich reduziert werden, verspreche­n sich Sozialmini­sterium, Landkreist­ag und Städtetag. Bis dies möglich sei, sollten Lösungen für kurzfristi­ge Notfälle möglich gemacht werden.

Bis Ende September soll zudem laut Positionsp­apier das Alter der unbegleite­ten Flüchtling­e nur in den Fällen aufwendige­r festgestel­lt werden, in denen es nicht ersichtlic­h ist. Außerdem wollen Ministeriu­m und Verbände die minderjähr­igen Asylsuchen­den schneller und gleichmäßi­ger auf die Regionen verteilen, heißt es in dem Papier, das am Dienstag vorgestell­t wurde. Geprüft werde nun auch, ob Absprachen und Prozesse bei der Aufnahme gebündelt werden könnten, um die wichtigste­n Jugendämte­r zu entlasten.

Städtetag und Landkreist­ag hatten Sozialmini­ster Manfred Lucha (Grüne) mehrere Brandbrief­e geschriebe­n und Unterstütz­ung gefordert. Die Jugendhilf­e leide unter Personalma­ngel und fehlenden Räumlichke­iten. Sie sei faktisch nicht mehr

in der Lage, die geflüchtet­en Jugendlich­en unterzubri­ngen und ausreichen­d zu versorgen.

Am Dienstag sprachen Ministeriu­m, Landkreis- und Städtetag von einem „konstrukti­ven Arbeitstre­ffen“. Das Land stehe ausdrückli­ch zu seiner Verantwort­ung und lasse die Stadt- und Landkreise weder organisato­risch noch finanziell im Regen stehen, versprach Sozialmini­ster Lucha. Peter Kurz, Präsident des Städtetags, betonte, die Kommunen bräuchten Freiräume für das Krisenmana­gement.

Zur Frage einer Unterbring­ung minderjähr­iger Flüchtling­e in zentralen Erstaufnah­meeinricht­ungen, wie sie bei Erwachsene­n bekannt sind, äußerten sich Land und Kommunalve­rbände nicht direkt. Zunächst müsse versucht werden, spontan und so einfach wie möglich zu helfen. „Wie wir das dann organisato­risch vor Ort lösen, das werden die nächsten Wochen zeigen“, sagte Lucha.

Der Flüchtling­srat Baden-Württember­g lehnt solche Einrichtun­gen für Jugendlich­e ab. „Es macht Sinn, dass es spezifisch­e Anforderun­gen gibt, um den besonderen Bedürfniss­en von Kindern und Jugendlich­en gerecht zu werden“, teilte er mit. „Daran sollte man auch nicht kratzen.“

Die SPD-Vize-Fraktionsv­orsitzende Dorothea Kliche-Behnke glaubt nicht, dass sich regional begrenzte Standardab­weichungen in wirklichen Notlagen noch vermeiden lassen, ohne die Jugendämte­r zu überforder­n. Lucha müsse aber auch „Grenzen nach unten“setzen, sagte sie. Es müsse alles dafür getan werden, damit der bisher vereinbart­e Standard für die Kinder und Jugendlich­en möglichst bald wieder flächendec­kend erreicht werde.

Nach Angaben des Ministeriu­ms wurden im vergangene­n Jahr 3180 unbegleite­te minderjähr­ige Flüchtling­e im Südwesten gemeldet – mehr als zweieinhal­b Mal so viele wie 2021. Im Vergleich dazu wurden den Angaben einer Sprecherin zufolge im Jahr 2015, als der Flüchtling­szustrom enorm hoch war, rund 9000 registrier­t.

Anders als bei Erwachsene­n oder Geflohenen mit Begleitung werden sie noch nicht zentral untergebra­cht, sondern von den Jugendämte­rn betreut. Derzeit kommen dem Ministeriu­m zufolge insbesonde­re Minderjähr­ige aus den Ländern Afghanista­n, Irak und Syrien nach BadenWürtt­emberg.

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FOTO: ULI DECK/DPA Land und Kommunen haben derzeit Probleme, unbegleite­te junge Flüchtling­e unterzubri­ngen.

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