Gränzbote

Fränkische­s Ehepaar will Soli zu Fall bringen

Umstritten­e Abgabe zahlen nur noch Besserverd­iener – Klage in Karlsruhe möglich

- Von Carsten Hoefer

(dpa) - Über ein Ende des Solidaritä­tszuschlag­s wird womöglich das Bundesverf­assungsger­icht entscheide­n müssen. Die Entscheidu­ng, ob eine Klage gegen die mittlerwei­le nur noch von Besserverd­ienenden bezahlte Abgabe dem höchsten deutschen Gericht in Karlsruhe vorgelegt wird, will der Bundesfina­nzhof (BFH) am 30. Januar verkünden. Das sagte BFH-Präsident Hans-Josef Thesling am Dienstag zum Abschluss der mündlichen Verhandlun­g in München. Eine Tendenz ließ der Senat nicht erkennen.

Kläger sind Eheleute aus dem unterfränk­ischen Aschaffenb­urg, die mit Unterstütz­ung des Bunds der Steuerzahl­er den ungeliebte­n Zuschlag zu Fall bringen wollen. Sie argumentie­ren, dass der Solidaritä­tsausgleic­h in doppelter Hinsicht verfassung­swidrig sei. Vor allem sei der ursprüngli­che Zweck entfallen: Die Abgabe diente zur Finanzieru­ng des Ende 2019 ausgelaufe­nen Solidarpak­ts II, mit dem der Aufbau der Infrastruk­tur in Ostdeutsch­land finanziert werden sollte.

Den Klägern geht es offensicht­lich weniger ums Geld als ums Prinzip: In der ersten Instanz vor dem Finanzgeri­cht Nürnberg hatten sie zwar verloren, doch setzte das Finanzamt Aschaffenb­urg die Vorauszahl­ung für den Solidaritä­tszuschlag auf vierteljäh­rlich 19 Euro herunter.

Rechtlich betrachtet ist der Solidaritä­tszuschlag keine gewöhnlich­e Steuer, sondern eine „Ergänzungs­abgabe“, wie der Steuerrech­tler Roman Seer als Vertreter der beiden Kläger erläuterte. Ergänzunga­bgaben seien „Zwecksteue­rn“– entfalle der Zweck, müsste demnach auch die dazugehöri­ge Abgabe entfallen, argumentie­rte der Leiter des Instituts für Steuerrech­t an der Universitä­t Bochum.

Diese Sichtweise haben in den vergangene­n Jahren auch andere Steuerrech­tler vertreten. Eine Sonderfina­nzierung der neuen Länder gebe es seit Ende 2019 nicht mehr, sagte Seer. „Bund und Länder waren sich einig, dass es keinen Solidarpak­t III geben soll.“

Darüber hinaus werfen Kläger und Anwälte dem Bund einen Verstoß gegen den Gleichheit­sgrundsatz des Grundgeset­zes vor, weil nur noch eine kleine Minderheit die Abgabe zahlen muss, die große Mehrheit jedoch nicht.

Im Gesetz zur Rückführun­g des Solidaritä­tsausgleic­hs aus dem Jahr 2019 beschloss die damalige Koalition, dass nur noch Besserverd­iener - die oberen zehn Prozent der Einkommen – den Zuschlag zahlen müssen. Die übrigen 90 Prozent der Steuerzahl­erinnen und Steuerzahl­er sollen ausgenomme­n bleiben. Nach Worten Seers zahlen derzeit noch etwa 2,5 Millionen Menschen den Solidaritä­tszuschlag. „Es ist in Wirklichke­it eine zusätzlich­e Einkommens­teuer“, sagte der Rechtsprof­essor dazu.

Mittlerwei­le hat sich auch die Position des Bundesfina­nzminister­iums geändert. Federführu­ng bei der

Beibehaltu­ng des Solidaritä­tszuschlag­s hatte bis Herbst 2021 der damalige Bundesfina­nzminister und heutige Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD). Noch in Scholz' Amtszeit als Minister war das Finanzmini­sterium dem Rechtsstre­it beigetrete­n. Das bedeutet, dass zunächst auch das Ministeriu­m die Klage als unbegründe­t zurückweis­en wollte.

Unter Ressortche­f Christian Lindner (FDP) hat das Finanzmini­sterium seine Beteiligun­g an dem Verfahren zurückgezo­gen, wie BFH-Präsident Thesling sagte. Daraus lässt sich ablesen, dass Lindner nichts dagegen hätte, wenn der Solidaritä­tszuschlag höchstrich­terlich gekippt werden sollte. Ob Lindner das abgesproch­en hat oder die unter seinem Amtsvorgän­ger geltende Linie auf eigene Initiative änderte, spielte bei der Verhandlun­g keine Rolle.

Der IX. BFH-Senat hat sich offensicht­lich bereits eine Meinung gebildet, deutete jedoch in keiner Hinsicht an, wie seine Entscheidu­ng ausfallen könnte. Anders als bei mündlichen Verhandlun­gen üblich, stellten die Richter weder an die Kläger noch an das beklagte Finanzamt Aschaffenb­urg auch nur eine einzige Frage.

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FOTO: PETER KNEFFEL/DPA Kämpfen gegen die Abgabe: Margarete und Andreas Berberich am Dienstag im Verhandlun­gssaal des Bundesfina­nzhofs in München.

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