Eva Götz’ Mörder seit 25 Jahren flüchtig
Ermittler hoffen durch „Aktenzeichen XY… ungelöst“heute auf neue Hinweise
(dpa/iw/mö) - Mehr als 25 Jahre nach dem Tod einer Freiburger Biologiestudentin soll der Fall am Mittwoch (20.15 Uhr) in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY… ungelöst“wieder aufgerollt werden. Die Ermittler erhoffen sich davon neue Hinweise in dem ungelösten Mordfall, wie die Polizei mitteilte. „Wir wollen das Geschehene nach so langer Zeit wieder in Erinnerung rufen mithilfe der Sendung“, begründet ein Sprecher.
„An diesem Fall sind wir akribisch dran“, sagt Andreas Reichert, Leiter des dreiköpfigen Cold-Case-Bereichs des Polizeipräsidiums Konstanz. Die Cold-Case-Gruppe gibt es seit Anfang 2022. Sie deckt die Landkreise Konstanz, Rottweil, Tuttlingen und Schwarzwald-Baar ab. Momentan haben sie 23 Fälle in ihren Akten, von 1961 bis 2012.
Schon einmal wurde öffentlichkeitswirksam gesucht, im Jahr 2000 bei der SAT.1-Sendung „Fahndungsakte Spezial“. Und nun? Vielleicht erinnert sich ja jemand durch das TVFormat „Aktenzeichen XY“auch nach so vielen Jahren daran, dass ihm etwas Ungewöhnliches aufgefallen ist oder ihn stutzig gemacht hat. Diese Zeugenhinweise könnten die Ermittler auf eine neue Spur führen.
Eva Götz war eine 26 Jahre junge Frau aus der Pfalz, die in Freiburg Biologie studierte. Sie galt als natürlich und lebenslustig. Am 26. Januar 1997, einem Sonntag, fährt sie gegen 19 Uhr von ihrem Heimatort Annweiler mit dem Zug nach Freiburg. Planmäßige Ankunftszeit: 21.02 Uhr. Den Weg zu ihrer Wohnung geht Eva Götz trotz der Dunkelheit, wie schon öfter, zu Fuß. Nach gut zehn Minuten, sie hat etwa die Hälfte der Strecke zurückgelegt, geht alles ganz schnell: Inmitten einer ruhigen und wenig befahrenen Wohngegend am Rande der Innenstadt packt ein Mann die junge Frau, betäubt sie mit Chloroform, zerrt sie in einen Kastenwagen und fährt davon.
Der Täter geht ein hohes Risiko ein: In Freiburg hört ein Ehepaar von der Wohnung aus Schreie, der Mann geht auf die Straße, um nach dem Rechten zu sehen – zu spät.
Was danach passiert, hat die Polizei durch Indizien rekonstruiert: Der Unbekannte fesselt Eva Götz und fährt mit ihr quer durch den Schwarzwald. Welchen Weg er nimmt, ist nicht klar, aber vieles deutet darauf hin, dass er sich auskennt. Irgendwann muss er die junge Frau sexuell misshandelt und sie noch im Auto mit einem Schal zu Tode erstickt haben. Der genaue Todeszeitpunkt ist unklar, es sei aber wohl „mitten in der Nacht“gewesen, meinen die Ermittler.
Wie groß die Gefahr für den Mörder ist, zeigt die Tatsache, dass sich in jener Nacht zahlreiche Besucher des Narrentreffens in Leipferdingen auf der Heimfahrt befinden. Einer von ihnen berichtet später der Polizei, ihm sei in jener Nacht gegen 2.35 Uhr ein großes und kantiges Wohnmobil aufgefallen. Aber der Mörder hat Glück, denn der Zeuge hat das Nummernschild nicht genau gesehen. Wahrscheinlich, sagt er, sei es ein ausländisches gewesen.
Der Leiche entledigt sich der Täter paradoxerweise an einer Stelle, an der er damit rechnen muss, erwischt zu werden: Er ist offenbar aus Richtung Donaueschingen, vorbei an Kirchen-Hausen nach Aulfingen gefahren, wo er nach zweieinhalb Kilometern die tote Eva Götz aus dem Auto wirft. Die Stelle ist kaum 20 Meter von der Landesstraße 185 entfernt und frei einsehbar.
Bei der Polizei rollt eine Fahndung in großem Stil an. Eine Sonderkommission befragt Fahrgäste auf der gesamten Zugstrecke zwischen Annweiler und Freiburg, dazu Anwohner in Freiburg, Bekannte von Eva Götz und schließlich Autofahrer zwischen Kirchen-Hausen und Aulfingen. Die Beamten verteilen überall Flugblätter, sie gehen umgehend mehr als 150 Hinweisen nach. Alles
vergebens. Der Mörder von Eva Götz bleibt unauffindbar.
Ein Experte des Landeskriminalamts erstellt ein grobes Täterprofil: Es müsse sich um einen Mann handeln, der „nicht zu jung“und sexuell motiviert war, dem es vor allem darum gegangen sei „absolute Macht zu erlangen“. Wahrscheinlich habe der Mörder die Tat in seiner Fantasie mehrfach durchgespielt. Und vieles spricht dafür, dass er sein Opfer eine gewisse Zeit lang beobachtet hat.
Vom Täter fehlt nach wie vor jede Spur. Nun erhoffen sich die Kriminalbeamten neue Hinweise zur Tat oder möglichen weiteren Opfern.
Auch ein Überfall in einem Einkaufszentrum in Sindelfingen soll am Mittwoch Thema bei „Aktenzeichen XY… ungelöst“sein. Dort wurden am 29. Oktober 2021 früh morgens zwei Geldautomaten gesprengt und 300.000 Euro erbeutet. Die vier maskierten Täter könnten den Ermittlern nach Teil einer kriminellen Organisation sein, die seit Jahren bundesweit Geldautomaten sprengt. Die Kripo Böblingen erhofft sich Hinweise zu den Tätern.
Tödliche Schüsse in Nürnberg, eine Babyleiche in der Nähe eines Wanderparkplatzes und eine vermisste Frau aus Oberbayern sind weitere Themen in der ZDF-Sendung.
Die Ermittler erhoffen sich auch in den drei ungelösten Kriminalfällen wichtige Hinweise aus der Bevölkerung.
Nach den tödlichen Schüssen auf einer Straße in Nürnberg im vergangenen Oktober sucht die Polizei mit Haftbefehl nach einem Verdächtigen, der sich seitdem auf der Flucht befindet. Am Montag veröffentlichten die Ermittler ein neues Foto des namentlich bekannten 28-Jährigen und setzten 10.000 Euro Belohnung für Hinweise aus.
„Wir fahnden weiterhin mit Nachdruck“, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Antje Gabriels-Gorsolke. „Da versuchen wir natürlich alles – deshalb auch die unterschiedlichen Kanäle“, sagte sie mit Blick auf die ZDF-Sendung am Mittwoch. Auch per Fahndungsplakat und über soziale Netzwerke wird nach dem mutmaßlichen Schützen gesucht. Der Türke soll am 24. Oktober vor einem Restaurant auf zwei Männer geschossen haben. Beide kamen schwer verletzt ins Krankenhaus, wo einer der beiden starb.
Außerdem soll „Aktenzeichen XY… ungelöst“Hinweise zu einem toten Neugeborenen bringen, das ein Mann Anfang Dezember in der Nähe eines Wanderparkplatzes bei Ruhpolding im oberbayerischen Landkreis Traunstein entdeckt hatte. Die Eltern des toten Säuglings konnten die Ermittler bisher nicht ausfindig machen. Das Landeskriminalamt setzte eine Belohnung von 5000 Euro aus.
Im dritten Fall aus Bayern geht es um das Verschwinden einer 39-Jährigen aus Unterhaching (Landkreis München). Sie war am 5. November zuletzt beim Einkaufen gesehen worden. Die Polizei ermittelt wegen eines möglichen Gewaltverbrechens.